TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/14 91/05/0211

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.12.1993
beobachten
merken

Index

L37151 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Burgenland;
L70701 Theater Veranstaltung Burgenland;
L81701 Baulärm Umgebungslärm Burgenland;
L82001 Bauordnung Burgenland;
L82201 Aufzug Burgenland;
L82251 Garagen Burgenland;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
BauO Bgld 1969 §84;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des J in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 2. Jänner 1991, Zl. VI/1-1639/1-1990, betreffend Baubewilligung zur Errichtung einer Werbeanlage (mitbeteiligte Partei:

Landeshauptstadt Eisenstadt, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Gegenstand des Bauansuchens des Beschwerdeführers vom 22. September 1989 ist eine Werbetafel über dem Geschäftsportal des Hauses B. Die Tafel hat die Form eines gleichschenkeligen Dreieckes (Längsseite 130 cm, Schenkel 87 cm), welches in rosa Farbe einen Gesichtsteil, insbesondere die Augenpartie, zeigt. Sie soll durch drei Neonröhren beleuchtet werden. Bei der Bauverhandlung erklärte die Bewohnerin eines gegenüberliegenden Hauses (A.Sch.), daß sie sich durch diese Werbetafel gesundheitlich beeinträchtigt fühle. Der beigezogene medizinische Amtssachverständige Dr. P. erstattete nachstehendes "Gutachten":

"Es ist eine bekannte, keiner näheren wissenschaftlichen Begründung bedürfende Tatsache, daß unser Auge von den Augen unserer Mitmenschen und auch durch Abbildung derselben unwillkürlich angezogen wird - entweder in positiver oder negativer Weise - man schaut eben gerne in die Augen seines jeweiligen Gegenüber oder vermeidet dies, soweit dies nur irgendwie möglich. Aufgrund dieser Tatsache ist es also praktisch unmöglich den Blick eines menschlichen Auges komplett zu negieren, sich dadurch nicht entweder angezogen oder abgestoßen zu fühlen.

Durch die Anbringung gegenständlicher Werbefläche an der Längsseite des Hauses, richtet sich der Blick der dargestellten Augen direkt auf die Fenster der Wohnung der Beschwerdeführerin Frau A.Sch. Jedesmal, wenn Frau Sch. aus ihrem Fenster blickt, werden ihre Augen, ob sie es nun will oder nicht, von den an der Werbefläche dargestellten Augen gefangen. Dies wäre auf Dauer nicht einmal auszuhalten, wenn es sich um die Darstellung "geliebter Augen" handeln würde. In diesem Fall aber, kommt es geradezu einer Folter gleich. Der Einwand einer Gesundheitsbeeinträchtigung in psychischer Hinsicht ist es daher meines Erachtens durchaus zutreffend."

Zu diesem "Gutachten" führte der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 14. Dezember 1989 aus, es könne durch die Werbetafel von einer Gesundheitsbeeinträchtigung in psychischer Hinsicht keine Rede sein. Mit derartigen Einwendungen könnte jede "Werbereklame" verhindert werden. Es wurde die Einholung des Gutachtens eines gerichtlich beeideten Sachverständigen beantragt.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Landeshauptstadt versagte mit Bescheid vom 18. Dezember 1989 die begehrte Baubewilligung. Als Begründung wurde auf das Gutachten des Amtssachverständigen verwiesen. Das Projekt wirke auf die Bewohner störend.

In der dagegen erstatteten Berufung wurde insbesondere das eingeholte Amtssachverständigengutachten bekämpft; es sei von der psychischen Ausnahmesituation der (nicht Parteistellung genießenden) Bewohnerin eines gegenüberliegenden Hauses und nicht etwa von der Situation eines normalen Durchschnittsmenschen ausgegangen worden. Jeder Laie hätte erkannt, daß die Werbetafel nicht störend wirke, allenfalls hätte ein gerichtlich beeideter Sachverständiger beigezogen werden müssen.

Diese Berufung wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Landeshauptstadt mit Bescheid vom 23. April 1990 als unbegründet ab. In der Begründung wurde auf das eingeholte Gutachten sowie darauf verwiesen, daß A.Sch. zwar nicht Eigentümerin, aber dinglich Berechtigte des gegenüberliegenden Hauses sei, sodaß ihr Parteistellung zukomme und ihr Immissionsschutz zu gewähren sei.

Aufgrund der Vorstellung des Beschwerdeführers holte die belangte Behörde das Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen Dr. G. ein. Dort heißt es:

"Das gegenständliche Objekt stellt einen Teil eines Gesichtes in "roter Farbe" dar. Rot ist eine Reizfarbe und bewirkt daher beim Betrachter das Aufkommen eines aggressiven Gefühls.

Durch die gewählte Darstellung eines Gesichtes wird der Beobachter, ob er es will oder nicht, unmittelbar angezogen. Man kann sich der Darstellung auch nicht entziehen, wenn es einmal durch das periphere Gesichtsfeld wahrgenommen wird, auch wenn der Blick bewußt in eine andere Richtung geführt wird.

Diese durch Darstellung bewirkte Führung des Blickes, die bei jedem Blick aus dem Fenster des gegenüberliegenden Wohnhauses erfolgt, muß aus a.ä. Sicht als grob störend bezeichnet werden, wobei dieser Eindruck durch die rote Farbe des Gesichtes in der Richtung verstärkt wird, daß ein Aggressionsgefühl unwillkürlich beim unvoreingenommenen Betrachter aufkommt. Auf lange Sicht gesehen wird das psychische Wohlbefinden der Bewohner des gegenüberliegenden Hauses in einer Höhe gestört, daß aus a.ä. Sicht von einer Beeinträchtigung der Gesundheit gesprochen werden muß."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Auf die Frage der Parteistellung, die nicht nur dem Eigentümer, sondern auch dem Bewohner eines gegenüberliegenden Hauses zukomme, komme es gar nicht an, sondern nur darauf, ob die Werbeanlage geeignet sei, auf "abstrakte, normal empfindende Bewohner" gegenüberliegender Wohnungen störend zu wirken. Nach den eingeholten Gutachten sei sogar von einer Eignung, die Gesundheit von Menschen zu beeinträchtigten, die Rede; die Voraussetzungen der Versagung nach § 84 der Burgenländischen Bauordnung seien somit erfüllt. Zur Schlüssigkeit der Gutachten wurde ausgeführt, die Farbe der Tafel sei, wenn man den Kontrast zum rosa Portalrahmen berücksichtige, rot und nicht, wie der Beschwerdeführer meint, rosa. Es erscheine schlüssig, daß eine Werbung unter Betonung der Augen und Verwendung von auffälliger Farbe das psychische Wohlbefinden von Bewohnern des gegenüberliegenden Hauses beträchtlich störe. Die Störungswirkung werde durch die projektierte Beleuchtung noch verstärkt.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluß vom 7. Oktober 1991 ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Stadtgemeinde erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 84 der Burgenländischen Bauordnung, LGBl. Nr. 13/1970 (im folgenden: BO), dürfen Werbeanlagen auf die Bewohner nicht störend wirken. An die Beurteilung der Störungseignung ist ein objektiver Maßstab anzulegen.

Die belangte Behörde bejahte die Störungswirkung aufgrund der beiden im Verwaltungsverfahren eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten. Der Beschwerdeführer zeigt gewichtige Bedenken gegen die Schlüssigkeit dieser Gutachten auf:

Der Erstgutachter stellte ganz generell dar, daß das menschliche Auge von (auch abgebildeten) Augen angezogen werde, sodaß bei Betrachtung von einem gegenüberliegenden Fenster der Beobachter von den in der Werbefläche dargestellten Augen "gefangen" werde; die Darstellung komme einer Folter gleich. Aus dem Gutachten muß der allgemeine Schluß gezogen werden, daß die Darstellung eines Augenpaares beim Betrachter immer eine Störung, die einer Folter gleichkomme, bewirke. Eine derartige allgemeine Schlußfolgerung ist nicht nachvollziehbar, konnte doch auch der Gutachter keine wissenschaftlich fundierte Begründung für seine These anbieten.

Die Aussage des von der belangten Behörde eingeholten Gutachtens, rot mache aggressiv, hält in dieser Allgemeinheit einer Überprüfung nicht stand. Diese These ist auch schon vom Ansatz her verfehlt, weil nicht begründet wurde, daß auch dieses Rot (wohl an der Grenze zu Rosa) die behauptete Wirkung hervorrufe. Hingegen wird in diesem Gutachten nicht konkret auf die Wirkung des dargestellten Augenpaares, sondern nur auf die eines Gesichtes abgestellt. Vor allem fehlt jegliche Begründung für die Behauptung, daß ein in "roter Farbe" dargestelltes Gesicht beim Betrachter ein Aggressionsgefühl auslöse.

Jedenfalls sind beide "Gutachten" nicht geeignet, die Frage, ob von der vorliegenden Werbetafel objektiv eine Störungswirkung ausgehe, schlüssig und überzeugend zu beantworten. Der Beschwerdeführer verweist richtig darauf, daß es Zweck einer Werbeanlage sei, die Aufmerksamkeit der Betrachter zu erwecken. Die Schlußfolgerung der belangten Behörde, daß eine auffällige Darstellung das psychische Wohlbefinden von Bewohnern gegenüberliegender Häuser störe, ist in dieser Allgemeinheit unhaltbar, weil damit nahezu jede Werbung, die ihren Zweck erfüllen soll, der Einschränkung des § 84 BO, letzter Fall, unterläge. Die Annahme einer Störungswirkung auf Bewohner hätte einer ausreichend wissenschaftlich untermauerten Begründung bedurft, die im vorliegenden Fall nicht erbracht worden ist.

Auch die von der mitbeteiligten Landeshauptstadt anstelle einer Gegenschrift vorgelegte Gutachtensergänzung, die offenbar vom Erstgutachter stammt, bringt keine Klärung, weil dort zwar allgemein auf die Auswirkung von Streßfaktoren und im besonderen auf die Auswirkung auf eine bestimmte Bewohnerin eingegangen wird, aber keinesweges überzeugend dargetan wird, daß diese Tafel objektiv auf Bewohner eine störende Wirkung ausübe.

Die belangte Behörde hat durch die Heranziehung unzureichender Beweismittel Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Gemäß § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG findet nur ein Ersatz der zu entrichtenden Stempelgebühren statt.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991050211.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten