TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/14 93/05/0194

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Veröffentlicht am 14.12.1993
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Index

83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AWG 1990 §15 Abs3;
AWG 1990 §15 Abs8;
SAG §11 Abs1;
SAG §11 Abs2;
SAG §22 Abs1 lith;
SAG §22 Abs2 lite;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie vom 6. Juli 1993, Zl. 06 3526/55-V/6/93-Ba, betreffend Entziehung einer Erlaubnis zum Sammeln gefährlicher Abfälle, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Berufung des Beschwerdeführers gegen den I. Teil des Bescheides des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Februar 1993 keine Folge gegeben worden ist, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Februar 1993 wurde unter dem "I. Teil" die dem Beschwerdeführer mit Bescheiden vom 31. Juli 1986 und 27. Dezember 1986 (richtig wohl: 1988) erteilte "Erlaubnis zum Sammeln von gefährlichen Abfällen" entzogen. Unter dem "II. Teil" des Spruches dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erweiterung seiner Erlaubnis zum Sammeln von gefährlichen Abfällen vom 26. Juli 1990 abgewiesen.

Mit Bescheid der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie vom 6. Juli 1993 wurde die dagegen eingebrachte Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen.

Die Berufungsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer mit zwei gesonderten Straferkenntnissen vom 29. Juli 1988 wegen Verwaltungsübertretungen nach § 22 des Sonderabfallgesetzes bestraft worden sei und darüber hinaus über den Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 14. März 1989 Geldstrafen wegen zweier Übertretungen dieses Gesetzes verhängt worden seien. Im Hinblick auf diese drei einschlägigen Strafen sei auf Grund des § 15 Abs. 3 zweiter Satz des Abfallwirtschaftsgesetzes die mangelnde Verläßlichkeit des Beschwerdeführers anzunehmen, weshalb die erwähnte Erlaubnis gemäß § 15 Abs. 8 leg. cit. zu entziehen gewesen sei.

Über die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990, haben nachstehenden Wortlaut:

"§ 15. (1) Wer gefährliche Abfälle oder Altöle sammelt (abholt oder entgegennimmt) oder behandelt (verwertet, ablagert oder sonst behandelt), bedarf hiefür einer Erlaubnis des Landeshauptmannes. Die Erlaubnis ist zu erteilen, wenn die fachlichen Kenntnisse und Fähigkeiten sowie die Verläßlichkeit in bezug auf die auszuübende Tätigkeit nachgewiesen werden.

...

(3) Verläßlich im Sinne dieses Bundesgesetzes ist eine Person, deren Qualifikation und bisherige Tätigkeit die Annahme rechtfertigen, daß sie die beantragte Tätigkeit sorgfältig und sachgerecht ausüben und die gesetzlichen Verpflichtungen vollständig erfüllen wird. Keinesfalls als verläßlich gilt eine Person, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer mehr als einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, solange die Verurteilungen nicht getilgt sind, die mindestens dreimal wegen einer Übertretung von Bundes- oder Landesgesetzen zum Schutz der Umwelt, wie insbesondere dieses Bundesgesetzes, der Gewerbeordnung 1973 oder des Wasserrechtsgesetzes 1959 oder der durch dieses Bundesgesetz aufgehobenen Rechtsvorschriften (§ 42 Abs. 1) bestraft worden ist, oder die gemäß der Gewerbeordnung 1973 von der Ausübung der betreffenden Tätigkeit ausgeschlossen ist.

...

(8) Die Erlaubnis ist zu entziehen, wenn die Voraussetzungen gemäß Abs. 1, 3 oder 5 nicht mehr vorliegen.

...

§ 42. (1) Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes treten außer Kraft:

1. das Sonderabfallgesetz, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 256/1989, ..."

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 31. Juli 1986 wurde dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 11 des Sonderabfallgesetzes, BGBl. Nr. 186/1983, "die Erlaubnis" erteilt, "die Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers ... auszuüben", wobei dieses "Recht zur Sammlung von Sonderabfällen gemäß der ÖNORM S 2100 und S 2101" auf die in der Folge einzeln angeführten "Schlüsselnummern" beschränkt worden ist.

Mit einem weiteren Bescheid derselben Behörde, datiert mit 27. Dezember 1988, wurde dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die zitierte Gesetzesstelle neuerlich "die Erlaubnis zur Ausübung eines Sonderabfallsammlers" erteilt, wobei sieben, im Bescheid vom 31. Juli 1986 nicht erwähnte "Schlüsselnummern" der schon genannten ÖNORMEN angeführt worden sind, auf welche sich diese Erlaubnis erstreckt. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausdrücklich auf § 11 Abs. 2 des Sonderabfallgesetzes verwiesen, wonach die Erlaubnis zu erteilen ist, wenn u.a. die Verläßlichkeit in bezug auf die auszuübende Tätigkeit nachgewiesen wird, und dazu bemerkt, "das im Gegenstande durchgeführte Ermittlungsverfahren" habe ergeben, "daß alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis ... vorliegen".

Obgleich der Behörde nach der Aktenlage bekannt gewesen ist, daß der Beschwerdeführer mit zwei gesonderten Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft, jeweils vom 29. Juli 1988, wegen Übertretungen des § 22 Abs. 2 lit. e des Sonderabfallgesetzes bzw. des § 22 Abs. 1 lit. h leg. cit. bestraft worden ist, hat sie also entsprechend der Begründung ihres Bescheides vom 27. Dezember 1988 ausdrücklich die damalige Verläßlichkeit des Beschwerdeführers in bezug auf die von ihm auszuübende Tätigkeit eines Sonderabfallsammlers angenommen. Diesem Umstand kommt aber für die Frage der Rechtmäßigkeit der Entziehung der erteilten Berechtigungen deshalb entscheidende Bedeutung zu, weil die belangte Behörde angesichts des Umstandes, daß der Beschwerdeführer zur Zeit der Erlassung des die Erlaubnis erteilenden Bescheides vom 27. Dezember 1988 nach der ausdrücklichen Erklärung der bescheiderlassenden Behörde als verläßlich angesehen worden ist, im Zusammenhang mit der Entziehung dieser Erlaubnis wegen mangelnder Verläßlichkeit nur jenes Verhalten des Beschwerdeführers in ihre Überlegungen einbeziehen durfte, welches er NACH Erlassung des erwähnten Bescheides gesetzt hat. Gleichartige Erwägungen hat der Gerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 8. Mai 1981, Slg. Nr. 10.443/A, angestellt, in welchem im Zusammenhang mit einem vergleichbaren Sachverhalt (Aufhebung einer gemäß § 65 Abs. 2 KFG 1967 ausgesprochenen, gemäß § 71 Abs. 1 leg. cit. im Führerschein eingetragenen zeitlichen Beschränkung der Lenkerberechtigung) ausgesprochen worden ist (vgl. das zitierte Erkenntnis Slg. Nr. 10.443/A), daß die Behörde durch Aufhebung der Befristung zum Ausdruck gebracht hat, daß der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt als verkehrszuverlässig anzusehen ist, weshalb die Behörde nur dann mit einer Entziehung der Lenkerberechtigung hätte vorgehen dürfen, wenn "bestimmte Tatsachen" im Sinne des § 66 Abs. 1 KFG 1967 NACH der Aufhebung der ursprünglich ausgesprochenen Befristung eingetreten wären.

Die belangte Behörde hätte daher die mit den beiden Straferkenntnissen vom 29. Juli 1988, also vor Erlassung des Bescheides vom 27. Dezember 1988, ausgesprochenen Verurteilungen des Beschwerdeführers bei der Beantwortung der Frage, ob er im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 15 Abs. 3 zweiter Satz des Abfallwirtschaftsgesetzes verläßlich ist, nicht miteinbeziehen dürfen, weshalb in diesem Zusammenhang nur die mit der erwähnten Strafverfügung vom 14. März 1989 ausgesprochene Bestrafung des Beschwerdeführers zu berücksichtigen war. Bei dieser Sach- und Rechtslage mußte auf die Frage der Übereinstimmung des § 15 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebot nicht eingegangen werden (vgl. dazu etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1989,

Zlen. G 237-240/89-7).

Da die belangte Behörde sohin auf Grund eines Rechtsirrtums davon ausgegangen ist, daß "durch das Vorliegen der drei

einschlägigen Strafen ... die mangelnde Verläßlichkeit" des Beschwerdeführers "... feststeht", war der angefochtene

Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne auf die Frage eingehen zu müssen, ob anläßlich einer am 20. August 1992 erfolgten Überprüfung des Betriebes des Beschwerdeführers gemäß § 33 des Abfallwirtschaftsgesetzes für die Beurteilung der Verläßlichkeit des Beschwerdeführers bedeutsame Verstöße gegen dieses Gesetz festgestellt worden sind, weil die belangte Behörde die Entziehung der Erlaubnis des Beschwerdeführers ausschließlich auf die erwähnten beiden Straferkenntnisse und die eine Strafverfügung gestützt und daher nicht geprüft hat, ob und inwieweit das sonstige Verhalten des Beschwerdeführers die Annahme seiner mangelnden Verläßlichkeit rechtfertigen könnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993050194.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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