Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art144 Abs3Leitsatz
Verletzung im Recht auf persönliche Freiheit durch Festnahme und Anhaltung ohne Rechtsgrundlage; keine vertretbare Annahme des Vorliegens eines Verwaltungsdeliktes wegen Übertretung einer Sperrgebietsverordnung (auf der Viehtaler Alm); keine Verletzung im Recht auf Unterlassung unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung durch Anwendung von Körperkraft im Zuge der VerhaftungSpruch
I. Die Beschwerdeführer sind durch die am 22. August 1990 um ca. 09.45 Uhr auf der Viehtaler Alm, KG Kleinreifling, Gemeinde Weyer-Land, erfolgte Verhaftung durch Gendarmeriebeamte als Organe der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land und die daran anschließende Anhaltung bis 13.18 Uhr (Erstbeschwerdeführer) bzw. bis 12.58 Uhr (Zweitbeschwerdeführerin) desselben Tages in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Schutz der persönlichen Freiheit verletzt worden.
II. 1. Hingegen sind die Beschwerdeführer durch die im Zuge der Verhaftung erfolgte Anwendung von Körperkraft durch die Gendarmeriebamten nicht in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden, nicht einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterzogen zu werden.
2. Insoweit wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
3. Im genannten Umfang wird die Beschwerde antragsgemäß an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsanwaltes die Verfahrenskosten in Höhe von S 5.500,-- binnen vierzehn Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beiden Beschwerdeführer begehren mit ihrer auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde die kostenpflichtige Feststellung, sie seien durch die am 22. August 1990, um ca. 09.45 Uhr auf der Viehtaler Alm, KG Kleinreifling, Gemeinde Weyer-Land, erfolgte Verhaftung durch Gendarmeriebeamte, durch die dabei unternommene Anwendung von Körperkraft und die daran anschließende Anhaltung bis 13.18 Uhr (Erstbeschwerdeführer) bzw. bis 12.58 Uhr (Zweitbeschwerdeführerin) desselben Tages in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Freiheit der Person, auf den gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie darauf, keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen zu werden, verletzt worden.
Sie stellen abschließend den Antrag, der Verfassungsgerichtshof wolle erkennen:
"Die Beschwerdeführer sind durch ihre Festnahme am 22. August 1990 durch Organe der Bundesgendarmerie im Gemeindegebiet Kleinreifling und ihre nachfolgende Überstellung zur bzw Anhaltung in der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land und die Vorgangsweise der Exekutive (Verweigerung der Verständigung des nahen Angehörigen, gesetzlichen Vertreters und Rechtsbeistands, die 'Abführung' durch Anwendung schmerzhafter Gewalt und die Weigerung der Sicherheitswachebeamten, ihre Dienstnummern bekanntzugeben) in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf persönliche Freiheit und Sicherheit (Art8 StGG und 5 MRK), auf nicht erniedrigende Behandlung (Art3 MRK), auf den gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) sowie auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art7 B-VG und 2 StGG) verletzt worden."
2. Die Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift; ein Antrag wurde nicht gestellt.
3. Der Gegenschrift folgte eine Äußerung der Beschwerdeführer vom 15. April 1991, für die Kosten verzeichnet wurden.
II. Der Verfassungsgerichtshof geht aufgrund des in allen wesentlichen Punkten übereinstimmenden Parteienvorbringens und des damit konformen Inhaltes der vorgelegten Verwaltungsakten von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:
Gegen Versuchsbohrungen der Österreichischen Mineralölverwaltung (im folgenden: ÖMV) im Gebiet der Viehtaler Alm, Gemeinde Weyer-Land, bildete sich eine "Bürgerinitiative" zur Erhaltung der genannten Alm. Angehörige dieser Bürgerinitiative besetzten am 28. Juni und am 3. Juli 1990 die Zufahrt zum Bauplatz und errichteten Barrikaden aus Baumstämmen mit dem Ziele, die Bohrarbeiten zu be- bzw. verhindern.
Nach jeweils langwierigen Bemühungen, insbesondere auch aufgrund von Verhandlungen zwischen den Demonstranten und der ÖMV, wurden diese Barrikaden jeweils (am 29. Juni bzw. nach dem 13. August 1990) entfernt.
Als kurz darauf die Zufahrt zur Baustelle abermals besetzt und blockiert wurde und eine freiwillige Zurücknahme dieser Schritte nicht zu erwarten war, setzte die belangte Behörde für den 22. August 1990 die zwangsweise Räumung von Blockade und Besetzung an. Da bis dahin die Zahl der Demonstranten jeweils sehr unterschiedlich gewesen war, jedoch bis zu 50 Personen betragen hatte, kam bei dieser Räumung eine größere Anzahl von Gendarmeriebeamten - nämlich drei Züge der Einsatzeinheit des Landesgendarmeriekommandos für Oberösterreich - zum Einsatz.
Die Räumung des Gebietes, welche am 22. August 1990 um ca. 07.10 Uhr begann, ging ordnungsgemäß und ohne größere Schwierigkeiten vonstatten, zumal angesichts des schlechten Wetters nur vier Demonstranten anwesend waren.
Da die belangte Behörde neuerliche Blockaden und Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Bauarbeitern befürchtete, erließ sie eine auf ArtII §4 Abs2 ÜG 1929, BGBl. 393, iVm. §15 des Behörden-ÜG, StGBl. 94/1945, gestützte Verordnung über das Verbot des Betretens und des Aufenthaltes auf der Baustelle des ÖMV-Bohrprojektes Unterlaussa 1 und deren Zufahrt, Zl. Sich 01/17/1990 (im folgenden: Sperrgebietsverordnung), mit folgendem Inhalt:
"V e r o r d n u n g
der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land über das Verbot des Betretens und des Aufenthaltes auf der Baustelle des ÖMV-Bohrprojektes Unterlaussa 1 und deren Zufahrt.
Gemäß Artikel II §4 Abs2 des Bundesverfassungsgesetzes vom 17.12.1929, BGBl. Nr. 393, betreffend Übergangsbestimmungen zur Zweiten Bundes-Verfassungsnovelle, in Zusammenhang mit §15 des Behördenüberleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 94/1945, wird zum Schutz der gefährdeten körperlichen Sicherheit von Menschen oder des Eigentums verordnet:
§1
Das Betreten und der Aufenthalt auf der Baustelle des ÖMV-Bohrprojektes Unterlaussa 1 (Teilflächen der Parz.Nr. 679/1 und 679/2, KG. Kleinreifling, im Gesamtausmaß von ca. 2,4 ha) und auf der Baustellenzufahrt, beginnend bei der Abzweigung vom Güterweg Bodenwies über die Forststraßenabschnitte Forsttal, Jageralm, Seekogel und Übergang sowie über das anschließende, bis zum Bohrplatz führende Straßenstück Parz.Nr. 679/1, KG. Kleinreifling, ist verboten. Ausgenommen von diesem Verbot sind die Bediensteten der ÖMV und der mit der Bauführung betrauten Unternehmen sowie die Grundeigentümer und deren Beauftragte.
§2
Wer dem Verbot gemäß §1 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird gemäß Artikel VII EGVG. 1950, BGBl. Nr. 172, von der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land mit einer Geldstrafe bis zu S 3.000,-- oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen bestraft.
§3
Diese Verordnung tritt am 22. August 1990 um 8.00 Uhr in Kraft.
Der Bezirkshauptmann:
(Unterschrift)".
Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel der belangten Behörde, an der Amtstafel der Gemeinde Weyer-Land, an mehreren Stellen der Zufahrt zur und auf der Baustelle selbst - dies alles jeweils noch vor 08.00 Uhr früh des 22. August 1990 - kundgemacht.
In der Folge stiegen die beiden Beschwerdeführer mit einer dritten Person zur Viehtaler Alm auf, um, wie sie darlegen, die dort befindlichen Habseligkeiten der Demonstranten in Sicherheit zu bringen.
Unmittelbar neben der Zufahrt zur Baustelle, aber, wie auch die belangte Behörde einräumt, eindeutig außerhalb des mit der Sperrgebietsverordnung bestimmten Sperrgebietes, befand sich eine Behausung, welche seitens der Beschwerdeführer als Hütte, seitens der belangten Behörde als Zelt bezeichnet wird. Dort entwickelte sich eine Diskussion zwischen Gendarmeriebeamten und den Beschwerdeführern, wobei erstere der - unzutreffenden - Auffassung waren, dieser Bereich liege innerhalb der erwähnten Sperrzone, währenddem die Beschwerdeführer die gegenteilige Auffassung vertraten und den angedrohten Abbruch der Behausung als unzulässig und überflüssig erachteten.
Die Beschwerdeführer wurden sodann von Gendarmeriebeamten mehrfach aufgefordert, das Gelände zu verlassen, da sie sich rechtswidrigerweise innerhalb des Sperrgebietes aufhielten, und es wurde ihnen für den Fall der Nichtbefolgung dieses Auftrages die Festnahme angedroht.
Die Beschwerdeführer begaben sich daraufhin auf das Dach der Behausung und wurden schließlich von den Gendarmeriebeamten gemäß §35 litc VStG 1950 iVm. der zitierten Sperrgebietsverordnung unter Anwendung von Körperkraft von dort heruntergeholt - die Begleitperson wurde wegen ihres aktiven Widerstandes gefesselt, doch ist deren Verhaftung nicht Gegenstand dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens - und festgenommen, zu den Dienstfahrzeugen der Gendarmerie eskortiert und zum Gendarmerieposten Steyr gebracht. Nach Verfassung der Anzeige wurden sie an die belangte Behörde überstellt. Dort erfolgte ihre niederschriftliche Einvernahme als Beschuldigte, worauf die Beschwerdeführer unverzüglich, und zwar die Zweitbeschwerdeführerin um 12.58 Uhr und der Erstbeschwerdeführer um 13.18 Uhr des 22. August 1990 auf freien Fuß gesetzt wurden.
III. Der Verfassungsgerichtshof hat in rechtlicher Hinsicht über die Beschwerde erwogen:
1. Die vorliegende Beschwerde wendet sich gegen die Verhaftung und Anhaltung sowie gegen die Anwendung von Körperkraft durch die Gendarmeriebeamten, somit gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des Art144 Abs1 B-VG. Da hier der Sache nach ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
Zu erwähnen ist noch, daß die vorliegende, am 3. Oktober 1990 beim Verfassungsgerichtshof eingelangte Beschwerde am 1. Jänner 1991 beim Verfassungsgerichtshof anhängig war, sodaß die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ohne vorherige Befassung des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist (vgl. ArtIX Abs2 der B-VG-Novelle 1988, BGBl. 685). Ferner ist gemäß Art8 Abs4 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, dieses verfassungsgerichtliche Verfahren nach der bisherigen Rechtslage zu Ende zu führen.
2.1. Art8 StGG gewährt - ebenso wie Art5 MRK (vgl. VfSlg. 7608/1975, 8815/1980, 10.662/1985) - Schutz gegen gesetzwidrige "Verhaftung" (s. VfSlg. 3315/1958 ua.):
Das Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862, welches gemäß Art8 StGG über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger, RGBl. 142/1867, zum Bestandteil dieses Gesetzes erklärt ist und gemäß Art149 Abs1 B-VG als Verfassungsgesetz im Sinne des Art44 Abs1 B-VG gilt, bestimmt in seinem §4, daß die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen dürfen.
§35 VStG 1950 ist ein solches Gesetz (zB VfSlg. 7252/1974, 10.662/1985 uva.), doch setzt die Festnehmung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes in allen in dieser Gesetzesvorschrift angeführten Fällen, insbesondere auch in dem hier maßgeblichen Fall der litc) voraus, daß die festzunehmende Person "auf frischer Tat betreten" wird: Sie muß sich also eine als Verwaltungsübertretung strafbare Handlung zuschulden kommen lassen und bei Begehung dieser Tat angetroffen werden, wobei die erste dieser Voraussetzungen dann erfüllt ist, wenn das Organ die Verübung einer Verwaltungsübertretung mit gutem Grund annehmen konnte (s. VfSlg. 4143/1962, 7309/1974, 10.662/1985 uva.).
Gemäß §35 litc VStG 1950 ist eine Festnehmung unter den schon umschriebenen Bedingungen zum Zweck der Vorführung vor die Behörde aber nur dann statthaft, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.
2.2. An der oben beschriebenen Voraussetzung, daß ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Verübung einer Verwaltungsübertretung mit gutem Grund annehmen konnte, fehlt es im vorliegenden Fall; das Vorliegen einer solchen strafbaren Handlung wurde in unvertretbarer und damit verfassungswidriger Weise angenommen:
Unabhängig nämlich von der in diesem verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht zu beurteilenden Frage, ob die Beschwerdeführer etwa dadurch, daß sie, bevor sie sich zu der in der Sachverhaltsdarstellung erwähnten Behausung begaben, durch allfälliges Überqueren der von der Sperrgebietsverordnung erfaßten Zufahrtsstraße zur Baustelle der ÖMV einer Verwaltungsübertretung schuldig gemacht haben oder nicht - das diesbezügliche Verwaltungsverfahren ist laut den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten noch nicht abgeschlossen -, haben die Beschwerdeführer jedenfalls durch ihren Aufenthalt vor der bzw. auf dem Dach der mehrfach erwähnten Behausung das ihnen vorgeworfene strafbare Verhalten nicht gesetzt. Wie nämlich auch die belangte Behörde zugesteht, haben sich die Beschwerdeführer bei ihrer Beanstandung außerhalb des Sperrgebietes befunden und folglich die ihnen vorgeworfene Verwaltungsübertretung nicht begangen.
Die Verhaftung der Beschwerdeführer und die daran anschließende Anhaltung gingen demnach nicht gesetzmäßig vonstatten. Die Voraussetzungen des §4 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit, wonach die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt eine Person nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen in Verwahrung nehmen dürfen, treffen hier also nicht zu. Die Beschwerdeführer wurden somit - Art8 StGG schützt ebenso wie Art5 MRK vor rechtswidriger Verhaftung - in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt.
Mit diesem Ausspruch ist auch das übrige Beschwerdebegehren hinsichtlich bestimmter Modalitäten der Verhaftung, soweit dieses nicht unter dem Gesichtspunkt des Art3 MRK zu sehen ist (s. dazu im folgenden unter 3.), erledigt (vgl. VfSlg. 8076/1977, 10.229/1984, 10.376/1985).
3.1. Die Beschwerde wendet sich aber auch gegen die Anwendung von Körperkraft durch die Gendarmeriebeamten und führt dazu - im Anschluß an die Darstellung, daß sich die Beschwerdeführer auf das Dach der Behausung begeben haben - aus:
"Wir leisteten keinen Widerstand und verhielten uns passiv. Die Exekutivbeamten trugen uns aber nicht etwa, wie dies bei solchen Anlässen üblich und geboten ist, sondern wendeten insoweit Gewalt an, als sie uns die Arme am Rücken (in äußerst schmerzhafter Weise) verdrehten, sodaß wir gehen 'mußten'."
Durch diese "'Abführung' durch Anwendung schmerzhafter Gewalt" fühlen sich die Beschwerdeführer in ihrem durch Art3 MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt.
3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes verletzt eine - wenngleich in Ansehung der Freiheitsverletzung rechtswidrige - Festnahme und Anhaltung, mag sie auch unter Einsatz von Körperkraft erfolgen, nicht schon allein die Verfassungsbestimmung des Art3 MRK; vielmehr verstoßen derartige physische Zwangsakte gegen das in der genannten Verfassungsbestimmung statuierte Verbot "erniedrigender und unmenschlicher Behandlung" nur dann, wenn qualifzierend hinzutritt, daß ihnen eine die Menschenwürde beeinträchtigende, gröbliche Mißachtung des Betroffenen als Person zu eigen ist (vgl. VfSlg. 9983/1984 und die dort zitierte Vorjudikatur, ferner VfSlg. 10.378/1985, 10.837/1986 uva.).
3.3. Im vorliegenden Fall fehlte es an diesen Voraussetzungen.
Die unter 3.2. dargestellten Voraussetzungen einer Verletzung des Art3 MRK sind auch unter voller Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht erfüllt. Die Anwendung von Körperkraft allein stellt kein durch Art3 MRK verpöntes Verhalten dar. Sollte aber die Beschwerde mit der Formulierung "Die Exekutivbeamten trugen uns aber nicht etwa, wie dies bei solchen Anlässen üblich und geboten ist,...", annehmen, es bestünde sozusagen ein Anspruch von Demonstranten - diesen Zusammenhang stellt die Beschwerde (im Gegensatz zum übrigen Vorbringen) selbst her - darauf, von Exekutivorganen vom Ort des - hier nur vermeintlich - strafbaren Verhaltens weggetragen zu werden, so trifft dies offenkundig nicht zu. Insgesamt ist im Verfahren nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer über die Festnahme und Anhaltung hinaus einer Behandlung unterzogen worden wären, die zu einer Verletzung ihrer Rechte gemäß Art3 MRK geführt hätte.
Insoweit war deshalb die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Die festgestellte Anwendung von Körperkraft ist jedoch möglicher Gegenstand einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof (s. VfSlg. 9385/1982, 9983/1984, 11.146/1986). Soweit sich die Beschwerde dagegen richtet, war sie antragsgemäß nach Art144 Abs3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt in einem sonstigen Recht verletzt wurden.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Da die Beschwerdeführer mit ihrem Begehren überwiegend durchgedrungen sind, war ihnen unter Einbeziehung des Streitgenossenzuschlages ein Betrag von S 5.500,-- zuzusprechen (vgl. sinngemäß VfSlg. 10.897/1986, 11.171/1986). In den zugesprochenen Kosten sind
S 916,67 an Umsatzsteuer enthalten.
Die von den Beschwerdeführern für die Erstattung der Replik begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, weil es sich um keinen abverlangten Schriftsatz handelt und die Erstattung der Gegenäußerung, die bloß Bekräftigungen und nicht entscheidungswesentliche Ergänzungen des in der Beschwerde wiedergegebenen Sachverhaltes enthält, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht geboten war (vgl. VfSlg. 11.491/1987).
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz und §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, Festnehmung, Mißhandlung, VfGH / AbtretungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1149.1990Dokumentnummer
JFT_10089383_90B01149_00