TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/15 93/18/0486

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.1993
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §67c Abs3;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §48 Abs3;
FrG 1993 §52 Abs2 Z2;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. Juli 1993, Zl. UVS-01/26/00102/93, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Gegen den Beschwerdeführer, einen senegalesischen Staatsangehörigen, wurde mit rechtskräftigem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt vom 6. Juni 1991 ein bis zum 31. Dezember 1993 befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Am 28. Juni 1993 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und gegen ihn zur Sicherung der Abschiebung von der Bundespolizeidirektion Wien ein Schubhaftbescheid erlassen. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die vom Beschwerdeführer gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde gemäß § 52 Abs. 1, 2 und 4 FrG in Verbindung mit § 67c Abs. 3 AVG als unbegründet ab und erklärte den Schubhaftbescheid, die Anhaltung in Schubhaft und die Fortsetzung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtmäßig. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß sich der Beschwerdeführer in der Vergangenheit mit Erfolg fremdenpolizeilichen Maßnahmen entzogen habe. Gerade sein Vorbringen, er sei bereits gut integriert und beabsichtige, eine Ehe einzugehen, lasse den Schluß zu, daß er dies auch weiterhin versuchen werde. Für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft sei aus der Behauptung des Beschwerdeführers, daß er in seinem Heimatland im Sinne des § 37 FrG verfolgt werde, für ihn im Hinblick auf das für die Entscheidung einer solchen Frage vorgesehene Feststellungsverfahren nach § 54 FrG aus keinem Blickwinkel etwas zu gewinnen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 41 Abs. 1 FrG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern dies notwendig ist, um das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder um die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist die Annahme der belangten Behörde, daß er sich fremdenpolizeilichen Maßnahmen (zur Durchsetzung des Aufenthaltsverbotes) zu entziehen versuchen werde, keineswegs unschlüssig. Wenn der Beschwerdeführer meint, daß sein von der belangten Behörde wiedergegebenes Vorbringen in Wahrheit nur den Schluß zulasse, daß er nach der Entlassung aus der Schubhaft für die Fremdenpolizei jederzeit in der gemeinsamen ehelichen Wohnung angetroffen hätte werden können, kann ihm nicht gefolgt werden. Aus diesem Vorbringen geht vielmehr klar hervor, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, seinen mit dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot im Widerspruch stehenden Aufenthalt im Bundesgebiet zu beenden. Wenn die belangte Behörde bei dieser Sachlage die Notwendigkeit der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung bejaht hat, so begegnet dies keinen Bedenken, zumal es für den genannten Sicherungszweck nach § 48 Abs. 3 FrG genügt, daß die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig erscheint.

Auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe - vor dem Hintergrund der in § 48 Abs. 1 und 2 FrG angeführten Gebote - Feststellungen darüber unterlassen, ob mit der nach § 48 Abs. 1 FrG gebotenen Raschheit durch die Fremdenpolizei Schritte gesetzt worden seien, die für die erfolgreiche Abschiebung des Beschwerdeführers notwendig gewesen wären, ob diese Abschiebung faktisch überhaupt möglich gewesen sei sowie, ob vor dem Hintergrund des durchsetzbaren Aufenthaltsverbotes eine Abschiebung nicht auch dann möglich gewesen wäre, wenn der Beschwerdeführer mittlerweile aus der Schubhaft in die "gemeinsame eheliche Wohnung" entlassen worden wäre, ist unberechtigt. Hinsichtlich des letzteren Punktes genügt es, auf die obigen Ausführungen zu verweisen; hinsichtlich der ersteren Punkte mangelt es an konkreten für entsprechende Feststellungen erforderlichen Substraten.

Im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, wenn er die Rechtsansicht der belangten Behörde bekämpft, daß der Behauptung, er werde in seinem Heimatland im Sinne des § 37 FrG verfolgt, keinesfalls Relevanz für die Rechtmäßigkeit der Schubhaft zukäme. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 4. Oktober 1993, B 364/93, ausgesprochen, daß der unabhängige Verwaltungssenat bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft in jenen gemäß dem Fremdengesetz zu entscheidenden Fällen, in denen die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 54 Abs. 1 FrG nicht bestanden habe, dann, wenn die Fremdenpolizeibehörde bereits das Zielland festgelegt habe, gehalten sei, sich mit dem Einwand des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen, daß eine Abschiebung in dieses Land nicht zulässig sei. Dem schließt sich der Verwaltungsgerichtshof aus den im genannten Erkenntnis dargelegten Gründen an. Auf dem Boden dieser Rechtslage hätte die belangte Behörde - da im Beschwerdefall bereits das Heimatland des Beschwerdeführers als Zielland für die Abschiebung festgelegt war - die Zulässigkeit der Abschiebung in dieses Land unter dem Aspekt des § 37 FrG prüfen müssen, wobei allerdings im Hinblick auf die Kürze der Entscheidungsfrist nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FrG weitwendige Ermittlungen nicht in Betracht gekommen wären.

Da die belangte Behörde diese Prüfung in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat, war ihr Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180486.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten