Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §67c Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 2. Juli 1992, Zl. UVS-01/22/93/92, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde nach § 5a Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.600,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1.1. Gegen den Beschwerdeführer, einen rumänischen Staatsangehörigen, war mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd (BH) vom 9. April 1992 gemäß § 5 Abs. 1 des Fremdenpolizeigestzes (FrPolG) zur Vorbereitung der Erlassung einer Ausweisung die vorläufige Verwahrung (Schubhaft) angeordnet worden. Dieser Bescheid war noch am selben Tag durch Überstellung des Beschwerdeführers in das Polizeigefangenenhaus Wien vollzogen worden.
1.2. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 3. Juni 1992 war auf Antrag der BH gemäß § 5 Abs. 2 leg. cit. die Ausdehnung der gegen den Beschwerdeführer angeordneten Schubhaft bis zur Höchstdauer von insgesamt drei Monaten, das ist bis einschließlich
9. Juli 1992, bewilligt worden.
2.1. Mit Eingabe vom 24. Juni 1992 hatte der Beschwerdeführer gemäß § 5a leg. cit. Beschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien erhoben.
2.2. Mit Bescheid dieser (der belangten) Behörde vom 2. Juli 1992 wurde die Beschwerde gemäß § 5a FrPolG iVm § 67c Abs. 1 und 3 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß zufolge des § 67c Abs. 1 AVG eine auf § 5a FrPolG gestützte Beschwerde innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt einzubringen sei, in dem der Beschwerdeführer (Schubhäftling) von seiner Anhaltung in Schubhaft Kenntnis erlangt habe. Im vorliegenden Fall habe die Frist zur Einbringung der Beschwerde mit 9. April 1992 zu laufen begonnen, weil der Beschwerdeführer sowohl durch die Übernahme des Schubhaftbescheides als auch durch Inschubhaftnahme an diesem Tag vom Vollzug der über ihn verhängten Schubhaft Kenntnis i.S. des § 67c Abs. 1 AVG erlangt habe. Die Einbringungsfrist sei somit am 21. Mai 1992 abgelaufen. Die erst am 25. Juni 1992 zur Post gegebene Beschwerde sei demnach als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen.
3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde ab (Beschluß vom 14. Juni 1993, B 980/92-3) und trat sie in der Folge antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof ab (Beschluß vom 20. September 1993, B 980/92-5).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem "Recht auf inhaltliche Entscheidung über seine Beschwerde" verletzt. Er begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde vertritt die Auffassung, daß ein Recht auf Haftprüfung, das während aufrechter Anhaltung nur innerhalb bestimmter Fallfristen ausgeübt werden könne, weder dem Art. 5 Abs. 4 MRK noch dem Art. 6 PersFrG entspreche.
Verfassungskonform könne § 5a FrPolG bzw. sein Verweis auf § 67c Abs. 1 AVG und die darin enthaltene Sechs-Wochen-Frist nur so verstanden werden, daß die Beschwerdemöglichkeit nach § 5a leg. cit. während aufrechter Anhaltung jederzeit wahrgenommen werden könne.
2. Dieses Vorbringen führt die vorliegende Beschwerde zum Erfolg. Es wird dazu auf das Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0018, verwiesen, in dem der Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1992, B 1200, 1201/91, aussprach, daß eine Beschwerde nach § 5a Abs. 1 FrPolG in einem Fall, in dem zum Zeitpunkt ihrer Einbringung die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft noch nicht geendet hatte, nicht verspätet sein kann (jedenfalls soweit es um die letzten sechs Wochen der Anhaltung geht). Da nach Lage der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft im Zeitpunkt der Erhebung der Haftbeschwerde an die belangte Behörde noch andauerte, bewirkte deren Zurückweisung als verspätet die Verletzung des vom Beschwerdeführer bezeichneten Rechtes (oben I.3.).
3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von S 480,-- zu entrichten waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993180470.X00Im RIS seit
20.11.2000