TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/15 93/03/0257

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Veröffentlicht am 15.12.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 lita;
MRK Art6 Abs3 litc;
VwGG §46 Abs1 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde des G in V, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. September 1993, Zl. 11/148-3/1993, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und Zurückweisung einer Beschwerde, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Vorbringen in der Beschwerde im Zusammenhang mit dem Inhalt des angefochtenen Bescheides ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer fuhr am 25. April 1993 mit seinem Pkw auf der Inntalautobahn A 12 in Fahrtrichtung Kufstein und wurde während dieser Fahrt von Sicherheitswachebeamten angehalten, weil er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten habe. Nachdem die Beamten die Fahrzeugdaten und die Personalien des Beschwerdeführers aufgenommen hatten, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, einen Geldbetrag als Sicherheit zu leisten. Nach der Behauptung in der Beschwerde geschah dies unter Androhung der sonstigen Festnahme. Jedenfalls erlegte der Beschwerdeführer in der Folge 300,-- DM in bar.

Am 7. Mai 1993 erhielt der Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Kufstein eine Aufforderung, sich in dieser Angelegenheit zu rechtfertigen. Daraufhin beauftragte der Beschwerdeführer einen österreichischen Rechtsanwalt, der am 24. Mai 1993 die Bezirkshauptmannschaft Kufstein um Aktenabschrift und Aktenübersendung in dieser Angelegenheit bat. Die Akteneinsicht erfolgte am 21. Juni 1993.

Mit am 1. Juli 1993 zur Post gegebenem, an den unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol gerichteten Schriftsatz begehrte der Beschwerdeführer zunächst die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist und erhob gleichzeitig Beschwerde nach § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG mit der Begründung, durch den geschilderten Vorfall am 25. April 1993 sei er in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit und Eigentum verletzt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. September 1993 wies der unabhängige Verwaltungssenat in Tirol den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 und § 71 Abs. 4 AVG ab (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde die Beschwerde nach § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG gemäß § 67 c Abs. 1 und Abs. 3 leg. cit. zurückgewiesen (Spruchteil II.).

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende

Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt in seiner Beschwerde vor, er sei italienischer Staatsbürger und der deutschen Sprache nicht mächtig. Aus diesem Grund sei es ihm unmöglich gewesen, selbst der Aufforderung zur Rechtfertigung durch die Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 7. Mai 1993 Folge zu leisten, da er den Inhalt des Schreibens auf Grund seiner Sprachunkenntnis nicht habe verstehen können. Dieser Umstand stelle ein Ereignis dar, welches unverschuldet, unvorhersehbar und unabwendbar sei. Unverschuldet und unvorhersehbar deshalb, da von niemandem, der eine Reise ins benachbarte Ausland unternimmt, verlangt werden könne, der dort gesprochenen Sprachen, im konkreten Fall der deutschen Sprache, mächtig zu sein. Außerdem habe der Beschwerdeführer unverzüglich alle nötigen Maßnahmen veranlaßt, um zu eruieren, was gegen ihn vorliege, um dementsprechend auf die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen reagieren zu können. Das habe naturgemäß einige Zeit in Anspruch genommen. Das zur Versäumung der Prozeßhandlung (hier: Versäumung der Frist für eine Maßnahmenbeschwerde) führende kausale Ereignis sei die mangelnde Beherrschung der deutschen Sprache und die Unkenntnis des österreichischen Rechts. Daraus habe die Notwendigkeit für den Beschwerdeführer resultiert, einen ansässigen Rechtsanwalt mit der Sache zu betrauen. Er habe somit alle erdenklichen Mühen und Maßnahmen getroffen, um "das kausale Ereignis bzw. dessen Folgen abzuwenden". Die Frist zur Einbringung einer Maßnahmenbeschwerde habe trotzdem nicht eingehalten werden können, was jedoch nicht auf ein Verschulden des Beschwerdeführers oder seines Rechtsvertreters zurückzuführen sei, sondern auf die schleppende Bearbeitung des Aktes bzw. des vom Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gestellten Antrages auf Gewährung von Akteneinsicht.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag im vorliegenden Fall nicht zu erkennen, warum die Unkenntnis der deutschen Sprache den Beschwerdeführer daran hinderte, gegen die von ihm inkriminierte Amtshandlung vom 25. April 1993 fristgerecht Beschwerde nach § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG zu erheben. Denn es wird von ihm nicht bestritten, daß er Inhalt und Sinn dieser Amtshandlung verstand, sodaß er zweifellos in der Lage war, wenn er diese Amtshandlung als rechtswidrig empfand, geeignete Schritte zur Verfolgung seiner Rechte einzuleiten. Hiezu bedurfte es keinesfalls der Aufforderung durch die Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 7. Mai 1993, weshalb es unbeachtlich ist, daß der Beschwerdeführer möglicherweise deren Inhalt zunächst nicht verstand. Daß aber der Beschwerdeführer über die in Österreich geltende Rechtslage nicht ausreichend informiert war und aus diesem Grund es unterließ, Maßnahmen zur Verfolgung seiner Rechte zeitgerecht in die Wege zu leiten, bildet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1986, Zl. 86/04/0062).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, es seien die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG nicht erfüllt, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu erblicken. Davon ausgehend erweist sich auch die Zurückweisung der Beschwerde nach § 67 a Abs. 1 Z. 2 AVG als verspätet als frei von Rechtsirrtum.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993030257.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

03.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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