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19/05 Menschenrechte;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Bernegger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des V in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. August 1993, Zl. 4.296.241/8-III/13/93, betreffend Verlust des Rechts auf Asyl, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein bulgarischer Staatsangehöriger, ist am 7. Mai 1990 in das Bundesgebiet eingereist. Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 17. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt. Nach Erlassung dieses Bescheides traf bei der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol ein Schreiben von Interpol Sofia vom 14. Juni 1990 ein, aus welchem hervorging, daß gegen den Beschwerdeführer in Bulgarien bei dem Gericht in Pernik ein Strafverfahren wegen des Verdachtes von Einbruchsdiebstählen mit Komplizen anhängig und der Beschwerdeführer in Bulgarien bereits achtmal wegen verschiedenster strafrechtlicher Delikte verurteilt worden sei. Niederschriftlich dazu vernommen gab der Beschwerdeführer an, daß er mit den ihm nun vorgehaltenen strafrechtlichen Handlungen nichts zu tun habe und diesbezüglich auch nie von einem Gericht verurteilt worden sei. Er sei ausschließlich wegen politischer Delikte verurteilt worden.
Mit Note vom 11. April 1991 ersuchte das bulgarische Außenministerium unter Vorlage von Urkunden um die Auslieferung des Beschwerdeführers zur Strafverfolgung wegen des beim Gericht in Pernik wegen mehrerer Diebstähle anhängigen Strafverfahrens. Nach Durchführung eines Verfahrens mit mündlicher, öffentlicher Verhandlung hat das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluß vom 23. Dezember 1992 die Auslieferung des Beschwerdeführers für zulässig erklärt. Mit Schreiben vom 21. Jänner 1993 stellte der Bundesminister für Justiz gegenüber dem Bundesminister für Inneres fest, daß die Bewilligung der Auslieferung in Aussicht genommen werde, sofern die Rechtsstellung des Auszuliefernden als Flüchtling dieser Bewilligung nicht entgegenstehe.
Das Bundesasylamt hat dem Beschwerdeführer hierauf mit Schreiben vom 16. April 1993 und 26. Mai 1993 mitgeteilt, daß die Einleitung eines Verfahrens auf Verlust des Asyls beabsichtigt sei, wozu dem Beschwerdeführer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Der Beschwerdeführer betonte in seiner Stellungnahme vom 11. Juni 1993, daß die im Auslieferungsbericht enthaltenen Vorstrafakten zeigen würden, daß er wegen politischer Delikte verurteilt worden sei. Er verwies dabei auf die Verurteilung wegen Verstoßes nach Art. 104 des "albanischen" (wohl richtig: bulgarischen) Strafgesetzbuches, der ein rein politisches Delikt darstelle, und auf das Strafverfahren, daß er im Jahre 1988 illegal die bulgarisch-jugoslawische Grenze überschritten hätte. Auch das Strafverfahren, das in Pernik wegen mehrerer Diebstähle geführt werde, stelle eine Menschenrechtsverletzung des Beschwerdeführers dar, da er über ein Jahr in Untersuchungshaft gehalten, jedoch niemals zum Prozeß vorgeführt worden sei. Die Gründe, die zur Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, lägen nach wie vor vor und würden vielmehr durch die nunmehr vorliegenden Unterlagen ausdrücklich bewiesen. Was die Behauptung betreffe, daß sich die politische Lage in Bulgarien geändert habe, so könne dies nach Auffassung des Beschwerdeführers für die generelle politische Lage stimmen, die einzelnen Positionen in der Vollziehung (Polizei und Justiz) seien aber noch mit denselben Personen besetzt, sodaß bis jetzt keine reale Veränderung stattgefunden habe. Es bestehe keine Gewähr dafür, daß er in Bulgarien wegen des politischen Deliktes der illegalen Ausreise nicht wiederum verfolgt bzw. die alten Verurteilungen wegen politischer Delikte nicht straferschwerend wirken würden. Es sei somit dem Beschwerdeführer nicht zumutbar, sich des Schutzes Bulgariens zu bedienen.
Das Bundesasylamt sprach mit Bescheid vom 24. Juni 1993 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Z. 5 und Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention den Verlust des Rechtes auf Asyl aus. Das Bundesasylamt führte aus, den Angaben des Beschwerdeführers, daß Gegenstand des derzeit anhängigen Strafverfahrens wieder ein politisches Delikt sei, könne nicht gefolgt werden, weil sich aus dem Schreiben der Interpol Sofia ergebe, Gegenstand des Strafverfahrens des Gerichtes in Pernik sei ein Einbruchsdiebstahl. Es sei dem Beschwerdeführer entgegen seinen Ausführungen zumutbar, sich des Schutzes seiner Heimat Bulgarien zu bedienen, da sich in Bulgarien die politischen Verhältnisse grundsätzlich soweit geändert hätten, daß davon ausgegangen werden könne, daß aufgrund der nunmehrigen Rechtslage und Rechtsanwendung in diesem Staate in der Regel keine begründete Gefahr einer Verfolgung wegen der politischen Gesinnung bestehe. Es gebe in Bulgarien nach der Revolution und dem Sturz des ehemaligen Staats- und Parteichefs Schiwkow im November 1989 ein demokratisch gewähltes Parlament, das sich in der Hauptsache aus ehemaligen Oppositionsparteien zusammensetze. Die ersten freien Parlamentswahlen hätten am 17. Juni 1990 stattgefunden. Es bestehe eine auf demokratischer Basis entstandene Regierung. Seit 7. Mai 1992 sei Bulgarien Mitglied des Europarates und habe die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet. Seit Oktober 1991 verfüge Bulgarien über eine Verfassung, die dem einzelnen Bürger die Einhaltung der Grund- und Freiheitsrechte sowie der Minderheitenrechte garantiere. Einer Note der österreichischen Botschaft in Sofia vom 24. Jänner 1990 sei zu entnehmen, daß Vertreter der Umweltschutzgruppe ÖKO-Glasnost erklärt hätten, seit 10. November 1989 keiner Verfolgung mehr ausgesetzt zu sein. Am 27. April 1992 habe die österreichische Botschaft berichtet, daß die Grund- und Menschenrechte auf Verfassungsbasis sowie die Minderheitenrechte de facto eingeräumt seien und völlige Freizügigkeit politischer und religiöser Betätigung gegeben sei. Auch im "Human Rights Report for Bulgaria" für das Jahr 1992, der von der amerikanischen Botschaft in Zusammenarbeit mit dem Büro des UNHCR erstellt werde, werde festgestellt, daß es in Bulgarien keine politischen Gefangenen mehr gebe und die Reisefreiheit grundsätzlich nicht begrenzt sei.
Das Bundesasylamt stellte aufgrund all dieser Tatsachen fest, daß die Gründe, die zur Asylgewährung im Bescheid vom 17. Jänner 1991 geführt hätten, nunmehr weggefallen bzw. nie vorgelegen seien. Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention verliere eine Person dann das Recht auf Asyl, wenn die Umstände, aufgrund derer ihr Asyl gewährt worden sei, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen könne, sich unter den Schutz des Heimatlandes zu stellen.
Weiters seien die Umstände, die 1991 zur Anerkennung als Flüchtling geführt hätten, nie existent gewesen. Der Beschwerdeführer hätte bei seiner Einvernahme im Asylverfahren angegeben, daß er nie wegen krimineller, sondern ausschließlich wegen politischer Delikte verurteilt und verhaftet worden sei. Das durchgeführte Auslieferungsverfahren habe diese Darstellung widerlegt.
Gemäß Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention verliere ein Flüchtling weiters das Asyl, wenn festgestellt werde, daß er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstelle. Wie das Auslieferungsverfahren gezeigt habe, sei der Beschwerdeführer bereits achtmal rechtskräftig verurteilt worden und sei weiters ein Strafprozeß in Bulgarien anhängig. Da der Beschwerdeführer offensichtlich seinem Charakter nach zu kriminellen Handlungen neige - auch in Österreich sei er bereits wieder straffällig geworden -, würde der Beschwerdeführer daher eine Gefahr für die Sicherheit Österrreichs im Sinne des Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention darstellen.
In der Berufung dagegen führte der Beschwerdeführer ins Treffen, daß Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention nicht richtig ausgelegt worden sei. Es könne im vorliegenden Fall nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit Österreichs darstelle. Im Hinblick darauf, daß die angeführte Bestimmung zwei Tatbestände kenne, nämlich einerseits die Gefahr für die Sicherheit Österreichs und andererseits die rechtskräftige Verurteilung wegen eines besonders schweren Verbrechens und die sich daraus ergebende Gefahr für die Gemeinschaft, müsse der Begriff der "Sicherheit" in Art. 33 Abs. 2 leg. cit. einschränkend ausgelegt werden. Auch die Auffassung, in Bulgarien hätte sich die Situation geändert, sei in Wahrheit nicht stichhältig. Allein aus der Tatsache, daß in Österreich im Jahre 1992 15 Menschen aus Bulgarien als Flüchtlinge anerkannt worden seien, sei abzuleiten, daß Bulgarien nach wie vor kein sicheres Land sei. Weiters sei auf das Vorbringen, daß die untere und mittlere Führungsschicht in Bulgarien nach wie vor von denselben Personen besetzt und daher eine tatsächliche Änderung nicht erfolgt sei, überhaupt nicht eingegangen worden. Die Richtigkeit dieser Aussage zeige sich daran, daß er nach wie vor von Interpol Sofia wegen illegaler Ausreise gesucht werde. Vor allem werde aber auch darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer vor seiner Flucht über ein Jahr in Untersuchungshaft gewesen und nicht eine einzige Hauptverhandlung anberaumt worden sei. Auch dies stelle einen klaren Verstoß gegen die Menschenrechte und einen neuerlichen Asylgrund dar. Es bestehe der dringende Verdacht, daß das Auslieferungsbegehren, gestützt auf diese angeblichen Einbrüche, lediglich ein Vorwand sei, um weiterhin gegen den Beschwerdeführer vorzugehen.
Die belangte Behörde stellte fest, daß hinsichtlich des Beschwerdeführers "die im Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 und Artikel 33 Absatz 2 der Konvention über die Rechtstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention), genannten "Tatbestände" eingetreten sind". Nach Verweis auf die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides führte die belangte Behörde zum Berufungsvorbringen aus, daß im Hinblick auf die im Auslieferungsverfahren hervorgekommenen Umstände das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend Verfolgung aus politischen Motiven nicht als glaubwürdig angesehen werden könne. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die mittlere und untere Führungsschicht in Bulgarien auch heute noch von denselben Personen besetzt sei, werde entgegengehalten, daß es für keinen Staat denkbar und möglich sei, im Falle einer gravierenden politischen Änderung von einem Tag auf den anderen auf das gesamte Personal des Verwaltungsapparates zu verzichten, ohne den Ausbruch chaotischer oder anarchischer Zustände zu riskieren. Daß sich die generelle politische Lage in Bulgarien, somit der eigentliche Staatswille geändert habe, hätte der Beschwerdeführer selbst in seiner Stellungnahme vom 11. Juni 1993 zugegeben. Im Hinblick auf die hervorgekommenen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Bulgarien und auf das anhängige Strafverfahren beim Landesgericht Innsbruck wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung gemäß § 223 StGB, welche Straftaten alle auf derselben schädlichen Neigung beruhen würden, ergebe sich weiters, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit Österreichs gemäß Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 darstelle.
In seiner dagegen erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des Bescheides geltend. Er erachtet sich in dem Recht, in Österreich als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention anerkannt zu bleiben, verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der im vorliegenden Fall maßgebliche § 5 Abs. 1 Z. 3 und Abs. 2 Asylgesetz 1991 lautet:
"§ 5 (1) Ein Flüchtling verliert das Asyl, wenn festgestellt wird, daß ...
3. hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.
(2) Eine Feststellung gemäß Abs. 1 ist mit Bescheid der Asylbehörde von Amts wegen zu treffen."
Art. 1 Abschnitt C Z. 5 und Art. 33 Genfer Flüchtlingskonvention BGBl. Nr. 55/1955 lauten:
"C. Dieses Abkommen wird auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet werden, ...
5. wenn die Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.
Die Bestimmungen der Ziffer 5 sind nicht auf die in Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels genannten Flüchtlinge anzuwenden, wenn sie die Inanspruchnahme des Schutzes durch ihr Heimatland aus triftigen Gründen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen, ablehnen;"
"Artikel 33
Verbot der Ausweisung oder der Zurückweisung
1.
Kein vertragschließender Staat darf einen Flüchtling in irgendeiner Form in ein Gebiet ausweisen oder zurückweisen, wo sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre.
2.
Der Vorteil dieser Bestimmung kann jedoch von einem Flüchtling nicht in Anspruch genommen werden, der aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit seines Aufenthaltslandes darstellt oder der, wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt, eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet."
Die belangte Behörde hat - wie dargelegt - den Verlust des Rechtes auf Asyl einerseits auf die geänderten Verhältnisse in Bulgarien gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 iVm Art. 1 Abschnitt C Z. 5 Genfer Flüchtlingskonvention andererseits darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit Österreichs gemäß Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention iVm § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 sei.
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, auch die Berufungsbehörde gehe davon aus, daß die mittlere und untere Führungsschicht in Bulgarien noch überwiegend von denselben Personen wie im kommunistischen Regime besetzt sei. Es könne daher nicht angenommen werden, daß die grundsätzliche Einstellung dieser Personen sich geändert habe. Die Menschen in Bulgarien würden auch heute noch politisch verfolgt. Dies zeige sich allein darin, daß im Jahre 1992 insgesamt 15 bulgarische Staatsbürger als Flüchtlinge in Österreich anerkannt worden seien. Von einer grundlegenden Änderung der Schutzsituation in Bulgarien könne daher nicht gesprochen werden.
Wenn die belangte Behörde dem Argument des Beschwerdeführers, daß die mittlere und untere Führungsschicht in Bulgarien auch heute noch von denselben Personen besetzt sei, entgegenhält, es sei für keinen Staat denkbar und möglich, im Falle einer gravierenden politischen Änderung von einem Tag auf den anderen auf das gesamte Personal des Verwaltungsapparates zu verzichten, hat sie dieses Argument nicht schlüssig entkräftet, insbesondere kann daraus kein Schluß gezogen werden, daß in Bulgarien keine politischen Verfolgungen mehr stattfinden.
Die belangte Behörde hat sich auch nicht mit dem Argument des Beschwerdeführers auseinandergesetzt, daß die österreichischen Asylbehörden im Jahre 1992 15 bulgarische Staatsbürger als Flüchtlinge in Österreich anerkannt hätten.
Es stellt weiters eine Verfahrensverletzung dar, daß die als Beweismittel für die geänderten Umstände herangezogenen Berichte der österreichischen Botschaft in Sofia vom 24. Jänner 1990 und vom 27. April 1992 und die im erstinstanzlichen Bescheid angeführten Feststellungen aus dem "1992 Human Rights Report for Bulgaria" dem Beschwerdeführer nicht zur Stellungnahme vorgehalten wurden.
Die belangte Behörde wäre darüberhinaus auch verpflichtet gewesen, den Beschwerdeführer zu der Frage, Parteiengehör einzuräumen, ob triftige Gründe im Sinne des Art. 1 Abschnitt C Z. 5 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen, die auf frühere Verfolgungen zurückgehen und aus denen der Flüchtling die Inanspruchnahme des Schutzes durch seinen Heimatstaat ablehnt.
Diese festgestellten Verfahrensverletzungen sind auch wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG, da nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei ihrer Vermeidung zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Im fortgesetzten Verfahren wird allerdings auch die Aktualität der Entscheidungsgrundlagen für die belangte Behörde zu überprüfen sein, für die in bezug auf die Sach- und Rechtslage, von der sie auszugehen hat, der Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides maßgeblich ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. November 1983, Slg. 11237/A).
Der Beschwerdeführer wendet sich weiters gegen die Auffassung der belangten Behörde, daß er aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit Österreichs im Sinne des Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention darstelle. Dies könne aus den mehrmaligen Verurteilungen des Beschwerdeführers in Bulgarien und aus dem gegen ihn in Österreich wegen des Verdachtes der Urkundenfälschung gemäß § 223 StGB anhängigen Strafverfahren nicht abgeleitet werden.
Die Ansicht des Beschwerdeführers ist zutreffend. Bei der Auslegung des Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention muß berücksichtigt werden, daß die Bestimmung NEBEN dem Tatbestand einer Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes aus gewichtigen Gründen durch den Flüchtling auch den Tatbestand enthält, daß der Flüchtling wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und eine Gefahr für die Gemeinschaft des betreffenden Landes bedeutet. Aus dem Nebeneinander dieser beiden Tatbestände ist abzuleiten, daß nur dann eine Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes aus gewichtigen Gründen angenommen werden kann, wenn ganz spezifische Umstände vorliegen, die eine Gefahr FÜR DIE SICHERHEIT DES AUFENTHALTSLANDES darstellen können. Jene Gefahren, die sich für die Gemeinschaft aus der Begehung eines besonders schweren Verbrechens, dessentwegen ein Flüchtling rechtskräftig verurteilt worden ist, ergeben, sind demgegenüber vom zweiten Tatbestand erfaßt. Gefahren für die Gemeinschaft, die sich im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung wegen anderer Verbrechen ergeben, finden offensichtlich in dieser Bestimmung keine Berücksichtigung, es sei denn, sie stellten spezifische Gründe dar, die die Sicherheit des Aufenthaltslandes gefährden und damit den ersten Tatbestand verwirklichen können. Auch der Umstand, daß aus Anlaß eines solchen anderen Verbrechens im Aufenthaltsland, also im vorliegenden Fall in Österreich, ein Strafverfahren anhängig ist, kann im Rahmen des ersten Tatbestandes des Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention nur bei Vorliegen solcher spezifischer Gründe in Frage kommen. Diese Auslegung wird auch durch den Umstand gestützt, daß Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention im Unterschied zu anderen internationalen Vertragswerken (vgl. Art. 10 und 11 EMRK) den Ausdruck "Sicherheit" ("security", "securite") des Aufenthaltslandes und nicht "öffentliche Sicherheit" (vgl. "public safety" in Art. 10 Abs. 2 EMRK) verwendet. Unter einer Gefahr für die Sicherheit des Aufenthaltslandes im Sinne des ersten Tatbestandes der zitierten Bestimmung der Genfer Flüchtlingskonvention sind daher Umstände zu verstehen, die sich gegen den Staat richten und dessen Bestand gefährden. Selbst wenn gegen den Beschwerdeführer in Bulgarien ein Strafverfahren wegen Einbruchdiebstählen anhängig ist und er auch bereits wegen solcher Delikte in Bulgarien rechtskräftig verurteilt wurde, kann nicht davon gesprochen werden, daß der Beschwerdeführer die Staatssicherheit im dargelegten Sinn gefährdet.
Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, indem sie zu Unrecht das Vorliegen einer Gefahr für die Sicherheit Österreichs gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 iVm Art. 33 Abs. 2 Genfer Flüchtlingskonvention angenommen hat. Dieser inhaltlichen Rechtswidrigkeit kommt gegenüber den festgestellten Verfahrensverletzungen der Vorrang zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1968, Zl. 1219/66, vom 1. Dezember 1978, Zl. 277/78, und vom 7. November 1985, Zl. 83/10/0003).
Der angefochtene Bescheid war daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Sofern im angefochtenen Bescheid auch zum Ausdruck kommt, daß die vom Beschwerdeführer im Asylverfahren behaupteten Gründe, die zur Asylgewährung geführt haben, nie vorgelegen seien und das Asyl deshalb zu entziehen sei, hat dies in den herangezogenen Rechtsgrundlagen des § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 iVm Art. 1 Abschnitt C Z. 5 und Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention keine gesetzliche Grundlage. Derartige Überlegungen hätten nur in einem Verfahren gemäß § 69 AVG eine Rolle spielen können.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991. Die Stempelgebühren für nicht erforderliche Schriftsätze (dritte Ausfertigung der Beschwerde und die zweite Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) waren abzuweisen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Februar 1969, Zl. 410/68, und vom 21. Juni 1979, Zl. 529/78).
Es erübrigt sich, über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, zu entscheiden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993010900.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
16.04.2010