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L10013 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
AVG §73 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, in der Beschwerdesache des C in X, vertreten durch Dr. V, Rechtsanwalt in W, gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde X wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. einer Postenbesetzung nach der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Stadt X Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt X. Nach seinem Vorbringen bewarb sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 12. März 1992 um den öffentlich ausgeschriebenen Dienstposten des Leiters der Geschäftsabteilung I der Stadtgemeinde X. Diese Bewerbung war nicht erfolgreich; die belangte Behörde beschloß in ihrer Sitzung am 24. April 1992, eine andere Person als Gemeindebeamter aufzunehmen und ab 1. Juni 1992 mit der Leitung der Geschäftsabteilung I zu betrauen. Dies wurde dem Bediensteten der Geschäftsabteilung I mit Schreiben des Bürgermeisters der Stadt X vom 27. Mai 1992 zur Kenntnis gebracht.
Sowohl gegen den vorher genannten Beschluß der belangten Behörde als auch gegen das Schreiben des Bürgermeisters vom 27. Mai 1992 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung gemäß § 61 NÖ GO 1973, die aber mangels Vorliegens eines Bescheides zurückgewiesen wurde. Die gegen diesen Vorstellungsbescheid erhobene Beschwerde wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 93/12/0005, als unbegründet ab. Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen wird auf dieses Erkenntnis im Sinne des § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Der gegen den Gemeinderat der Stadtgemeinde X nunmehr erhobenen Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG bzw. § 27 VwGG liegt folgender Antrag des Beschwerdeführers vom 29. April 1992 zugrunde:
"An die Stadtgemeinde X
z. Hd. Herrn Bürgermeister
Dr. G
im Hause
Betreff: Ansuchen um bescheidmäßige
Erledigung meiner Bewerbung
um den Dienstposten des Leiters
der Geschäftsabteilung I
Sehr geehrter Herr Bürgermeister
Mit Schreiben vom 12. 3. 1992 habe ich mich um den öffentlich ausgeschriebenen Dienstposten des im Dienstpostenplan gesondert ausgewiesenen Leiters der Geschäftsabteilung I beworben. Ich stelle den ANTRAG
meine Bewerbung, die ich gleichzeitig zum Antrag im Sinne des Dienstrechtsverfahrensgesetzes erhebe, bescheidmäßig zu erledigen."
Da dieser Antrag vorerst nicht bescheidmäßig erledigt worden war, machte der Beschwerdeführer mit der vorliegenden Beschwerde Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete über diese gegen den Gemeinderat gerichtete Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht das Vorverfahren ein.
Der Bürgermeister der Stadt X erstattete eine Gegenschrift, legte die Akten des Verfahrens vor und beantragte kostenpflichtige Zurückweisung. In weiterer Folge erließ der Bürgermeister einen mit 28. Oktober 1993 datierten Bescheid, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers vom 29. April 1992 auf bescheidmäßige Erledigung seiner Bewerbung als unzulässig zurückgewiesen wurde.
Der Beschwerdeführer hat unaufgefordert weitere Schriftsätze, datiert mit 11. November und 17. November 1993, eingebracht.
Gemäß § 27 VwGG in der Fassung BGBl. Nr. 330/1990 kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, bzw. der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Nach § 73 des gemäß § 1 Abs. 1 DVG anwendbaren AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien (§ 8) und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen, den Bescheid zu erlassen. Wird der Bescheid der Partei nicht innerhalb dieser Frist zugestellt, so geht gemäß Abs. 2 der genannten Bestimmung auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen die ausständige Entscheidung die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat vorgesehen ist, auf diesen über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde (beim unabhängigen Verwaltungssenat) einzubringen.
§ 3 der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO), LGBl. 2400, hat folgenden Wortlaut:
"(1) Die Aufnahme als Gemeindebeamter erfolgt durch Ernennung auf einen im Dienstpostenplan vorgesehenen Dienstposten. Die Aufnahme als Gemeindebeamter ist vom Gemeinderat zu beschließen. Die Aufnahme ist nur zulässig, wenn ein solcher Dienstposten frei ist und alle Bedingungen für die Aufnahme in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis im allgemeinen (§ 5) sowie für die Erlangung des Dienstpostens im besonderen (§ 6) erfüllt sind.
Die Ernennung wird frühestens mit dem nächstfolgenden Monatsersten wirksam.
(2) Jeder freie und zur Besetzung vorgesehene Dienstposten ist vom Bürgermeister auszuschreiben. In der Ausschreibung ist der Dienstposten zu bezeichnen und unter Anführung der allgemeinen und der besonderen Aufnahmebedingungen eine ausreichende Bewerbungsfrist zu stellen. Die Ausschreibung kann unterbleiben, wenn der freie Dienstposten mit einem Bediensteten der Gemeinde besetzt werden soll.
(3) Im Falle der Ausschreibung ist ein Bewerber, der bereits mehr als zwei Jahre in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde steht, bei der Besetzung des freien Dienstpostens bevorzugt zu behandeln, wenn er die allgemeinen und besonderen Aufnahmebedingungen in der gleichen Weise erfüllt wie andere Bewerber.
(4) Wenn es besondere dienstliche Rücksichten geboten erscheinen lassen, kann die als Gemeindebeamter aufzunehmende Person unmittelbar in eine höhere Gehaltsstufe oder Dienstklasse ernannt werden; hiebei ist auf die bisherige Berufslaufbahn und die künftige Verwendung Bedacht zu nehmen. Ein solcher Gemeinderatsbeschluß ist der Landesregierung bekanntzugeben und wird frühestens vier Wochen nach der Bekanntgabe rechtswirksam."
Bei der Bestellung der Gemeindebediensteten und Ausübung der Diensthoheit handelt es sich gemäß § 32 Abs. 2 Z. 2 der NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000, um eine Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde.
Nach § 35 Abs. 1 NÖ GO 1973 obliegen dem Gemeinderat alle in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fallenden Angelegenheiten, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt wird. Der Instanzenzug gegen Bescheide in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches geht nach § 60 Abs. 1 NÖ GO 1973 an den Gemeinderat. Dieser übt auch die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus.
Aus § 35 Abs. 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 1 NÖ GO 1973 ergibt sich, daß, wenn ein anderes Organ der Gemeinde einer Entscheidungspflicht im eigenen Wirkungsbereich nicht entspricht, der Gemeinderat als Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG anzurufen ist.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer seinen Antrag vom 29. April 1992, auf den bezogen er die Verletzung der Entscheidungspflicht der belangten Behörde behauptete, aber nicht an den Gemeinderat, sondern an die "Stadtgemeinde X z.Hd. Herrn Bürgermeister Dr. G" gerichtet. Der Aktenlage läßt sich nicht entnehmen, daß der Bürgermeister diesen Antrag etwa gemäß § 6 AVG an den Gemeinderat zur Erledigung abgetreten hätte. Der Beschwerdeführer behauptete auch nicht, damit einen Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gestellt zu haben, was aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu keiner anderen Entscheidung hätte führen können, weil ein Verlangen auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zufolge des klaren Wortlautes des § 73 Abs. 2 AVG "unmittelbar" bei der Oberbehörde einzubringen ist. Ein bei einer anderen Behörde eingebrachter Devolutionsantrag kann nämlich - selbst wenn er und auf welchem Wege immer der Oberbehörde zugekommen ist - den Übergang der Entscheidungspflicht nicht bewirken (vgl. Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juli 1986, Zl. 86/07/0103). Dem Antrag des Beschwerdeführers vom 29. April 1992 ist auch nicht zu entnehmen, daß ihn der Beschwerdeführer an den Gemeinderat gerichtet und nur wegen der Einhaltung des Dienstweges über den Bürgermeister eingebracht hätte.
Eine Entscheidungspflicht der vom Beschwerdeführer mit "Gemeinderat der Stadtgemeinde X" bezeichneten belangten Behörde konnte durch diesen Antrag daher jedenfalls nicht bewirkt werden.
Die vorliegende Beschwerde gegen den Gemeinderat der Stadt X mußte aus diesen Gründen mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen werden, weil der Beschwerdeführer nicht die belangte Behörde als oberste in Betracht kommende Behörde, auf welche Weise auch immer, angerufen hat.
Der Ausspruch über den Kostenersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Zur Vermeidung weiterer Verfahren wird im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen, es bestehe nach § 3 NÖ GBDO ein subjektives Recht des Beschwerdeführers als Beamter im Dienststand auf bevorzugte Berücksichtigung bei jeglicher Vergabe ausgeschriebener Posten, bemerkt:
Der mit "Aufnahme; Stellenausschreibung" überschriebene § 3 NÖ GBDO regelt nach dem diesbezüglich klaren Wortlaut des Abs. 1 die AUFNAHME als Gemeindebeamter, also die Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses. Abs. 2 der genannten Bestimmung verpflichtet den Bürgermeister, jeden freien und zur Besetzung vorgesehenen Dienstposten auszuschreiben, wobei die allgemeinen und besonderen AUFNAHMEBEDINGUNGEN anzugeben sind. Sowohl aus dem systematischen Zusammenhang dieser Regelung als auch durch die Bezugnahme auf die Aufnahmebedingungen ergibt sich, daß diese Regelung nur für den Fall der Aufnahme (erstmaligen Ernennung) in das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis gilt. Der letzte Satz des Abs. 2 sieht in Form einer Kann-Bestimmung eine Ausnahme von der Ausschreibungspflicht vor, wenn der freie Dienstposten mit einem Bediensteten der Gemeinde besetzt werden soll. Offenbar für den Fall, daß im Sinne der zuletzt genannten Regelung nicht auf eine Ausschreibung verzichtet worden ist (arg.: im Falle der Ausschreibung ...), sieht Abs. 3 - die Gleichwertigkeit der Bewerber hinsichtlich der Aufnahmebedingungen vorausgesetzt - eine Bevorzugung der bereits in einem Dienstverhältnis zur Gemeinde stehenden Bediensteten vor. Da diese Bestimmung für bereits im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehende Personen, die ja nicht mehr aufgenommen werden können, nicht in Frage kommt, folgt, daß mit dem im Abs. 3 angesprochenen bereits bestehenden Dienstverhältnis nur ein Vertragsdienstverhältnis gemeint sein kann. Diese Bevorzugung von sonstigen vertraglich Bediensteten bei der Begründung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses kann auch nicht als unsachlich gewertet werden. Auch die abschließende Regelung des § 3 Abs. 4, die von einer als Gemeindebeamter aufzunehmenden Person spricht, zeigt, daß § 3 nur auf die Begründung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses, nicht aber auf Änderungen oder Ernennungen im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abstellt.
Schlagworte
Anrufung der obersten Behörde Parteistellung Parteienantrag Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993120216.X00Im RIS seit
20.11.2000