TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/16 93/11/0124

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Veröffentlicht am 16.12.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §52;
B-VG Art130 Abs2;
HebDO §5;
HebG §6 Abs1 litc;
HebG §7;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. I, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz vom 2. März 1993, Zl. 202.955/0-II/B/13/93, betreffend Zurücknahme einer Niederlassungsbewilligung als Hebamme, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 6 Abs. 1 lit. c des Hebammengesetzes 1963, BGBl. Nr. 3/1964, die Niederlassungsbewilligung der Beschwerdeführerin als freipraktizierende Hebamme auf Dauer zurückgenommen.

In ihrer an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 lit. c des Hebammengesetzes 1963 kann die Niederlassungsbewilligung von der Behörde, welche sie erteilt hat, dauernd oder vorübergehend zurückgenommen werden, wenn die Hebamme wegen erwiesener Gebrechlichkeit ihrer Berufspflicht nicht nachkommen kann. Gemäß § 1 Abs. 4 leg. cit. unterstehen die Hebammen der Bezirksverwaltungsbehörde, welche die Überwachung durch den Amtsarzt ausübt.

Die belangte Behörde begründet die bekämpfte administrative Maßnahme damit, daß der Amtsarzt der Bezirksverwaltungsbehörde berichtet hat, die Beschwerdeführerin sei infolge ihres Alters - sie ist im Jahre 1913 geboren - und ihrer Schwachsichtigkeit "kaum mehr in der Lage", "eine Geburt in entsprechender Weise durchzuführen". Der Aufforderung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, sei die Beschwerdeführerin zunächst nicht nachgekommen. Bei der schließlich am 16. Oktober 1992 durchgeführten Untersuchung habe sich ergeben, daß ein aktueller Augenbefund sowie eine "psychologisch-neurologisch-psychiatrische Untersuchung" zur Feststellung der Berufsfähigkeit der Beschwerdeführerin erforderlich seien. Die Beschwerdeführerin sei jedoch weder dem Auftrag zur Beibringung des Augenbefundes noch den beiden Untersuchungsterminen im Referat für Psychohygiene des Gesundheitsamtes der Stadt Wien nachgekommen. Die Beschwerdeführerin habe damit ihre Mitwirkungspflicht verletzt. Die belangte Behörde habe aus diesem Grund die Rücknahme der Niederlassungsbewilligung ohne weitere Ermittlungstätigkeiten verfügt.

Die Zurücknahme der Niederlassungsbewilligung nach § 6 Abs. 1 lit. c des Hebammengesetzes 1963 ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der Verwendung des Wortes "kann" keine Ermessensentscheidung. Wenn eine Hebamme wegen erwiesener Gebrechlichkeit ihrer Berufspflicht nicht nachkommen kann, ist es jedenfalls geboten, ihr die Bewilligung zur Berufsausübung zu entziehen. Dieses Ergebnis ist vom Zweck der Regelung her zwingend, auch wenn im § 7 leg. cit. zwei Tatbestände normiert sind, bei denen die in Rede stehende Bewilligung von der Behörde in rechtlicher Gebundenheit zurückzunehmen ist.

Die Zurücknahme der Niederlassungsbewilligung nach § 6 Abs. 1 lit. c leg. cit. setzt voraus, daß die Behörde als erwiesen annehmen kann, daß die betreffende Hebamme ein Gebrechen hat, durch welches ihr die Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit unmöglich gemacht wird. Der Beweis, der zu einer solchen Annahme berechtigt, wird regelmäßig ein Sachverständigengutachten sein. Die Nichtmitwirkung der Hebamme an der Beweisaufnahme durch einen ärztlichen Sachverständigen ist aber nicht in der Weise sanktioniert, daß bereits die Verweigerung der Mitwirkung zum Verlust der Niederlassungsbewilligung führt. Im Hebammengesetz findet sich keine etwa dem § 75 Abs. 2 KFG 1967 entsprechende Bestimmung, daß bereits die Nichtbefolgung eines förmlichen Auftrages zur Beibringung bestimmter Befunde oder zur Duldung einer Untersuchung zur Annahme der Nichteignung und zur Entziehung der betreffenden Berechtigung führt. Ist es der Behörde dabei nicht möglich, das von ihr zunächst als notwendig erachtete Beweismittel zustande zu bringen, so hat sie die ihr gestellte Aufgabe auf Grund anderer Ergebnisse ihres Ermittlungsverfahrens zu erfüllen. Sie kann sich dabei im Sinne des § 46 AVG auf alles stützen, was geeignet ist, sachdienliche Auskünfte über das Verfahrensthema zu geben.

Der belangten Behörde lagen diesbezüglich folgende Unterlagen vor:

1. Der Bericht des Amtsarztes des Bezirksgesundheitsamtes für den 15. Bezirk in Wien vom 23. März 1989, wonach bei einem ausführlichen Gespräch mit der Beschwerdeführerin am 20. März 1989 festgestellt wurde, "daß diese (75 Jahre, schmächtig, schwachsichtig) kaum mehr in der Lage zu sein scheint, eine Geburt - insbesonders wenn Komplikationen auftreten - in entsprechender Weise durchzuführen".

2. Ein Augenbefund der I. Augenklinik der Universität Wien vom 4. November 1987, wonach "ophthalmologischerseits" kein Einwand gegen die Ausübung des Hebammenberufes durch die Beschwerdeführerin bestehe.

3. Eine Bestätigung eines praktischen Arztes vom 13. Dezember 1990, wonach auf Grund des völlig normalen internen dem Alter entsprechenden Befundes vom ärztlichen Standpunkt aus kein Einwand gegen eine weitere Berufsausübung als Hebamme bestehe.

Diese Unterlagen lassen sich dahingehend zusammenfassen, daß von seiten des Amtsarztes, dessen Überwachung die Beschwerdeführerin als Hebamme untersteht, Bedenken an der Eignung der Beschwerdeführerin geäußert wurden. Maßgebend hiefür war der persönliche Eindruck, den dieser in einem längeren Gespräch gewonnen hat. Die Bedenken bezogen sich auf die altersbedingte körperliche Verfassung und auf die Schwachsichtigkeit. Diese Aussage war jedenfalls geeignet, begründete Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung der Beschwerdeführerin auf Seiten der Behörde zu bewirken und ein Verfahren zur Zurücknahme der Niederlassungsbewilligung einzuleiten. Diese Bedenken konnten durch die beiden von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunde nicht zerstreut werden, und zwar war der Augenbefund wegen seines Alters und die ärztliche Bestätigung vom 13. Dezember 1990 wegen ihres auf den internen Bereich beschränkten Inhaltes hiezu nicht geeignet. Andere Beweisergebnisse kamen im Verwaltungsverfahren nicht zustande. Die Befunde, die die Beschwerdeführerin ihrer Beschwerde angeschlossen und auch der belangten Behörde vorgelegt hat, erschöpfen sich in nicht näher begründeten Behauptungen und sind deswegen nicht geeignet, die Relevanz des - von der Beschwerdeführerin geltend gemachten - Begründungsmangels darzutun. Der Aufforderung zur Beibringung eines aktuellen Augenbefundes und zur Vornahme einer psychologisch-neurologisch-psychiatrischen Untersuchung kam die Beschwerdeführerin nicht nach; letzteres obwohl sie zu der in Rede stehenden Untersuchung zu zwei verschiedenen Terminen geladen war. Es kann der belangten Behörde daher nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie aus dem Verhalten der Beschwerdeführerin den Schluß gezogen hat, sie entziehe sich einer aktuellen ärztlichen Beurteilung ihres Gesundheitszustandes, und wenn sie sich aus diesem Grund im Interesse der Wahrung der Gesundheitsfürsorge veranlaßt sah, als erwiesen anzunehmen, daß die Beschwerdeführerin gebrechlich und unfähig ist, ihren Berufspflichten nachzukommen.

Daran vermag auch das Beschwerdevorbringen nichts zu ändern. Die von der Beschwerdeführerin geschilderten Vorkommnisse beim Referat für Psychohygiene betreffen lediglich einen Termin (welchen wird nicht ausgeführt), sodaß jedenfalls von der unentschuldigten Nichtbefolgung einer Ladung ausgegangen werden kann.

Der Bildungsweg der Beschwerdeführerin ist für die Beurteilung ihrer aktuellen gesundheitlichen Verfassung ebenso unerheblich wie der Umstand, daß alte Menschen sehr wohl in der Lage sein können, anspruchsvolle berufliche Tätigkeiten zu entfalten. Daß sie von ihrer Berechtigung nur mehr eingeschränkt Gebrauch macht und weiterhin zu machen beabsichtigt, ist ebenfalls irrelevant, da sie auf Grund ihrer Niederlassungsbewilligung berechtigt und verpflichtet wäre, alle Tätigkeiten einer Hebamme zu entfalten (§ 5 der Hebammen-Dienstordnung, BGBl. Nr. 131/1970).

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht Manuduktionspflicht Mitwirkungspflicht Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer Sachverständiger Beweismittel Sachverständigengutachten Ermessen Grundsatz der Unbeschränktheit Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110124.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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