TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/16 93/01/1360

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Veröffentlicht am 16.12.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §11 Abs1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §18 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
AVG §39a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/1361

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde 1. der T in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, und 2. des L in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in B, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 6. August 1993, gleichlautender Zl. 4.316.973/2-III/13/91, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführer, ein Ehepaar vietnamesischer Staatsangehörigkeit, das am 2. Juni 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, haben ihrem durch Ausfertigungen der angefochtenen Bescheide belegten Beschwerdevorbringen zufolge die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 20. Juni 1991, mit denen festgestellt worden war, bei ihnen lägen die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtlinge nicht vor, mit Berufung bekämpft.

Mit den Bescheiden vom 6. August 1993 wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diese Bescheide richten sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobenen, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden, denen die Beschwerdeführer nicht entgegengetreten sind, haben sie bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 4. Juni 1991 übereinstimmend ausgeführt, 1989 (Erstbeschwerdeführerin) bzw. 1988 (Zweitbeschwerdeführer) auf Grund eines Regierungsübereinkommens als Gastarbeiter nach Bulgarien gekommen zu sein und dort als Weberin bzw. als Bauarbeiter tätig gewesen zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin sei ab Juli 1990 in Karenz gewesen, der Zweitbeschwerdeführer sei im Februar 1991 entlassen worden und habe in Bulgarien keine Arbeit mehr bekommen. Der Rassenhaß der Bulgaren gegen Vietnamesen habe in beängstigender Weise zugenommen bzw. sich "ins Unermeßliche" gesteigert, wobei es zu Straßenschlachten gekommen und die Wohnung der Beschwerdeführer von der Polizei geplündert worden sei. Ein Rücktransport nach Vietnam sei nicht ermöglicht worden.

In den gegen die erstinstanzlichen Bescheide erhobenen Berufungen hätten die Beschwerdeführer geltend gemacht, sie hätten durch das illegale Verlassen Bulgariens die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen ihrem Heimatland und Bulgarien verletzt und hätten daher im Fall ihrer Rückkehr in ihr Heimatland, in dem die Menschenrechte verletzt würden und in dem es auch keine Freiheit gebe, mit hohen Gefängnisstrafen zu rechnen.

Die belangte Behörde hat in beiden Fällen die Versagung von Asyl damit begründet, daß die von den Beschwerdeführern geschilderten Ereignisse nicht als von staatlichen Stellen des Heimatlandes der Beschwerdeführer ausgehende Verfolgungshandlungen angesehen werden könnten und daß die Beschwerdeführer auch nicht ausgeführt hätten, sich wegen der behaupteten Verfolgungen in Bulgarien an ihr Heimatland um Schutz gewendet zu habe. Die Furcht im Fall der Rückkehr wegen der Übertretung von ihren Aufenthalt im Ausland regelnder Bestimmungen bestraft zu werden stelle keinen Anerkennungsgrund im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention dar. Die Erstbeschwerdeführerin habe mit der in ihrer Berufung geltend gemachten Verletzung von Menschenrechten und dem Mangel an Freiheit keine individuelle Verfolgung glaubhaft machen und auch nicht darlegen können, daß diese Verhältnisse eine für ihre Qualifikation als Verfolgung erforderliche Qualität oder Intensität aufwiesen. Soweit die Erstbeschwerdeführerin in ihrer Berufung ihre persönliche Einvernahme als Beweismittel angeboten habe, sei davon abzusehen gewesen, weil sie bereits bei ihrer Ersteinvernahme ausreichend Möglichkeit gehabt habe, die Gründe für das Verlassen ihres Heimatlandes darzutun, und ihr auch im Rahmen der Berufungserhebung eine Ergänzung ihrer Angaben bzw. anschließend auch eine Berufungsergänzung offengestanden wäre.

Die Beschwerdeführer bringen in ihren insoweit gleichlautenden Beschwerden zunächst vor, ihre Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich sei nicht in ihrer Muttersprache, sondern in bulgarischer Sprache, die sie so gut wie gar nicht verstünden, vorgenommen worden. Entgegen ihrer Auffassung war die Behörde nicht verpflichtet, einen ihrer Muttersprache mächtigen Dolmetscher beizuziehen, sondern reichte gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 die Beiziehung eines Dolmetschers für eine den Beschwerdeführern ausreichend verständliche Sprache aus. Die Beschwerdeführer haben aber, wie sich aus der insoweit unwidersprochen gebliebenen Wiedergabe ihrer Ersteinvernahme und ihres Berufungsvorbringens ergibt, im Verwaltungsverfahren gegen ihre Einvernahme unter Beiziehung eines Dolmetschers für die bulgarische Sprache weder im Zug der Einvernahme noch in ihren Berufungen Einwendungen erhoben. Damit kann aber aus dieser Einvernahme nicht eine offenkundige Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens abgeleitet werden, welche die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 verpflichtet hätte, dessen Ergänzung oder Wiederholung anzuordnen. Dementsprechend stellen sich die erstmals in den Beschwerden aufgestellten Behauptungen über vor ihrer Ausreise aus ihrem Heimatland gegen sie gerichtete, auf ihre politischen Ansichten zurückzuführende staatlichen Aktivitäten als gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerungen dar. Gleiches gilt auch für die erstmals in den Beschwerden gleichlautend geltend gemachten Angaben über zwangsarbeitsähnliche Verhältnisse, über vergebliche Versuche bei der Botschaft ihres Heimatlandes Schutz gesucht zu haben sowie über Einvernahmen und Folterungen durch bulgarische Behörden.

Im Hinblick darauf, daß die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrem Bescheid das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hatte - ein offenkundiger Verfahrensmangel lag, wie oben dargestellt, nicht vor -, ist ihr beizupflichten, wenn sie die von der Bevölkerung bzw. den Behörden Bulgariens gegen die Beschwerdeführer gerichteten Maßnahmen nicht als ihrem Heimatland zurechenbar gewertet hat. Auch ist dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beschwerdeführer nicht entnehmbar, daß ihnen seitens ihrer Vertretungsbehörde Schutz verweigert worden wäre.

Die belangte Behörde befindet sich auch in Übersinstimmung mit der hg. Rechtssprechung, wenn sie die von den Beschwerdeführern allerdings erst in ihren Berufungen ins Treffen geführte, ihnen im Fall ihrer Rückkehr in ihr Heimatland drohende Bestrafung wegen des unerlaubten Verlassens Bulgariens nicht als Grund im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) für begründete Furcht vor Verfolgung gewertet hat, weil eine auf Grund der Übertretung von den Aufenthalt von Staatsbürgern im Ausland regelnden gesetzlichen Bestimmungen drohende Bestrafung nicht auf die in der angeführten Gesetzesstelle aufgezählten Gründe zurückgeführt werden kann (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1993, Zl. 93/01/0816).

Soweit der Zweitbeschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz geltend gemacht hat, es wäre ihm ein Rücktransport nach Vietnam nicht ermöglicht worden, hat es die belangte Behörde zwar unterlassen, auf dieses Vorbringen gesondert einzugehen, doch kann der darin gelegene Verfahrensmangel nicht die Aufhebung des ihn betreffenden angefochtenen Bescheides bewirken, weil, selbst wenn man dieses Vorbringen dahin verstünde, daß dem Zweitbeschwerdeführer der Schutz seines Heimatlandes verweigert worden sei, wäre für den Zweitbeschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil daraus keine Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 1 Asylgesetz 1991 abgeleitet werden könnte. Somit hätte die belangte Behörde auch bei Vermeidung dieses Mangels zu keinem für den Zweitbeschwerdeführer günstigeren Bescheid gelangen können.

Bereits der Inhalt der Beschwerden läßt sohin erkennen, daß die von den Beschwerdeführern behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, weshalb die Beschwerden gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen waren.

Da somit Entscheidungen in den Beschwerdeangelegenheiten bereits vorliegen, erübrigte sich eine Entscheidung des Berichters über die Anträge der Beschwerdeführer, ihren Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993011360.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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