TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/16 93/11/0164

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Veröffentlicht am 16.12.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §45 Abs2;
KDV 1967 §30 Abs1;
KDV 1967 §30 Abs2;
KDV 1967 §31a;
KDV 1967 §35 Abs1 liti;
KDV 1967 §35 Abs5 lita;
KDV 1967 §35 Abs5;
KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §69 Abs1 litd;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des T in E, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. Juli 1993, Zl. 5/11-13/109/8-1993, betreffend Erteilung einer Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Mai 1992 auf "Verlängerung" seiner mit 23. Juli 1992 befristeten Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B gemäß § 64 Abs. 2 und § 69 Abs. 1 lit. d KFG 1967 in Verbindung mit § 30 Abs. 2 KDV 1967 abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer war bis zum 23. Juli 1992 im Besitz einer Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B. Der Grund für die - zuletzt am 5. April 1988 verfügte - Befristung war eine "hochgradige Sehschwäche". Der Amtsarzt der Erstbehörde - der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung - konstatierte beim Beschwerdeführer unter Zugrundelegung eines augenfachärztlichen Befundes mangelnde Sehschärfe und qualifizierte ihn als nicht geeignet. Im Berufungsverfahren erstattete der ärztliche Amtssachverständige der Berufungsbehörde ein weiteres Gutachten, in dem wiederum eine wesentliche Unterschreitung der erforderlichen Sehleistung (Visus rechts und links mit Korrekturbrille 0,15, binocular 0,2) festgestellt wurde. Im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fahrpraxis wurde zur Überprüfung des Ausgleiches durch erlangte Geübtheit eine Probefahrt durchgeführt. Bei dieser habe "kein eindeutig positives Ergebnis gewonnen" werden können. Vom technischen Standpunkt könne der Beschwerdeführer trotz seiner Sehschwäche ein Kraftfahrzeug lenken. Auf Grund plötzlich aufgetretener Kommunikationsprobleme mit dem Beschwerdeführer könne nicht eindeutig überprüft werden, ob die abgefragten Verkehrszeichen vom Beschwerdeführer erst im letzten Moment gesehen wurden oder ob er auf Grund von Nervosität oder anderen Beeinträchtigungen nicht gleichzeitig eine Frage beantworten und auch ein Fahrzeug lenken könne. In einer Ergänzung seines Gutachtens kam der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß der Beschwerdeführer beim Ablesen von Wegweisern und dem genauen Erkennen von Verkehrszeichen offensichtliche Schwierigkeiten hatte. Ziehe man in Betracht, daß die Sehleistung des Beschwerdeführers "nicht nur knapp unter der gesetzlichen Norm angesiedelt war, sondern deutlich darunter liegt, müssen auch bei einer Überprüfungsfahrt strengere Normen angelegt werden". Der Beschwerdeführer wurde abschließend als nicht geeignet qualifiziert. In der Folge wurde ein "verkehrspsychologisches Gutachten" eingeholt. Darin wurde er als bedingt geeignet bezeichnet; Bedingung wäre eine halbjährige Überprüfung; derzeit könne er "seine Fehlsichtigkeit leistungsmäßig und auch durch seine Persönlichkeit noch kompensieren". In einer abschließenden Stellungnahme vertrat ein anderer Amtssachverständiger die Auffassung, daß es dem Beschwerdeführer auf Grund seiner hochgradigen Fehlsichtigkeit nicht oder nur erschwert möglich sei, selbst deutliche optische Reize eindeutig wahrzunehmen. Dies sei an Hand von Verkehrszeichen festgestellt worden. Da aber auch kleinere optische Reize als Verkehrszeichen verarbeitet werden müßten (Kinder, Radfahrer), die sich nicht ruhig und in gerader Blickrichtung, sondern im Bereich des äußeren Blickfeldes befänden, könne davon ausgegangen werden, daß diese vom Beschwerdeführer nicht wahrgenommen werden. Diese mangelnde Sehleistung könne auch durch erlangte Geübtheit nicht ausgeglichen werden. Der Beschwerdeführer sei nicht geeignet, Kraftfahrzeuge jedweder Gruppe zu lenken. Diesem Gutachten schloß sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid an.

Gemäß § 64 Abs. 2 KFG 1967 darf eine Lenkerberechtigung nur einer Person erteilt werden, die u.a. zum Lenken von Kraftfahrzeugen der entsprechenden Gruppen geistig und körperlich geeignet ist. Vor der Erteilung ist gemäß § 67 Abs. 2 KFG 1967 darüber ein ärztliches Gutachten einzuholen. Das Gutachten hat bei Personen, die zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet sind, gemäß § 69 Abs. 1 lit. d KFG 1967 auf "nicht geeignet" zu lauten. Gemäß § 35 Abs. 5 KDV 1967 ist eine Person zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B geeignet, wenn sie eine Sehschärfe von mindestens 0,5 auf einem Auge und von mindestens 0,25 auf dem anderen Auge aufweist; wird diese Sehschärfe nicht erreicht, so hat zur Annahme der Eignung die Sehschärfe mit beiden Augen mindestens 0,5 zu betragen. Gemäß § 30 Abs. 2 KDV 1967 gelten Besitzer einer Lenkerberechtigung, bei denen das Gebrechen der mangelhaften Sehschärfe (§ 35 Abs. 1 lit. i) festgestellt wurde, als geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen u.a. der Gruppe B, wenn sie während der der Feststellung der Erkrankung oder des Gebrechens unmittelbar vorangehenden zwei Jahre Kraftfahrzeuge tatsächlich gelenkt haben und die Annahme gerechtfertigt ist, daß ein Ausgleich des bestehenden Mangels durch erlangte Geübtheit eingetreten ist. Der Eintritt dieses Ausgleiches und die Dauer des Vorliegens dieser Eignung ist durch ein ärztliches Gutachten festzustellen und darf nur auf höchstens fünf Jahre ausgesprochen werden.

Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme, sein Gebrechen könne durch erlangte Geübtheit nicht ausgeglichen werden. Er verweist auf seine langjährige Fahrpraxis und stellt ferner in den Vordergrund, daß er aus verkehrspsychologischer Sicht - bedingt - geeignet sei. Mit beiden Argumenten ist der Beschwerdeführer nicht im Recht. Die Fahrpraxis vermag zwar ein Indiz dafür zu sein, daß ein Ausgleich seines Gebrechens durch erlangte Geübtheit gegeben ist. Dieser Ausgleich ist aber nach dem zitierten letzten Satz des § 30 Abs. 2 KDV 1967 durch ein ärztliches Gutachten festzustellen. Dieses Gutachten ist für den Beschwerdeführer negativ ausgefallen. Der verkehrspsychologische Befund hingegen ist vom ärztlichen Gutachten zu unterscheiden. Auch wenn sich ein Proband aus verkehrspsychologischer Sicht, also unter den Gesichtspunkten der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit und der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, als geeignet erweist, kann er sich als körperlich nicht geeignet erweisen. Es liegt also auch diesbezüglich kein Widerspruch zwischen den verschiedenen sachverständigen Äußerungen vor.

Auszugehen ist vielmehr davon, daß der Beschwerdeführer in besonders hohem Maße die Mindesterfordernisse für die Sehschärfe unterschreitet. Diese objektive Gegebenheit läßt einen Ausgleich durch erlangte Geübtheit im Sinne des § 30 Abs. 2 KDV 1967 dergestalt in den Hintergrund treten, daß - im Interesse der Verkehrssicherheit - besondere Vorsicht bei der Beurteilung des Grades des in Rede stehenden Ausgleichs an den Tag zu legen ist. Wenn bei dem Beschwerdeführer bei seiner praktischen Erprobung gewisse Leistungsausfälle verzeichnet wurden, hinsichtlich derer der ärztliche Sachverständige nicht von vornherein eine eindeutige Ursache festzustellen vermag - ob diese in seinem Gebrechen und/oder in seiner Nervosität zu suchen ist -, so ist es nicht unschlüssig, die Ursache jedenfalls auch im hochgradigen Gebrechen zu erblicken. Bei dieser Konstellation kann weder der belangten Behörde noch dem ärztlichen Amtssachverständigen mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn diese von einer weiteren praktischen Erprobung zum Zweck der Beurteilung des Grades des Ausgleichs durch erlangte Geübtheit abgesehen haben, weil die Zweifelsfaktoren (die Nervosität) auch dabei nicht gänzlich auszuschalten wären und weil auch dabei nicht alle denkbaren Bewährungssituationen den Verhältnissen im Straßenverkehr entsprechend herbeigeführt bzw. simuliert werden könnten.

Die Beschwerde erweist sich als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110164.X00

Im RIS seit

12.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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