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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 10. August 1992, Zl. B 4-6/92, betreffend Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. Juni 1991 leitete das Zollamt Graz als Finanzstrafbehörde erster Instanz über den Beschwerdeführer das Finanzstrafverfahren ein, weil der Verdacht bestehe, er habe im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken mit seinem Bruder B. unter vorsätzlicher Verletzung der Anzeige-, Offenlegungs- bzw. Wahrheitspflicht in mindestens 14 Verzollungsfällen bei dem österreichischen Eintrittszollamt Walserberg-AB bzw. beim Hauptzollamt Graz durch unrichtiges Ausstellen von Ursprungszeugnissen bzw. Warenverkehrsbescheinigungen an einer Verkürzung von Eingangsabgaben in Höhe von S 102.912,-- an Zoll, S 32.930,-- an Einfuhrumsatzsteuer sowie S 300,-- an AF-Beitrag, zusammen daher S 136.142,-- insoferne beigetragen, als diese Fahrzeuge unter Festsetzung eines geringeren Eingangsabgabenbetrages, durch Anwendung des EG-Zollsatzes ausgefolgt wurden und er habe hiermit ein Finanzvergehen nach § 35 Abs. 2, auch nach § 11 FinStrG begangen. Es stehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest, daß mindestens 18 PKW vom Beschwerdeführer und seinem Bruder B.L. in den USA erworben worden seien. In der BRD seien drei PKW der Verzollung zugeführt worden, alle 18 PKW seien nach Österreich gelangt. 14 Fahrzeuge seien unter Vortäuschung der EG-Ursprungseigenschaft einem Zollverfahren zugeführt und unter Festsetzung des niedrigeren EG-Zollsatzes in den freien Verkehr abgefertigt worden. Die restlichen vier Stück seien unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht verspätet in die Zollfreizone Graz eingelagert worden.
In seinem dagegen erhobenen Rechtsmittel machte der Beschwerdeführer geltend, der Betrag von S 32.930,-- für Einfuhrumsatzsteuer und S 300,-- Ausfuhrförderungsbeitrag könne nicht verfolgt werden, da dies in Deutschland nicht strafbar sei und daher ein Verfolgungshindernis auf Grund der zwischenstaatlichen Übereinkommen bestehe. Der Beschwerdeführer habe aus dem EWG-Raum stammende PKW"s, die nach Deutschland eingeführt worden seien, nach Österreich weiter exportiert. Er habe nicht gewußt und nicht wissen können, daß in der EG hergestellte PKW"s durch den Export außerhalb der EG nicht mehr als EG-Fahrzeuge gewertet werden. Hinsichtlich der drei in Deutschland verzollten Fahrzeuge sei eine Verletzung einer Offenlegungspflicht nicht denkbar, da durch die Verzollung und Einfuhr in die BRD diese Fahrzeuge in das Zollinland der BRD verbracht worden seien, sie wurden alle in der EWG hergestellt und ihr Export nach Österreich sei zollfrei bzw. nach dem EWG-Zollsatz zu verzollen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde gegen den Einleitungsbescheid als unbegründet ab. Sie ging von folgendem gekürzt wiedergegebenen Sachverhalt aus:
Der Beschwerdeführer verkaufte mit zwei Rechnungen vom 5. Juli 1988 an die S. GesmbH in Graz drei PKW"s, die er aus den USA importiert hatte und am gleichen Tag beim Hauptzollamt München-West verzollte. In den Rechnungen erklärte er als Exporteur, daß die PKW die Voraussetzungen für die Erlangung der Ursprungseigenschaft im präferenzbegünstigten Warenverkehr erfüllen und daß das Ursprungsland der Waren die EG (Bundesrepublik Deutschland bzw. Großbritannien) sei. Die S. GesmbH beantragte am 6. Juli 1988 unter Hinweis auf die Ursprungserklärung die Verzollung beim Zollamt Graz unter Anwendung des begünstigten EG-Zollsatzes. Wegen der Aufkleber "shipping to Bremen" bzw. wegen eines kalifornischen Kennzeichens habe das Zollamt die Direktbeförderung als fraglich angesehen, sodaß die Eingangsabgaben (EUSt und AF-Beitrag, aber kein Zoll) gemäß § 200 BAO vorläufig festgesetzt wurden.
Elf Fahrzeuge verkaufte der Beschwerdeführer mit Rechnung vom 19.10.1988 an die S. GesmbH; die Rechnungen enthielten die Klausel wie oben wiedergegeben. Diese Fahrzeuge wurden am 17. bzw. 18.10.1988 über das Zollamt Walserberg nach Graz transportiert. Am 20.10.1988 beantragte die S. GesmbH beim Zollamt Graz die Verzollung unter Hinweis auf die in den Rechnungen enthaltenen Ursprungserklärungen. Das Zollamt setzte EUSt und den AF-Beitrag fest.
Für vier weitere Fahrzeuge unterfertigte der Beschuldigte die Rechnungen vom 7. Juli 1989 an die S. GesmbH, die dieselbe Erklärung wie oben enthielten. Diese Fahrzeuge wurden am 10.5.1990 beim Zollamt Graz eingelagert.
Bei sämtlichen Fahrzeugen handelt es sich um Gebrauchtwagen (Baujahre zwischen 1952 und 1979), die aus den USA zunächst nach Deutschland und in der Folge nach Österreich importiert wurden.
Rechtlich würdigte die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz diesen Sachverhalt dahingehend, daß die Voraussetzungen der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegeben seien. Voraussetzung für die Anwendung des Integrationszollsatzes nach dem Freihandelsabkommen Österreichs mit der EG sei, daß die Ware aus dem Gebiet eines Staates des Integrationsraumes DIREKT befördert worden sei (Art. 7 des dritten Protokolles des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 22. Juli 1972). Es sei unbestritten, daß sämtliche in Rede stehenden Fahrzeuge nicht direkt aus der Bundesrepublik Deutschland oder aus Großbritannien, sondern aus den USA über die Bundesrepublik Deutschland nach Österreich transportiert worden seien. Wenn gemäß § 13 Abs. 2 Integrations-Durchführungsgesetz 1988 ein Vorzugszollsatz zu Unrecht angewendet worden sei, weil ein unrichtiger Ursprungsnachweis vorgelegt worden sei oder weil das Erfordernis der direkten Beförderung nach Art. 7 der Ursprungsregeln nicht eingehalten worden seien, entstehe mit Ausfolung der Ware die Abgabenschuld kraft Gesetzes hinsichtlich des unerhoben gebliebenen Abgabenbetrages. Die Vorlage unrichter Präferenznachweise verletze im Zusammenhang mit der Einbringung von unrichtigen, mit den Präferenznachweisen korrespondierenden Warenerklärungen die zollrechtliche Erklärungspflicht (§ 52 ZollG 1988). Nicht nur der unmittelbare Täter, sondern jeder, der den anderen dazu bestimmt, die Tat auszuführen oder zu seiner Ausführung beiträgt, begehe gemäß § 11 FinStrG das Finanzvergehen. Aufgrund der unrichtigen Ursprungserklärungen auf den Rechnungen des Beschwerdeführers und der von seinem Bruder B.L. für die S. GesmbH beim Zollamt Graz vorgelegten unrichtigen Warenerklärungen sei eine Abgabenverkürzung bewirkt worden und damit der objektive Tatbestand des § 35 Abs. 2 FinStrG erfüllt worden.
Zur subjektiven Tatseite wurde ausgeführt, der Verdacht der - zumindest bedingt - vorsätzlichen Handlungsweise könne u.a. darauf gestützt werden, daß der Beschwerdeführer schon bei den drei Fahrzeugen, die er in Deutschland verzollte, von einer Eingangsabgabenpflicht für aus der EG stammende, aber aus den USA importierte Fahrzeuge in Deutschland wußte. Ein akademisch und technisch gebildeter Exportkaufmann müsse über die Voraussetzungen einer Ursprungserklärung unterrichtet sein. Er habe das Vorliegen der Voraussetzungen für die Gewährung des Integrationszollsatzes behauptet; dies hätte er nicht getan, wenn er über diese Voraussetzungen nicht informiert gewesen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Einstellung des Finanzstrafverfahrens verletzt erachtet. Es wird Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten
und die Gegenschrift der belangten Behörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz die ihr gemäß §§ 80 oder 81 zukommenden Verständigungen und Mitteilungen darauf zu prüfen, ob genügende Verdachtsgründe für die Einleitung des Finanzstrafverfahrens gegeben sind. Ergibt diese Prüfung, daß die Durchführung des Strafverfahrens nicht in die Zuständigkeit des Gerichtes fällt, so hat die Finanzstrafbehörde erster Instanz gemäß § 82 Abs. 3 erster Satz FinStrG das Strafverfahren einzuleiten. Die Einleitungsverfügung stellt einen Bescheid dar (vgl. den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 1988, Zl. B 92/88); im Spruch des Einleitungsbescheides muß das dem Beschuldigten zur Last gelegte Verhalten, das als Finanzvergehen erachtet wird, in groben Umrissen umschrieben werden, wobei aber die einzelnen Fakten nicht "bestimmt", d.h. in den für die Subsumtion relevanten Einzelheiten geschildert werden müssen. Es ist in der Begründung des Einleitungsbescheides darzulegen, von welchem Sachverhalt die Finanzstrafbehörde ausgegangen ist und welches schuldhafte Verhalten dem Beschuldigten vorgeworfen wird. Der Verdacht muß sich sowohl auf den objektiven als auch auf den subjektiven Tatbestand erstrecken (hg. Erkenntnis vom 8. Februar 1990, Zl. 89/16/0201 m.w.N).
Der vorliegende Einleitungsbescheid erfüllt die formellen Anforderungen an den Spruch hinsichtlich der genannten 14 Verzollungsfälle; dem Attribut "zumindest" kann im Zusammenhang mit der vorgenommenen Subsumtion und dem in der Begründung dargestellten Sachverhalt nur die Bedeutung beigemessen werden, daß die weiteren vier genannten Fahrzeuge von der Einleitung nicht erfaßt sind. Zur Last gelegt wird dem Beschuldigten das Finanzvergehen nach § 35 Abs. 2 FinStrG, aber nicht die durch § 35 Abs. 1 FinStrG pönalisierte Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht, die in der Begründung des Einleitungsbescheides hinsichtlich der vier im Jahre 1989 eingeführten Fahrzeuge geltend gemacht wird. Auch die belangte Behörde nahm die Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 35 Abs. 2 FinStrG zufolge der von B.L. für die S. GesmbH vorgelegten unrichtigen Anmeldungen aufgrund der unrichtigen Ursprungserklärungen auf den Rechnungen des Beschwerdeführers und der damit bewirkten Abgabenverkürzung an und brachte damit eindeutig zum Ausdruck, daß die vier im Jahr 1989 eingeführten Fahrzeuge von der Einleitung nicht erfaßt seien.
Die Lösung der Frage, ob die Erklärung des Beschwerdeführers auf den Rechnungen geeignet war, einen Beitrag (§ 11 FinStrG) dazu zu leisten, daß eine Eingangsabgabenverkürzung bewirkt wurde, hängt von der (objektiven) Richtigkeit oder Unrichtigkeit dieser Erklärung ab.
Der Beschwerdeführer gibt den Wortlaut einzelner Bestimmungen des Protokolles 3 des Abkommens zwischen der Republik Österreich und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 22. Juli 1972, wie sie zur Tatzeit (Juli bzw. Oktober 1988) gegolten haben, richtig wieder. Die Urfassung BGBl. Nr. 357/1972 wurde nämlich diesbezüglich von den Änderungen und Ergänzungen BGBl. Nr. 150/86, 243/86, 285/86, 234/87, 639/87 und 34/88 nicht erfaßt, sondern erst durch den Beschluß Nr. 1/88 des Gemischten Ausschusses EWG-Österreich, kundgemacht im BGBl. Nr. 660/1988 am 25. November 1988.
Der Beschwerdeführer gibt auch Art. 7 in seiner Beschwerde richtig wieder; allerdings fand sich das von den Behörden herangezogenen Erfordernis der Direktlieferung im Art. 5, welche Bestimmung lautete:
"Bei der Beförderung von Ursprungserzeugnissen Österreichs oder der Gemeinschaft, die eine einzige Sendung bilden, kann unter Durchfuhr durch andere Gebiete als die der Gemeinschaft und Österreichs, gegebenenfalls auch mit einer Umladung oder vorübergehenen Einlagerung in diesen Gebieten erfolgen, wenn die Durchfuhr durch diese Gebiete aus geographischen Gründen gerechtfertigt ist und die Waren im Durchfuhr- oder Einlagerungsland unter zollamtlicher Überwachung geblieben, dort nicht in den Handel oder freien Verkehr gelangt und dort gegebenenfalls nur ent- und verladen worden sind oder eine auf die Erhaltung ihres Zustandes gerichtete Behandlung erfahren haben."
Aus dieser Bestimmung ergibt sich eindeutig, daß die Ursprungseigenschaft nur erhalten bleibt, wenn die Ware nicht in den freien Verkehr gelangt. Autos, die jahrzehntelang in einem Drittland waren, können keinen der in diesem Artikel genannten Ausnahmstatbestände erfüllen, sodaß das Erfordernis der Direktlieferung nicht gegeben ist. Allein deshalb, weil der Transport aus den USA nach Österreich über ein EG-Land erfolgte, kann die Ursprungseigenschaft nicht wiederhergestellt werden.
Gemäß § 9 FinStrG wird dem Täter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei seiner Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darinliegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum hingegen unentschuldbar, so ist dem Täter Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dazu hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt (siehe etwa Erkenntnis vom 27. September 1990, Zl. 89/16/0046 m.w.N.),daß die Unkenntnis des Gesetzes nur dann als unverschuldet angesehen werden kann, wenn dem Normadressaten die kundgemachte Rechtsvorschrift (vgl. § 2 ABGB) trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid ausführlich begründet, warum sie aufgrund der besonderen persönlichen Umstände auch den Verdacht als gegeben ansah, der Beschwerdeführer hätte die Unrichtigkeit seiner Erklärungen erkannt. Schon anläßlich der Verzollung der ersten drei Fahrzeuge in München mußte ihm der Verlust der Ursprungseigenschaft bekannt sein. Auch durch die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen kann der Verdacht einer zumindest bedingt vorsätzlichen Handlungsweise des Beschwerdeführers nicht entkräftet werden.
Abermals verkennt der Beschwerdeführer, daß die Strafbarkeit im Ausland für eine Tat, die im Inland den pönalisierten Erfolg herbeigeführt hat, für die Einleitung keine Rolle spielt. Auch der Umfang dieses Erfolges wird im weiteren Verfahren zu klären sein.
Aus den dargelegten Erwägungen erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten Verhandlung war aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abzusehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 5. März 1991, BGBl. Nr. 104.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992160163.X00Im RIS seit
20.11.2000