TE Vwgh Beschluss 1993/12/16 93/06/0135

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Veröffentlicht am 16.12.1993
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Index

L10105 Stadtrecht Salzburg;
L82005 Bauordnung Salzburg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

BebauungsgrundlagenGNov Slbg 1991 Art2 §4 Abs1;
B-VG Art119a Abs5;
Statut Salzburg 1966 §75 Abs2;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/06/0148 93/06/0162

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden

1. der Stadtgemeinde Salzburg, vertreten durch den Bürgermeister

a) gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 19. Mai 1993, Zl. 1/02-33.480/3-1993, betreffend Aufhebung des Beschlusses des Gemeinderates vom 4. Mai 1993 in Handhabung des Aufsichtsrechtes (protokolliert unter Zl. 93/06/0135), und

b) gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. Juni 1993, Zl. 1/02-33.480/8-1993, betreffend Behebung des Bescheides des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 10. Mai 1993 in Handhabung des Aufsichtsrechtes (protokolliert unter Zl. 93/06/0148), sowie

2. der Y-Versicherungs AG in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. Juni 1993, Zl. 1/02-33.480/8-1993, betreffend Behebung des Bescheides des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 10. Mai 1993 in Handhabung des Aufsichtsrechtes (protokolliert unter Zl. 93/06/0162), den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerden werden für gegenstandslos erklärt und die Beschwerdeverfahren eingestellt.

Aufwandersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

1. Die zu Zl. 93/06/0162 beschwerdeführende Versicherungsanstalt beantragte beim Magistrat der Landeshauptstadt Salzburg die Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Abbruch näher bezeichneter Bestandobjekte auf den Grundstücken X1, X2 und X3 der KG Stadt Salzburg.

Mit dem für den Stadtsenat der Landeshauptstadt Salzburg ausgefertigten Bescheid vom 22. Jänner 1993 wurde aufgrund des Beschlusses des Stadtsenates vom 14. Dezember 1992, den dieser gestützt auf die Bestimmungen des Punktes 1.2.24 des Anhanges zur Gemeinderatsgeschäftsordnung anstelle des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg gefaßt hat, ausgesprochen, es werde gemäß Art. II § 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. März 1991, mit dem das Bebauungsgrundlagengesetz geändert wird und vorübergehend baurechtliche Sonderbestimmungen für die Stadt Salzburg getroffen werden, LGBl. Nr. 34/1991, nach Maßgabe der (näher bezeichneten) Bestandpläne festgestellt, daß zwei dieser Bestandsobjekte für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes oder das Stadtgefüge von Bedeutung seien.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Versicherungsanstalt Vorstellung; dieser Vorstellung wurde mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 11. März 1993 stattgegeben, der erstinstanzliche Bescheid wegen Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich eine zur hg. Zl. 93/06/0092 protokollierte Beschwerde der auch hier beschwerdeführenden Versicherungsanstalt, über die gesondert entschieden werden wird.

2. Mit dem vom Stadtsenat aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 4. Mai 1993 ausgefertigten Bescheid vom 10. Mai 1993 wurde gemäß Art. II § 4 Abs. 1 des genannten Gesetzes vom 20. März 1991, LGBl. Nr. 34/1991, hinsichtlich der zuvor genannten Bestandobjekte (im zweiten Rechtsgang auf Gemeindeebene) festgestellt, daß sie für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und des Stadtgefüges NICHT von Bedeutung seien.

2.1. Mit Bescheid vom 19. Mai 1993 hat die belangte Behörde den Beschluß des Gemeinderates vom 4. Mai 1993, der dem soeben erwähnten Bescheid zugrundeliegt gemäß § 77 Abs. 2 lit. c des Salzburger Stadtrechtes wegen Gesetzwidrigkeit aufgehoben. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 93/06/0135 protokollierte Beschwerde der Stadtgemeinde Salzburg.

2.2. Mit einem weiteren Bescheid vom 11. Juni 1993 hat die belangte Behörde den "vom Stadtsenat intimierten Bescheid des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 10. Mai 1993" ebenfalls in Handhabung des Aufsichtsrechtes wegen Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 77 Abs. 2 lit. c des Salzburger Stadtrechtes aufgehoben. Gegen diesen Bescheid richten sich die zu hg. Zl. 93/06/0148 protokollierte Beschwerde der Stadtgemeinde Salzburg sowie die zu hg. Zl. 93/06/0162 protokollierte Beschwerde der antragstellenden Versicherungsanstalt.

3. Aufgrund des vom Verwaltungsgerichtshof über die genannten Beschwerden eingeleiteten Vorverfahrens legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten, darunter auch jene des Magistrates der Landeshauptstadt Salzburg vor. Daraus ergab sich, daß mit dem vom Stadtsenat ausgefertigten Bescheid vom 23. August 1993 aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg vom 18. August 1993 gemäß Art. II § 4 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. März 1991, LGBl. Nr. 34/1991, (neuerlich) festgestellt wurde, daß die vom Antrag der beschwerdeführenden Versicherungsanstalt auf Erteilung einer Abbruchbewilligung betroffenen Bestandobjekte für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und das Stadtgefüge nicht von Bedeutung sind.

4. Der Verwaltungsgerichtshof forderte gemäß § 33 Abs. 1 VwGG die beschwerdeführenden Parteien auf, sich binnen zwei Wochen zu der Frage zu äußern, ob sie durch den zuletzt genannten Bescheid klaglos gestellt worden seien.

4.1. Die beschwerdeführende Stadt Salzburg erstattete dazu eine Äußerung, in der sie im wesentlichen die Auffassung vertritt, nicht klaglos gestellt zu sein. Gleichzeitig legte sie den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom 12. Oktober 1993 vor, mit welchem der beschwerdeführenden Versicherungsanstalt der Abbruch der genannten Objekte im wesentlichen antragsgemäß bewilligt wurde, sowie eine Niederschrift, wonach dieser Bescheid der beschwerdeführenden Versicherungsanstalt am 12. Oktober 1993 zugestellt und von dieser ein Berufungsverzicht abgegeben wurde.

4.2. Die beschwerdeführende Versicherungsanstalt teilte in ihrer Stellungnahme vom 26. November 1993 mit, daß die verfahrensgegenständlichen Baulichkeiten bereits abgebrochen würden. Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 11. Juni 1993, mit dem der Bescheid des Gemeinderates der Stadt Salzburg vom 10. Mai 1993 aufgehoben worden sei, würde die Rechtslage der beschwerdeführenden Versicherungsanstalt nicht anders gestaltet werden. Es sei aber nicht von vornherein ausgeschlossen, daß dem angefochtenen Bescheid Bindungswirkungen dahin zukommen könnten, daß auch im fortgesetzten Verfahren (das diesfalls aber bereits rechtskräftig abgeschlossen sei), die für die Aufhebung maßgeblichen rechtlichen Überlegungen der belangten Behörde, also ihre Rechtsansicht als Maßstab Verbindlichkeit besitze.

5. Entgegen der in den Äußerungen zum Ausdruck kommenden Auffassung sind sowohl die beschwerdeführende Stadtgemeinde Salzburg, als auch die beschwerdeführende Versicherungsanstalt (als Abbruchwerberin) durch den aufgrund des Beschlusses des Gemeinderates der Landeshauptstadt Salzburg vom 18. August 1993 ausgefertigten Bescheid vom 23. August 1993 klaglos gestellt worden.

Dies aus folgenden Gründen:

5.1. Gemäß Art. II § 4 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. März 1991, mit dem das Bebauungsgrundlagengesetz geändert wird und vorübergehend baurechtliche Sonderbestimmungen für die Stadt Salzburg getroffen werden, LGBl. Nr. 34, darf die gemäß § 2 Abs. 1 lit. f des Baupolizeigesetzes erforderliche Bewilligung zum Abbruch von Bauten, die für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes oder das Stadtgefüge von besonderer Bedeutung sind (charakteristische Bauten), nicht erteilt werden, wenn deren Instandhaltung allgemein wirtschaftlich vertretbar erscheint. Nicht unter das Gebot fällt ein Abbruch solcher Bauten aus Gründen der Einsturzgefahr oder der technischen Unmöglichkeit der Behebung der Baufälligkeit.

Ob ein Bau für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes oder das Stadtgefüge von Bedeutung ist, ob dessen Instandhaltung allgemein wirtschaftlich vertretbar erscheint und ob ein Grund des Abs. 1 zweiter Satz vorliegt, hat der Gemeinderat der Stadt Salzburg gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. längstens innerhalb von sechs Monaten nach vollständiger Einbringung des Ansuchens um Abbruchbewilligung festzustellen. Nach Ablauf dieser Frist kann die Abbruchbewilligung von der Baubehörde aus dem Grund des Abs. 1 erster Satz nicht mehr versagt werden. Gemäß § 4 Abs. 3 kann der Gemeinderat der Stadt Salzburg über Antrag Ausnahmen vom Verbot des Abs. 1 erster Satz durch Bescheid bewilligen, wenn der Abbruch eines Baues im Hinblick auf die zukünftige Verwendung und Gestaltung des Bauplatzes im besonderen öffentlichen Interesse gelegen ist.

5.2. Im Beschwerdefall ist - nach der Aktenlage - der Antrag auf Abbruchbewilligung am 25. Februar 1991 beim Magistrat der Stadt Salzburg von der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Versicherungsanstalt eingebracht worden.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 1991 (bei der Baubehörde einlangend) hat eine mit der Beschwerdeführerin namensgleiche Versicherungsanstalt mitgeteilt, daß sie die verfahrensgegenständlichen Liegenschaften käuflich erworben habe und nunmehr als Partei in das Verfahren eintrete.

Mit Schreiben vom 11. August 1992, eingelangt bei der Baubehörde am 12. August 1992, wurde seitens der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die mit ihr namensgleiche Versicherungsanstalt ihren gesamten Versicherungsbetrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge in die Aktiengesellschaft der Beschwerdeführerin eingebracht habe.

5.3. Es kann auf sich beruhen, wann die sechsmonatige Frist der oben genannten Gesetzesstelle im Beschwerdefall zu laufen begonnen hat (d.h. ab welchem Zeitpunkt - ungeachtet der Feststellung der strittigen Objekte als "charakteristische Bauten" - die Abbruchbewilligung unter Hinweis auf diese Eigenschaft nicht mehr versagt werden durfte), weil der aufgrund eines Beschlusses des Stadtsenates vom 14. Dezember 1992 ausgefertigte Bescheid vom 22. Jänner 1993, mit welchem ausgesprochen wurde, daß die Bestandobjekte für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes von Bedeutung seien, mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 11. März 1993 behoben wurde und mit dem zuletzt ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. August 1993 festgestellt wurde, daß diese Bauten für das charakteristische Gepräge des Stadtbildes und des Stadtgefüges NICHT von Bedeutung seien. Der vorangegangene - gleichlautende - Bescheid vom 10. Mai 1993 wurde zwar mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid behoben; den Beschwerdeführern wird jedoch durch den (den Bescheid vom 10. Mai 1993 im wesentlichen wiederholenden) Bescheid vom 23. August 1993 gerade jene Rechtsstellung zuteil, die ihnen durch den Bescheid vom 10. Mai 1993 schon einmal eingeräumt und durch den angefochtenen Bescheid genommen worden ist.

Damit käme den Beschwerdeführern auch im Falle der Aufhebung des angefochtenen Behebungsbescheides der belangten Behörde keine andere Rechtsstellung zu, als jene, über die sie schon seit dem Bescheid vom 23. August 1993 (ohnehin) verfügen.

Es kann daher die Frage unerörtert bleiben, ob sich daran in jenem Augenblick etwas ändern könnte, in dem der Bescheid vom 23. August 1993 (neuerlich) in Ausübung des Aufsichtsrechtes behoben würde (wegen der dann allenfalls möglichen Bindungswirkung des angefochtenen Bescheides) bzw. ob selbst für diesen Fall im Hinblick auf die mittlerweile rechtskräftig erteilte Abbruchbewilligung der Ausgang des Verfahrens gemäß § 4 des Gesetzes vom 20. März 1991, LGBl. Nr. 34/1991, ohne rechtliche Bedeutung wäre.

In jedem Fall stünde nämlich den Beschwerdeführern das Rechtsinstitut der Wiederaufnahme des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 5 VwGG zu Gebote.

6. Diese Überlegungen gelten auch hinsichtlich des zu Zl. 93/06/0135 protokollierten Beschwerdefalles betreffend die Aufhebung des dem Bescheid vom 10. Mai 1993 zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlusses vom 4. Mai 1993: Gemäß § 75 des Salzburger Stadtrechtes 1976, LGBl. Nr. 47, sind gesetzwidrige Beschlüsse des Gemeinderates oder der gemeinderätlichen Ausschüsse und die in ihrer Durchführung ergangenen Bescheide in Handhabung des Aufsichtsrechtes von Amts wegen durch Bescheid (ergänze: der Landesregierung) aufzuheben. Nach erfolgter Wiederholung des (zunächst) unter Berufung auf § 75 Abs. 2 des Salzburger Stadtrechtes behobenen Bescheides vom 10. Mai 1993 durch den Bescheid vom 23. August 1993 ist die Frage, ob der dem früher ergangenen - gleichlautenden - Bescheid zugrundeliegende Gemeinderatsbeschluß zu Recht aufgehoben wurde bzw. ob in jenen Fällen, in denen die Beschlußfassung des Gemeinderates (unselbständiger) Bestandteil im Verfahren zur Erlassung eines Bescheides des Gemeinderates ist, überhaupt die gesonderte Aufhebung eines solchen Beschlusses in Betracht kommt, nur mehr von akademischer Bedeutung. Dies gilt letztlich auch für die von der beschwerdeführenden Stadtgemeinde vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen dieses - weil jede Art von Gesetzwidrigkeit erfassende - weitreichende Aufsichtsmittel.

7. Wird eine Beschwerde gegenstandslos, ohne daß der angefochtene Bescheid durch einen formellen Akt beseitigt wurde, so führt dies - in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG - gleichfalls zur Einstellung des Verfahrens. In diesem Fall hat - in Ermangelung der Anwendbarkeit des § 56 VwGG - jede Partei den ihr im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erwachsenden Aufwand gemäß § 58 VwGG selbst zu tragen.

Schlagworte

Verletzung der Entscheidungspflicht durch Gemeindebehörden und Vorstellungsbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993060135.X00

Im RIS seit

14.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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