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L10017 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Tirol;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Müller, Dr. Kratschmer und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde H jun. in S und der V in K, beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. Juli 1992, Zl. IIb1-L-1025/12-1992, betreffend Straßeninteressentschaft (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
1. Die Beschwerde wird insoweit als unbegründet abgewiesen, als mit dem angefochtenen Bescheid die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Punkt lit. a) des Bescheides des Gemeinderates S vom 25. März 1987 abgewiesen wurde.
2. Hingegen wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben, soweit damit die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Punkt lit. b) des Spruches des Bescheides des Gemeinderates S vom 25. März 1987 als unbegründet abgewiesen wurde.
3. Das Land Tirol hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.5OO,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer, H (senior), wurde mit Bescheid des Gemeinderates S vom 23. Juli 1981 mit
4,14 Beitragsanteilen in eine bereits bestehende Weggemeinschaft einbezogen (Lfd. Nr. 24 im Punkt 1.) des Spruches). Mit dem Bescheid vom 25. März 1987 hat der Gemeinderat Steeg wie folgt entschieden:
"a) Die Beitragspflicht für den öffentlichen Interessentschaftsweg B der Miteigentümer der Liegenschaft in EZl. 490/II, MH, geb. S, V, geb. H und H jun. werden mit 4,14 Beitragsanteilen festgelegt.
b) Gleichzeitig wird entschieden, daß für die oben angeführten Eigentümer eine Beitragsleistung für die Jahre 1983, 1984, 1985 und 1986 in Höhe S 48.633,42 besteht.
Dieser Betrag ist binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Bescheides mittels beiliegendem Erlagschein einzuzahlen."
Begründet wurde dies damit, daß "in früheren Verfahren" der Beitrag für die Liegenschaft EZ 490/II dem nunmehr verstorbenen
H (4,14 Beitragsanteile) vorgeschrieben worden sei. Durch dessen Tod sei jedoch dessen Hälfteanteil auf H jun. sowie V, geborene H (das sind die nunmehrigen Beschwerdeführer) übergegangen. Deshalb sei seit diesem Zeitpunkt die Beitragspflicht auf die bisherige Hälfteeigentümerin MH, geborene S, sowie H jun. und V übergegangen. Der nunmehr aushaftende Betrag dieser drei Grundeigentümer belaufe sich auf
S 48.633,42. Dieser Betrag setze sich wie folgt zusammen:
"1. Rate fällig am 30.05.1983 S 24.426,--
9,5 % Zins (bis 31.3.1987) S 8.895,13
2. Rate fällig am 30.05.1984 S 4.347,--
9,5 % Zins (bis 31.3.1987) S 1.170,06
3. Rate fällig am 30.05.1985 S 4.347,--
9,5 % Zins (bis 31.3.1987) S 757,10
4. Rate fällig 30.05.1986 S 4.347,--
9,5 % Zins (bis 31.3.1987) S 344,13
GESAMTFÄLLIGKEIT zum 31.03.1987: S 48.633,42"
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Damit stehe die Beitragspflicht für die drei
Grundeigentümer eindeutig fest. Neben der diesbezüglichen
Feststellung im Sinne des § 48 Abs. 1 lit. b (zu ergänzen: des
Tiroler Straßengesetzes vom 28. September 1950 in der Fassung
LGBl. Nr. 10/1970) sei auch das Ausmaß des ausständigen
Beitrages festzulegen gewesen.
Mit Bescheid vom 18. Mai 1987 hat die belangte Behörde der Vorstellung der MH gegen diesen Bescheid vom 25. März 1987 teilweise Folge gegeben und ihn hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Beitragsleistung mit "S 49.633,42" (richtig wohl: S 48.633,42) aufgehoben. Soweit für dieses Beschwerdeverfahren erheblich, wurde begründend ausgeführt, daß im Bescheid vom 23. Juli 1981 MH als Hälfteeigentümerin der beitragspflichtigen Liegenschaften übersehen und ihr Ehegatte (H sen.) allein als Beitragspflichtiger einbezogen worden sei. Dieser Fehler sei nunmehr mit dem angefochtenen Bescheid (vom 25. März 1987) behoben und es seien die nunmehrigen Eigentümer mit den auf sie entfallenden Beitragsanteilen verpflichtet worden. Da in diesem Verfahren eine Mangelhaftigkeit nicht erblickt werden könne, sei sowohl die Einbeziehung als Weginteressent als auch die Festsetzung der 4,14 Beitragsanteile zu bestätigen. Hinsichtlich der zahlenmäßigen Festsetzung sei jedoch die Vorstellungswerberin in ihren Rechten insoweit verletzt worden, als sich aus dem Bescheid die Grundlagen der Beitragsberechnungen nicht ergäben. Den Akten sei auch nicht zu entnehmen, daß MH zur Einsicht in die Berechnungsgrundlagen aufgefordert worden sei.
Der Aktenlage zufolge ging der Gemeinderat davon aus, daß der Bescheid vom 25. März 1987 hinsichtlich der Beschwerdeführer unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei.
Am 21. Februar 1992 langte beim Gemeinderat die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 25. März 1987 ein. Darin brachten die Beschwerdeführer vor, daß ihre Vorstellung deshalb rechtzeitig sei, weil ihnen der Bescheid des Gemeinderates vom 25. März 1987 nicht wirksam zugestellt worden sei (wird näher ausgeführt); hilfsweise begehrte H jun. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Vorstellung. Im Bescheid vom 23. Juli 1981, auf dem der Bescheid vom 25. März 1987 fuße, seien die Beitragsanteile mit 4,14 % viel zu hoch angenommen worden. Die Beschwerdeführer seien nur jeweils ideelle Miteigentümer von einem Viertel des gegenständlichen Grundbuchskörpers, weshalb ihnen daher auch nur eine Beitragspflicht von je einem Viertel für diese Liegenschaft auferlegt werden könne. Eine Solidarhaftung sei nicht gegeben.
Darüberhinaus ergäben sich aus dem erstinstanzlichen Bescheid keinerlei Grundlagen der Beitragsberechnung. Die Höhe des Beitrages sei mit S 48.633,42 ohne nähere Begründung erfolgt. Eine objektive Überprüfung der vorgeschriebenen Beitragsleistung sei somit nicht möglich. Zudem seien mit Sicherheit die umfangreichen Arbeitsleistungen ihres Rechtsvorgängers bei Errichtung und Erhaltung des Interessentenweges nicht berücksichtigt worden. Diese Leistungen überstiegen die Quote von 4,14 Beitragsanteilen bei weitem und müßten somit eine Minderung des Entgelts zum leistenden Erhaltungsbeitrages bewirken. Beantragt wurde, den erstinstanzlichen Bescheid (gemeint: ersatzlos) zu beheben, hilfsweise, zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an die erstinstanzliche Behörde zurückzuverweisen.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Vorstellung abgewiesen, ohne auf die Frage ihrer Rechtzeitigkeit einzugehen. Sie führte aus, daß eine Verletzung der Beschwerdeführer in ihren Rechten durch den bekämpften Bescheid vom 25. März 1987 nicht erfolgt sei, weil eine Änderung der Beitragsquote nicht eingetreten und eine falsche Berechnung nicht geltend gemacht worden sei. Eine Änderung des Beitragsanteiles könne nur durch einen diesbezüglichen Antrag auf neue Festsetzung erfolgen (verwiesen wird auf § 22 Abs. 5 TStG 1989).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Die belangte Behörde hat ihre Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Darin wird vorgebracht, daß die behaupteten Zustellmängel nicht vorlägen, weshalb es sich erübrige, auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführer einzugehen.
Die Beschwerdeführer haben zu dieser Gegenschrift eine Gegenäußerung eingebracht: die Zustellmängel lägen sehr wohl vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wenngleich es richtig ist, daß verspätete Vorstellungen zurückzuweisen und nicht meritorisch zu behandeln sind (§ 66 Abs. 4 AVG) und eine solche Vorgangsweise objektiv rechtswidrig ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1992, Zl. 90/04/0278), wären die Beschwerdeführer (unter der Annahme, daß ihr Rechtsmittel verspätet erhoben wurde) hier nicht schon dadurch in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, daß die belangte Behörde zu Unrecht die Vorstellung ab- statt zurückgewiesen hätte.
Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates vom 25. März 1987 galt noch das Tiroler Straßengesetz 1950, zuletzt in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 60/1985 (der eigentliche Gesetzestext in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 10/1970).
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, daß für das nachprüfende Verfahren vor der Gemeindeaufsichtsbehörde und vor dem Verwaltungsgerichtshof grundsätzlich nur jener Sachverhalt und jene Rechtslage entscheidend sein kann, die im Zeitpunkt des abschließenden Bescheides auf Gemeindeebene gegeben war (Erkenntnisse vom 24. April 1988, Zl. 87/05/0157, und vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/05/0181), weil bei der Handhabung des Aufsichtsrechtes geprüft wird, ob die Gemeindeorgane rechtmäßig gehandelt haben (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2O. Juni 1991, Zl. 90/06/0162). Weder die Übergangsbestimmungen des Tiroler Straßengesetzes 1988 noch die bei Gstöttner, Tiroler Straßengesetz (1989) wiedergegebenenen Gesetzesmaterialien gebieten die Wertung, daß hier abweichend von diesen Grundsätzen die zur Zeit der Entscheidung der Aufsichtsbehörde bestehende Rechtslage maßgebend sei.
Sofern die Beschwerdeführer geltend machen, daß bereits der Bescheid vom 23. Juli 1981 die Beitragspflicht mit 4,14 % zu hoch festgesetzt hätte, ist ihnen entgegenzuhalten, daß nicht jener Bescheid, sondern nur der Bescheid vom 25. März 1987 Gegenstand des Vorstellungsverfahrens ist. Mit letzterem Bescheid wurde auch nicht über den Umfang der Beitragspflicht in Bezug auf die EZ 490/II abgesprochen, sondern vielmehr der Rechtsnachfolge nach dem verstorbenen H sen., wie auch dem Umstand Rechnung getragen, daß die Liegenschaft auch im Miteigentum von MH stand (zur Rechtsnachfolge siehe § 46 Abs. 3 des Tiroler Straßengesetzes 1950, wie nunmehr die Bestimmungen des § 24 des Tiroler Straßengesetzes LGBl. Nr. 13/1989. Ging es bei richtigem Verständnis des Bescheides vom 25. März 1987 somit nicht um eine Änderung des Ausmaßes der Beitragspflicht von 4,14 Anteilen (die ursprünglich H sen. alleine, traf und nun MH und beide Beschwerdeführer treffen sollte), gehen die Einwände der Beschwerdeführer, das Ausmaß von 4,14 Anteilen (für diese drei Personen) sei überhöht, ins Leere, weshalb die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum die Vorstellung abgewiesen hat, soweit sie sich gegen den Punkt a) des Spruches des Bescheides des Gemeinderates gerichtet hat.
Damit kann auch insofern eine Prüfung der strittigen Frage der Rechtszeitigkeit der Vorstellung dahingestellt bleiben.
Der Beschwerde kommt hingegen Berechtigung zu, soweit damit auch die Beitragspflicht (Punkt b) des Spruches des Bescheides des Gemeinderates) bekämpft wird, weil im Hinblick auf die wiedergegebenen Ausführungen in der Vorstellung die Wertung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten eine falsche Berechnung nicht geltendgemacht, unzutreffend ist. Von dieser unrichtigen Wertung ausgehend, hat es die belangte Behörde unterlassen, sich mit dem diesbezüglichen Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Vorstellung zu befassen, weshalb der angefochtene Bescheid insofern wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war. Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde insbesondere auch die Rechtzeitigkeit der Vorstellung zu prüfen (und sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer zu befassen) haben.
Der Ausspruch über den Aufwendersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
Schlagworte
Verhältnis zu anderen Materien und Normen Gemeinderecht VorstellungInhalt der Vorstellungsentscheidung Aufgaben und Befugnisse der VorstellungsbehördeMaßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage RechtsquellenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1992060179.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
02.07.2015