TE Vwgh Erkenntnis 1993/12/16 93/11/0153

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Veröffentlicht am 16.12.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
21/01 Handelsrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §37;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
HGB §17;
VStG §9 Abs1;
VwGG §26 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in L, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 13. Juli 1993, Zl. UVS 30.13-194/93-15, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 13. Juli 1992 wurde der Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der F-Gesellschaft m.b.H. (in der Folge "GmbH") gemäß § 9 VStG schuldig erkannt, insgesamt

18 Übertretungen nach dem Arbeitszeitgesetz begangen zu haben. Über ihn wurden 18 Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen dieses Straferkenntnis wurde eine mit 15. Oktober 1992 datierte Berufung erhoben. Dies erfolgte unter Benützung von Briefpapier mit Aufdrucken der GmbH. Die Berufung ist in der "Wir-Form" abgefaßt. Sie schließt mit dem Satz "Mit der Bitte um Berücksichtigung unseres Anliegens zeichnen wir und ersuchen die Straferkenntnis an F jun., Prokurist, auszustellen. Hr. F jun. ist für die Kontrolle der Arbeitszeiten zuständig." und ist mit einer unleserlichen Unterschrift über dem Firmenstempel der GmbH mit dem maschinschriftlichen Zusatz "p.Pa." gezeichnet (vergleicht man die Unterschrift mit den im Verwaltungsstrafakt aufscheinenden Unterschriften, so gleicht sie der des für den Beschwerdeführer - seinen Vater - im erstinstanzlichen Verfahren eingeschrittenen F jun.).

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung vom 15. Oktober 1992 der GmbH zugerechnet und als unzulässig zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist an die GmbH adressiert und wurde ihr zugestellt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer ist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den ihm nicht zugestellten angefochtenen Bescheid berechtigt, weil dieser Bescheid die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 13. Juli 1992 der GmbH und nicht dem Beschwerdeführer zurechnet und der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Der angefochtene Bescheid ist durch die Zustellung an die GmbH rechtlich existent geworden. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit in Ansehung des ihm nicht zugestellten angefochtenen Bescheides ergibt sich daraus, daß die Bestrafung des Beschwerdeführers infolge der Zurechnung der Berufung an die GmbH rechtskräftig geworden ist. Gemäß § 26 Abs. 2 VwGG durfte der Beschwerdeführer daher Beschwerde erheben (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11.625/A).

Im zitierten Erkenntnis vom 19. Dezember 1984 hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgeführt, daß die Behörde bei Zweifeln, wem eine Berufung zuzurechnen ist, dies gemäß § 37 AVG unter Mitwirkung der Parteien zu klären hat. Solches ist von seiten der belangten Behörde im Berufungsverfahren - wenngleich unter der verfehlten Berufung auf § 13 Abs. 3 AVG - mit der an den Beschwerdeführer gerichteten Erledigung vom 9. Februar 1993 auch geschehen. Der Beschwerdeführer hat daraufhin mit Schreiben vom 25. Februar 1993 bekanntgegeben, daß er in dieser Verwaltungsstrafsache seinen Sohn bevollmächtigt habe, die Berufung gegen das Straferkenntnis vom 13. Juli 1992 für ihn einzubringen.

Der belangten Behörde ist zwar insoweit zuzustimmen, als die Berufung das äußere Erscheinungsbild eines Schreibens der GmbH aufweist. Diese primäre Beurteilung wird durch die Verwendung des Briefpapiers der GmbH, die Anbringung eines Firmenstempels bei der Unterfertigung des Schreibens, den maschinschriftlichen Zusatz "p.Pa." bei der Unterschrift und die "Wir-Form" der Textierung bestimmt. Darauf kommt es aber nicht allein an. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß sich die Berufung auf das an den Beschwerdeführer gerichtete Straferkenntnis bezieht und daß die darin dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen seine Tätigkeit im Rahmen der GmbH betreffen. Zu bedenken ist auch, daß sich der Inhalt der Berufungsausführungen z.T. darauf bezieht, daß der Beschwerdeführer für die Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen nicht verantwortlich sei, ferner daß sein Sohn im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren zweimal als Vertreter des Beschwerdeführers im Sinne des § 10 Abs. 4 AVG ohne ausdrückliche Vollmacht eingeschritten ist und von der Behörde zugelassen wurde. Eine Parteistellung der GmbH in einem gegen den Beschwerdeführer geführten Verwaltungsstrafverfahren kommt nicht in Betracht. Schließlich ist Rechtsmitteln im Zweifel eine Deutung zu geben, die dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzbedürfnis soweit wie möglich entgegen kommt.

Die Zweifel der belangten Behörde, die sie zunächst in ihrer Erledigung vom 9. Februar 1993 dem Beschwerdeführer gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, waren daher berechtigt. Nun hat der Beschwerdeführer aber in seiner Antwort vom 25. Februar 1993 vorgebracht, er habe seinen Sohn zur Einbringung der Berufung bevollmächtigt. Die Berufung ist offensichtlich von diesem unterfertigt. Dieser war - wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides betont - im Zeitpunkt der Verfassung der Berufung Geschäftsführer der GmbH.

Dazu kommt, daß die in der Erledigung vom 9. Februar 1993 an den Beschwerdeführer gerichtete Aufforderung, das im Fehlen einer Vollmacht erblickte Formgebrechen zu beheben, sich rechtmäßiger Weise nur auf eine Vollmacht für den Sohn beziehen konnte, weil eine Bevollmächtigung der GmbH von vornherein unzulässig gewesen wäre, kann als Vertreter im Verwaltungs(straf)verfahren gemäß § 10 Abs. 1 AVG doch nur eine eigenberechtigte, und damit eine physische Person einschreiten. Im Antwortschreiben vom 25. Februar 1993 wird die Erteilung einer solchen Vollmacht auch geltend gemacht.

Bei diesem Verfahrensstand entsprach es nicht dem Gesetz, die Berufung der GmbH zuzurechnen und zurückzuweisen. Der angefochtene Bescheid ist mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Vertretungsbefugter juristische PersonSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle WahrheitMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtVoraussetzungen des Berufungsrechtes Berufungslegitimation Person des BerufungswerbersSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des ParteiwillensBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des BescheidadressatenIndividuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2Vertretungsbefugter physische Person Eigenberechtigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110153.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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