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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. G in W, dieser vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Niederösterreich vom 26. April 1993, Zl. IIIe-6702 B/984 141, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte am 18. Februar 1993 beim Arbeitsamt Tulln den Antrag auf Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den polnischen Staatsangehörigen C.C. als Hilfsarbeiter für Gartenarbeiten (keine speziellen Kenntnisse erforderlich). Der monatliche Bruttolohn sollte S 8.500,-- betragen.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 14. Juni 1993 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet; darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In seiner dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er führe einen kleinen, aber durchaus lebensfähigen Gewerbebetrieb. Ein langjähriges Wirbelsäulenleiden mache es ihm zunehmend schwieriger, die Arbeiten, besonders die häufig anfallenden körperlich sehr anstrengenden, auszuüben. Sein dzt. einziger Arbeiter (der Vater des beantragten Ausländers) könne diese Arbeiten oft nur mit Hilfe einer zweiten Person durchführen. Der sicher "kräftige und arbeitsame" C.C. würde sich dafür anbieten. Sollte die Beschäftigungsbewilligung verweigert werden, könne es bald sein, daß er seinen kleinen Betrieb schließen müsse. Dadurch könnten er und sein dzt. einziger Arbeiter zu Sozialfällen werden, sodaß seiner Ansicht nach, öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des C.C. erforderten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 29. April 1993 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 des AuslBG, BGBl. Nr. 218/1975 in der geltenden Fassung, keine Folge. In der Begründung wies die belangte Behörde darauf hin, daß das Arbeitsamt den Antrag wegen der überschrittenen Landeshöchstzahl im wesentlichen mit der Begründung abgelehnt habe, daß keiner der wichtigen Gründe gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG vorliege. Ein subjektiv empfundener Arbeitskräftemangel rechtfertige noch nicht die Beschäftigung eines Ausländers. Diese werde erst vertretbar, wenn sie im Einklang mit § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG stehe. Die für das Bundesland Niederösterreich vereinbarte Landeshöchstzahl sei seit Jänner 1993 überschritten. In diesem Fall dürften Beschäftigungsbewilligungen nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1, 3 und 6 AuslBG erteilt werden. Im Verfahren erster Instanz habe der Unterausschuß des Vermittlungsausschusses keine einhellige Befürwortung des Antrages gemäß § 4 Abs. 6 Z. 1 AuslBG ausgesprochen. Öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG könnten nur dann angenommen werden, wenn beispielsweise spezialisiertes Fachpersonal für Aufgaben bzw. Vorhaben unbedingt beschäftigt werden müsse, die für das gesamte Bundesgebiet oder weite Landesteile von erheblicher Bedeutung seien. Einzelbetriebliche Interessen könnten unter diesem Tatbestand nicht berücksichtigt werden. Im gegenständlichen Fall seien keine Tatsachen erkennbar, die im Sinne der gesamtwirtschaftlichen und öffentlichen Interessen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung unter Beachtung der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 und Abs. 6 Z. 3 AuslBG rechtfertigen könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe rechtfertigt die Abweisung der Beschwerde, deren Ausführungen sich im wesentlichen auf die Bekämpfung der Abweisung des Antrages unter dem Gesichtspunkt des § 4 Abs. 6 AuslBG richten.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahl (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß die Landeshöchstzahl überschritten ist und daß der Vermittlungsausschuß der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht zugestimmt hat. Die beschwerdeführende Partei hat diese Annahme der Anspruchsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG nicht bestritten. Mit Rücksicht darauf wäre es an ihr gelegen gewesen, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG hätten maßgebend sein können (vgl. dazu das Erkennntnis des Verwaltungsgerichtshof vom 18. Februar 1993, 92/09/0302, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Damit ein "besonders wichtiger Grund" im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 2 AuslBG vorliegt bzw. das öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interesse die Beschäftigung des Ausländers erfordert (§ 4 Abs. 6 Z. 3 leg. cit.), muß nach der ständigen hg. Rechtsprechung ein QUALFIIZIERTES Interesse bestehen, das über das betriebsbezogene wirtschaftliche Interesse des Arbeitgebers an der Befriedigung eines dringenden Arbeitskräftebedarfs hinausgeht (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 20. Oktober 1988, Slg. Nr. 12.789/A, vom 18. März 1993, 92/09/0243 und vom 21. Oktober 1993, 93/09/0407). Dem vorgetragenen Anliegen hinsichtlich einer möglichen Existenzgefährdung des - kleinen - Betriebes kommt keinesfalls die Bedeutung öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen im Sinne des § 4 Abs. 6 Z. 3 AuslBG zu (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, 92/09/0302, und vom 2. September 1993, 93/09/0156). Durch den bloßen Hinweis auf die infolge des Arbeitskräftemangels drohende Gefährdung von Arbeitsplätzen hat der Beschwerdeführer auch nicht dargetan, daß dem als Hilfskraft beantragten C.C. die Bedeutung einer Schlüsselkraft zur Erhaltung dieser Arbeitsplätze zukäme (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 18. Februar 1993). Außerdem wäre im Beschwerdefall - neben dem "Arbeitsplatz" des Betriebsinhabers - nur ein Arbeitsplatz eines ausländischen Arbeitnehmers betroffen, sodaß von einer Erhaltung von Arbeitsplätzen INLÄNDISCHER ARBEITNEHMER im Sinne § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a AuslBG ohnedies nicht gesprochen werden kann. Die Beschwerde bringt nicht vor, was die belangte Behörde über die behaupteten Folgen der Nichterteilung der Beschäftigungsbewilligung hinaus hätte erheben können, sodaß die in diesem Zusammenhang vorgebrachte Verfahrensrüge ins Leere geht.
Konnte die belangte Behörde die Versagung der Beschäftigungsbewilligung für C.C. zu Recht auf § 4 Abs. 6 AuslBG stützen, dann hatte dies zur Abweisung der Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG zu führen, ohne daß auf das Vorliegen des § 4 Abs. 1 AuslBG näher einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I lit. B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993090273.X00Im RIS seit
20.11.2000