TE Vfgh Erkenntnis 2007/2/27 B509/06

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Veröffentlicht am 27.02.2007
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
Krnt GVG 2002

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richterdurch Zurückweisung des Antrags auf grundverkehrsbehördlicheGenehmigung eines Liegenschaftserwerbs infolge unrichtigerVorfragenbeurteilung des Zustandekommens eines rechtswirksamenKaufvertrages

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Kärnten ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.340,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Eingabe vom 5. Juli 2005 stellte der Beschwerdeführer bei der Grundverkehrskommission II am Sitze der Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau den Antrag, den Kaufvertrag vom 1. April 2005 über den Erwerb der Liegenschaften GST-NRn. 993/1, 978/5, 977 und 976, alle KG Berg, nach Abschnitt 3 des Kärntner Grundverkehrsgesetzes 1994 (richtig: Kärntner Grundverkehrsgesetz 2002) zu genehmigen und zu bestätigen, dass das Rechtsgeschäft keiner Genehmigung nach Abschnitt 4 und 5 dieses Gesetzes bedarf. Der Beschwerdeführer legte die Vertragsurkunde vor und wies darauf hin, dass diese, trotz der Bezeichnung "Vorvertrag", als rechtswirksamer Kaufvertrag einzuordnen sei.

1.1. Seitens der Grundverkehrskommission wurde mit Bescheid vom 18. Oktober 2005 dem "erst abzuschließenden Kaufvertrag" die Genehmigung erteilt.

1.2. Gegen diesen Bescheid erhob sowohl der Beschwerdeführer als auch die nunmehr mitbeteiligte Partei (Verkäufer) Berufung an die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Kärntner Landesregierung.

1.3. Mit Bescheid der Grundverkehrslandeskommission vom 13. Jänner 2006 wurde der angefochtene Bescheid dahin abgeändert, dass der ursprüngliche Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Juli 2005 auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des zwischen ihm und der mitbeteiligten Partei abgeschlossenen Kaufvertrages, als unzulässig zurückgewiesen wurde.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs behauptet und die (kostenpflichtige) Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers zu Folge sei über die Frage des Vorliegens eines rechtsgültigen Kaufvertrages bereits durch die ordentlichen Gerichte entschieden worden. So habe das Landesgericht Klagenfurt im Beschluss vom 10. Juni 2005 betreffend die beantragte einstweilige Verfügung ausgeführt: "Es liegt somit ein rechtswirksam zustande gekommener Kaufvertrag vor, der lediglich noch in verbücherungsfähige Form zu bringen gewesen wäre." An diese Entscheidung sei die belangte Behörde gebunden gewesen, weshalb sie diese Frage nicht mehr selbständig als Vorfrage hätte beurteilen dürfen.

Außerdem sei der bekämpfte Bescheid mit Willkür belastet, da die belangte Behörde zu entscheidenden Punkten jede Ermittlungstätigkeit unterlassen und darüber hinaus die maßgebliche Rechtslage grob verkannt habe.

3. Die Grundverkehrslandeskommission beim Amt der Kärntner Landesregierung erstattete eine Gegenschrift, in der das Beschwerdevorbringen bestritten und die Abweisung der Beschwerde beantragt wird. Gleichzeitig wurden die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt.

Die belangte Behörde weist im Wesentlichen darauf hin, dass mit den vom Beschwerdeführer angesprochenen Gerichtsentscheidungen nicht abschließend über die Frage des Vorliegens eines Kaufvertrages, sondern lediglich über die Frage der Ausübung der (zugunsten Dritter) angemerkten Rangordnung in Form einer einstweiligen Verfügung abgesprochen worden sei. Dieser Umstand werde in der Beschwerde auch implizit eingestanden.

Abgesehen davon sei im Hinblick darauf, dass im gegenständlichen Verfahren die Beurteilung einer Rechtsfrage (rechtliche Qualität der vorliegenden Vertragsurkunde) im Vordergrund gestanden habe, die behauptete Mangelhaftigkeit des Ermittlungsverfahrens nicht nachvollziehbar. Da jedoch gewichtige Anhaltspunkte für die Qualifizierung des in Rede stehenden Rechtsgeschäftes als Vorvertrag gesprochen hätten und über diese Frage seitens der ordentlichen Gerichte - jedenfalls bis dato - nicht als Hauptfrage entschieden worden sei, habe sich die belangte Behörde zur Vorfragenbeurteilung berechtigt erachtet.

4. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Äußerung, in der das Beschwerdevorbringen bestritten, die Abweisung der Beschwerde beantragt und Ersatz der angesprochenen Kosten begehrt wird.

5. Das Landesgericht Klagenfurt hat mit Urteil vom 10. Juli 2006, 20 Cg 76/05m, die Verpflichtung der mitbeteiligten Partei auf Zuhaltung des Vorvertrag vom 1. April 2005 sowie die Verpflichtung zur Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Beschwerdeführers an den Grundstücken GST-NRn. 933/1, 978/5, 977 und 976, alle KG Berg, bejaht. Der dagegen erhobenen Berufung der mitbeteiligten Partei wurde mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 29. November 2006, 6 R 216/06s, in der Hauptsache keine Folge gegeben. Die Urteilsbegründung lautet auszugsweise wie folgt:

"[...] Nach dem festgestellten Sachverhalt haben sich die Streitteile über alle wesentlichen Vertragspunkte eines Grundstücksverkaufes geeinigt, nämlich über Kaufobjekt, Kaufpreis und die relevanten Nebenbedingungen; die erfolgte Einigung wurde vor dem Zeugen O noch mit Handschlag besiegelt und bestätigt, sodass ein mündlicher Kaufvertrag über die genannten Grundstücke zustande gekommen ist. Dass dieser zur bücherlichen Durchführung noch einer grundbuchsfähigen Vertragsurkunde bedurfte, war den Streitteilen bekannt, weshalb auch der Termin beim Notar [...] vereinbart wurde.

[...]"

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der Beschwerdeführer behauptet, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein, da die belangte Behörde die Frage, ob zwischen ihm und der mitbeteiligten Partei ein gültiger Kaufvertrag zustande gekommen sei, als Vorfrage beurteilt habe, obwohl diese Frage bereits rechtskräftig durch die ordentlichen Gerichte entschieden worden sei.

1.1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt (zB VfSlg. 15.372/1998, 15.738/2000, 16.066/2001, 16.298/2001 und 16.717/2002) oder wenn sie in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt, etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 15.482/1999, 15.858/2000, 16.079/2001 und 16.737/2002).

1.2. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lag zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides vom 13. Jänner 2006 noch keine rechtskräftige Entscheidung der Frage des Vorliegens eines gültigen Kaufvertrages vor. Vielmehr wurde diese Frage erst mit Urteil des Oberlandesgerichtes Graz vom 29. November 2006, rechtskräftig entschieden. Insofern ist nicht erkennbar, aus welchem Grund der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter dadurch verletzt sein sollte, dass die belangte Behörde diese Frage im Zuge der Erlassung des bekämpften Bescheides als Vorfrage beurteilt hat.

1.3. Allerdings hat die belangte Behörde im Hinblick auf das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt bzw. das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz die Vorfrage, ob zwischen der mitbeteiligten Partei als Verkäufer und dem Beschwerdeführer als Käufer ein rechtswirksamer Kaufvertrag zustande gekommen ist, falsch beurteilt. Auf Grundlage dieser (im Lichte der gerichtlichen Entscheidung unrichtigen) Vorfragenbeurteilung hat die belangte Behörde schließlich den Antrag des Beschwerdeführers vom 5. Juli 2005 auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung als unzulässig zurückgewiesen, anstatt über die Genehmigung des Rechtsgeschäftes in der Sache zu entscheiden. Damit hat sie zu Unrecht die Sachentscheidung verweigert.

2. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den bekämpften Bescheid in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

Aus diesem Grunde war der Bescheid aufzuheben, ohne dass geprüft werden musste, ob der Beschwerdeführer auch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden ist.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. Der zugesprochene Kostenbetrag enthält Umsatzsteuer in Höhe von € 360,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabegebühr (§17a VfGG) in Höhe von € 180,--.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht, Vorfrage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B509.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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