TE Vfgh Erkenntnis 1991/6/20 B793/89

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Veröffentlicht am 20.06.1991
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/02 Studienrecht allgemein

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
Verordnung des BMfWuF v 23.07.81 über die Studienordnung für den Studienversuch Landschaftsökologie u Landschaftsgestaltung §12
BG über technische Studienrichtungen §2 Abs1
AHStG §34 Abs1

Leitsatz

Sachliche Rechtfertigung für die nur einmalige Verleihung des Titels "Diplom-Ingenieur" trotz Absolvierung verschiedener technischer Studienrichtungen

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. In der vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde gegen den Bescheid des Universitätskollegiums der Universität für Bodenkultur Wien vom 8. Juni 1989 erachtet sich der Beschwerdeführer deshalb in seinen Rechten als verletzt, weil bei der im angefochtenen Bescheid erfolgten Abweisung seines Ansuchens um Verleihung des Diplomgrades "Diplom-Ingenieur" nach Absolvierung des Studienversuches Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung der Universität für Bodenkultur Wien rechtswidrige generelle Normen angewendet wurden. Rechtswidrig, weil gleichheitswidrig, sind nach Meinung des Beschwerdeführers §34 Abs1 Allgemeines Hochschul-Studiengesetz (AHStG), BGBl. 177/1966 idF BGBl. 2/1989, und die nach Meinung des Beschwerdeführers damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen des §2 Abs1 des Bundesgesetzes über technische Studienrichtungen, BGBl. 290/1969 idgF, sowie des §12 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 23. Juli 1981 über die Studienordnung für den Studienversuch Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung, BGBl. 382/1981 idF BGBl. 222/1987. Aufgrund dieser Vorschriften wurde dem Beschwerdeführer die - neuerliche - Verleihung des akademischen Grades "Diplom-Ingenieur", der dem Beschwerdeführer bereits am 22. November 1984 vom Fakultätskollegium der Technisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Technischen Universität Wien nach Absolvierung des Studiums der Studienrichtung Vermessungswesen verliehen worden war, vom Universitätskollegium der Universität für Bodenkultur Wien nach Absolvierung des Studiums des Studienversuches Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung an dieser Universität verweigert. Dies deshalb, weil sowohl der an der Technischen Universität Wien verliehene akademische Grad "Dipl.-Ing." als auch der an der Universität für Bodenkultur verliehene akademische Grad "Dipl.-Ing." keinen die Studienrichtung kennzeichnenden Zusatz aufweist und es sich daher um den gleichen akademischen Grad handelt, der gemäß §34 Abs1 dritter Satz AHStG nur einmal erworben werden kann, "auch wenn der Kandidat die Voraussetzungen für die Erwerbung mehrfach erfüllt hat".

Nach Meinung des Beschwerdeführers hätte der Gesetzgeber für die Absolventen der Studienrichtung Vermessungswesen einerseits, des Studienversuches Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung andererseits wegen der völligen Unterschiedlichkeit der Studien, die zudem auch an verschiedenen Universitäten studiert werden, "unterschiedliche akademische Grade (z.B. Dipl.-Ing. mit Zusatzbezeichnung) vorsehen oder aber die Regelung des §34 Abs1 dritter Satz AHStG für solche Fälle beseitigen müssen (Schaffung von Ausnahmebestimmungen, die über §34 Abs1 letzter Satz AHStG hinausgehen)". Die derzeit bestehende Rechtslage sei gleichheitswidrig, da Ungleiches dadurch gleich behandelt werde, daß an die Absolventen mehrerer Studienrichtungen (hier: Vermessungswesen und Landschaftsökologie/Landschaftsgestaltung) gleich wie an einen Absolventen einer einzigen Studienrichtung (Vermessungswesen) nur ein akademischer Grad (hier: Dipl.-Ing.) verliehen werde.

Die beiden Studien Vermessungswesen sowie Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung seien grundsätzlich verschieden und müßten sogar an zwei verschiedenen Universitäten absolviert werden. Da auch den Absolventen der Doktoratsstudien der genannten Studienrichtungen nicht der gleiche akademische Grad verliehen werde, gehe der Gesetzgeber selbst davon aus, daß es sich um unterschiedliche Studien handle.

Ein Absolvent zweier verschiedener Studienrichtungen leiste wesentlich mehr als ein Absolvent einer einzigen Studienrichtung. Obwohl akademische Grade nach den Intentionen des Gesetzgebers "als Würdigung der in den Prüfungen erwiesenen Leistungen verliehen" werden (§34 Abs1 erster Satz AHStG), werde die Mehrleistung nicht durch die Verleihung eines zweiten akademischen Grades honoriert. Die vom Beschwerdeführer im Rahmen seines Studiums der Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung abgelegten Prüfungen würden trotz der Verheißung des §34 Abs1 erster Satz AHStG durch die Regelung des §34 Abs1 dritter Satz AHStG "überhaupt nicht gewürdigt", wodurch eine wesentliche Schlechterstellung gegenüber Absolventen einer einzigen Studienrichtung eintrete, die "exzessiv und damit gleichheitswidrig" sei. Ein Doppeltitel verschaffe einen beachtlichen Wettbewerbsvorteil bei der Erwerbsbetätigung. Auch sei die Schlechterstellung durch Verweigerung eines weiteren akademischen Grades - "da gerade in Österreich dem akademischen Titel besondere Bedeutung zugemessen wird" - nicht bloß geringfügig, sondern wesentlich.

Die Gleichheitswidrigkeit der genannten Regelungen ergibt sich nach Meinung des Beschwerdeführers aber auch "beim Vergleich der Gruppe jener Absolventen zweier Studien, denen durchaus zwei akademische Grade verliehen werden, mit den Absolventen jener Doppelstudien, denen nur ein akademischer Grad verliehen wird". Zwar handle es sich bei der Verleihung von zwei akademischen Graden in der Regel um Studien, die inhaltlich verschieden seien, weshalb es gerechtfertigt sei, für jedes dieser Studien einen anderen akademischen Grad vorzusehen. Genau dies müsse aber auch für die völlig unterschiedlichen Studienrichtungen Vermessungswesen einerseits und Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung andererseits gelten. Da der Gesetzgeber dies nicht berücksichtigt habe, behandle er ohne sachliche Rechtfertigung Gleiches ungleich. Eine ähnliche gleichheitswidrige Ungleichbehandlung liege auch darin, daß es zwar gesetzlich möglich sei, nach Absolvierung des Diplomstudiums bei anschließender Absolvierung eines Doktoratsstudiums einen weiteren akademischen Grad zu erlangen, "nicht jedoch bei zusätzlicher Absolvierung eines anderen Diplomstudiums in einer technischen Studienrichtung oder einer Studienrichtung der Universität für Bodenkultur".

2. Die durch die Finanzprokuratur vertretene belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. In der Gegenschrift wird ausgeführt, daß akademische Grade nicht für jede Studienrichtung, sondern nur für größere zusammenhängende Fachgebiete verliehen werden. Die Studien an der Universität für Bodenkultur, der Montanuniversität sowie den Technischen Universitäten werden als Ingenieurstudien bezeichnet, weshalb dafür nur ein akademischer Grad, nämlich der "Dipl.-Ing.", verliehen werde. Daß es sich dabei um zusammenhängende Fachgebiete handle, sei auch daraus zu ersehen, daß dem Beschwerdeführer zahlreiche Lehrveranstaltungen als gleichwertig angerechnet worden seien. Bestritten wird, daß die Versagung der Verleihung des akademischen Grades für ein Zweitstudium im Berufsleben einen reellen Nachteil darstellt, da der Absolvent auf jeden Fall ein "Absolutorium" erhalte, durch welches die Absolvierung des gesamten Studiums lückenlos festgehalten und nach außen hin ersichtlich gemacht werde. Der Gesetzgeber handle im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes, wenn er einheitliche akademische Titel für jeweils größere zusammenhängende Studiengebiete schaffe, so daß die vom Beschwerdeführer in Zweifel gezogenen Bestimmungen weder bei isolierter Betrachtung noch in ihrem Zusammenhang als gleichheitswidrig zu erachten seien.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Da der angefochtene Bescheid von der belangten Behörde gemäß §34 Abs1 erster Satz AHStG im selbständigen Wirkungsbereich erlassen und nichts anderes bestimmt ist, ist dagegen gemäß §7 Abs1 UOG kein administrativer Instanzenzug eingerichtet. Da auch die sonstigen Voraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.

2. Sie ist jedoch in der Sache nicht begründet:

a. Gemäß §34 Abs1 AHStG werden akademische Grade aufgrund ordentlicher Studien von den akademischen Behörden im autonomen Wirkungsbereich als Würdigung der in den Prüfungen erwiesenen Leistungen verliehen. Der gleiche akademische Grad kann - ausgenommen die Verleihung eines Ehrendoktorates - nur einmal erworben werden, auch wenn der Kandidat die Voraussetzungen für die Erwerbung mehrfach erfüllt hat. Das Bundesgesetz über technische Studienrichtungen vom 10.7.1969, BGBl. Nr. 290, zuletzt in der Fassung BGBl. 374/1989, sah ebenso wie das derzeit geltende Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über technische Studienrichtungen, BGBl. Nr. 373 (jeweils in ihrem §2 Abs1) die Verleihung des akademischen Grades "Diplom-Ingenieur" an die Absolventen der Diplomstudien nach diesem Gesetz vor. Ferner ist auch gemäß §12 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung vom 23. Juli 1981 über die Studienordnung für den Studienversuch Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung, BGBl. 382/1981 idF der Verordnung BGBl. 222/1987, an die Absolventen des Studienversuches Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" zu verleihen. Daher schließt §34 Abs1 dritter Satz AHStG die - nochmalige - Verleihung des akademischen Grades "Diplom-Ingenieur" an einen Absolventen der beiden genannten Studien aus, wenn diesem der besagte akademische Grad bereits aufgrund der Absolvierung eines der beiden Studien verliehen worden ist.

b. Der Gesetzgeber (§34 Abs1 erster Satz AHStG) sieht die Verleihung akademischer Grade "als Würdigung der in den Prüfungen erwiesenen Leistungen" an. Damit hat er jedoch noch keineswegs zum Ausdruck gebracht, daß gleiche akademische Grade bei Vorliegen der Voraussetzungen dafür mehrfach verliehen werden müßten. Vielmehr erscheint es sachlich gerechtfertigt, wenn der Gesetzgeber eine mehrfache Verleihung und damit Verwendung des gleichen akademischen Grades ausgeschlossen hat. Während nämlich verschiedene akademische Grade, die bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen sowohl verliehen als auch im Zusammenhang mit dem Namen vom jeweiligen Absolventen geführt werden können, für Dritte noch einen gewissen Informationswert über absolvierte Studien aufweisen, fehlt dieser bei mehrfacher Führung des gleichen akademischen Grades. Weil ferner ein weiterer akademischer Grad gleichen Wortlauts unter Umständen (- wenn auch nicht im vorliegenden Fall -) mit minimalem zusätzlichen Studienaufwand erworben werden könnte, erscheint es auch unter dem Aspekt der "Würdigung der in den Prüfungen erwiesenen Leistungen" als gerechtfertigt, von einer mehrfachen Verleihung des gleichen akademischen Grades abzusehen.

c. Liegt es sohin im Rahmen der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers und erscheint es, wie dargestellt, an sich sachlich gerechtfertigt, absolvierte Studien, für die der gleiche akademische Grad verliehen wird, nur durch die einmalige Verleihung dieses Grades zu würdigen, so wäre ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gleichwohl dann nicht von vorneherein auszuschließen, wenn der Gesetzgeber bei der Zuordnung bestimmter akademischer Grade zu bestimmten Studiengängen dadurch unsachlich vorgeht, daß er sie ohne Berücksichtigung der Sachnähe oder Verwandtschaft bestimmter Studien oder Studienrichtungen diesen zuordnet bzw. vorenthält. Bei dieser Zuordnung wird zu beachten sein, daß sich der Gesetzgeber üblicher- und sachlicherweise vom Herkommen, also von dem traditionell mit bestimmten akademischen Graden verbundenen Informationswert über abgelegte Studien leiten läßt.

Angesichts dieser Überlegungen stößt es auf keine aus der Sache resultierenden Bedenken, daß der Gesetzgeber (und gestützt auf §13 Abs5 und 6 AHStG der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung in seiner Verordnung vom 23. Juli 1981 über die Studienordnung für den Studienversuch Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung) für die Studien an den Technischen Universitäten, an der Montanuniversität Leoben sowie für die Studien an der Universität für Bodenkultur Wien (einschließlich des Studiums der Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung), die stets unter dem Begriff der Ingenieurstudien zusammengefaßt wurden, als einheitlichen akademischen Grad den "Diplom-Ingenieur" vorgesehen hat. Während nämlich bei den an diesen Universitäten bzw. ihren Vorläufern zu erwerbenden Doktoraten von jeher (nämlich seit 1901 "Dr. der technischen Wissenschaften" an Technischen Hochschulen, seit 1906 "Dr. der Bodenkultur" an der Hochschule für Bodenkultur Wien und "Dr. der montanistischen Wissenschaften" an der Hochschule für Montanistik Leoben) besonders bezeichnete Doktorate verliehen wurden, erwarben die Absolventen aller Hochschulen technischer Richtung seit 1917 einheitlich das Recht zur Führung der Standesbezeichnung "Ingenieur". Im Zuge der Ersetzung österreichischer Studienvorschriften durch reichsdeutsche wurde ab dem Wintersemester 1938/39 an Absolventen der Hochschulen technischer Richtung der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Dies wurde auch nach 1945 beibehalten und durch die sogenannten "Technikergesetze" des Jahres 1969 (Bundesgesetz über technische Studienrichtungen, BGBl. 290/1969, Bundesgesetz über Studienrichtungen der Bodenkultur, BGBl. 292/1969, und Bundesgesetz über montanistische Studienrichtungen, BGBl. 291/1969) bestätigt.

Da aber sowohl die Entstehung als auch die herkömmliche, der Information Dritter dienende Verwendung des akademischen Grades "Diplom-Ingenieur" nicht nur mit den Absolventen einer Technischen Universität (so wie im vorliegenden Fall der Fachrichtung "Vermessungswesen"), sondern auch mit den Absolventen der Universität für Bodenkultur Wien (hier: des Studienversuches Landschaftsökologie und Landschaftsgestaltung) verbunden sind, und wenn weiters, wie dargestellt, der Gesetzgeber gute Gründe für sich in Anspruch nehmen kann, gleiche akademische Grade nicht zwei- oder mehrfach zu verleihen, so sind die angewendeten Rechtsnormen - jedenfalls aus der Sicht des vorliegenden Falles - nicht gleichheitswidrig.

d. Da der Beschwerdeführer nur die Verletzung von Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet hat, war nicht darauf einzugehen, ob die Verletzung eines anderen (verfassungsgesetzlich gewährleisteten) Rechtes vorliegt (zB VfSlg. 9607/1983, 10.981/1986).

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte vom Verfassungsgerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 gefällt werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG 1953. Ein Kostenzuspruch kam nicht in Betracht, weil es nach Lage des Falles nicht geboten war, die Finanzprokuratur in dieser studienrechtlichen Angelegenheit mit der Vertretung der belangten Behörde zu betrauen (vgl. z.B. VfSlg. 7455/1974, 9107/1981, 10.338/1985).

Schlagworte

Hochschulen, Titel (Hochschulen)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:B793.1989

Dokumentnummer

JFT_10089380_89B00793_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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