TE Vfgh Beschluss 1991/6/20 V49/91

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.06.1991
beobachten
merken

Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien §16 Abs2 idF des Beschlusses der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26.03.90

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung über die Höhe der Versorgung in der Satzung der Versorgungseinrichtung einer Rechtsanwaltskammer mangels aktueller Betroffenheit des antragstellenden Rechtsanwalts bzw unmittelbarem Wirksamwerden der bekämpften Verordnungsstelle; Festsetzung der Höhe einer Rente in der Leistungsordnung bzw durch bescheidmäßigen Abspruch

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der antragstellende Rechtsanwalt hatte schon zweimal einen auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag gestellt, §16 Abs2 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland als gesetzwidrig aufzuheben.

Sein erster Antrag war mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 28. Juni 1990, V109/89, mangels Legitimation zur Anfechtung zurückgewiesen worden, da nach Lage des Falles die geltend gemachte Betroffenheit weggefallen sei; dies deshalb, weil die bekämpfte Verordnungsstelle durch Beschluß der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. März 1990 (Anw. 1990, S 248 ff.) neu gefaßt worden sei und seither dem Rechtsbestand nicht mehr angehöre.

Sein zweiter Antrag war mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1990, V231/90, zurückgewiesen worden, weil er mit dem - nicht behebbaren - Mangel der Nichtdarlegung der gegen die angegriffene Vorschrift bestehenden Bedenken behaftet war, da er diesbezüglich nur auf den ersten Antrag verwiesen hatte.

1.2. Mit dem nunmehr vorliegenden, auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller wiederum, §16 Abs2 der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien idF des Beschlusses der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom 26. März 1990, genehmigt mit Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 6. April 1990, Zl. 16.201/8-I 6/90 (Anw. 1990, S 248 ff.) (im folgenden: Satzung), als gesetzwidrig aufzuheben.

1.3. §16 Abs2 der Satzung in der zitierten Fassung lautet nunmehr:

"(2) Hat ein Rechtsanwalt die Ausübung der Rechtsanwaltschaft unterbrochen, so ermäßigen sich seine Rentenansprüche bzw. die Ansprüche seiner Hinterbliebenen pro Jahr der Unterbrechung pro Jahr um drei von Hundert der in der Leistungsordnung festgesetzten Höhe, sofern er nicht unter Berücksichtigung der Tätigkeit nach der letzten Unterbrechung allein die Wartezeit erfüllt oder schon vor der Unterbrechung alle Voraussetzungen für den Bezug der Altersrente erbracht hat. Die Bestimmungen über die Verkürzung der Wartezeit nach §3 (2) dieser Satzung sind in diesem Falle nur anzuwenden, wenn die letzte Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte vor Vollendung seines 50. Lebensjahres erfolgt ist."

2.1. Nach eingehender Darstellung seiner bisherigen Bemühungen, insbesondere auch darauf, daß sein erster Antrag auf Feststellung seines Pensionsanspruches rechtskräftig zurückgewiesen, über seinen zweiten diesbezüglichen Antrag vom 13. März 1990 bislang nicht entschieden worden sei, verweist der Antragsteller zur Zulässigkeit des vorliegenden Antrages darauf, daß er am 4. November 1921 geboren wurde, er habe also das 68. Lebensjahr vollendet. Er sei erstmals am 15. September 1959, sohin vor Vollendung seines 50. Lebensjahres, in die Liste der Rechtsanwälte der Rechtsanwaltskammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingetragen worden. Auf Grund einer Verurteilung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10. Juli 1968 sei er mit Beschluß des Disziplinarrates vom 23. April 1969 aus der Liste der Rechtsanwälte gestrichen worden. Seine Wiedereintragung sei am 20. Oktober 1981 erfolgt. Dementsprechend sei er seit mehr als insgesamt 10 Jahren in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragen, sodaß §50 Abs2 Z2 lita erster Satz RAO entsprochen sei; überdies erfülle er auch die Voraussetzung des §50 Abs2 Z2 lita zweiter Satz RAO - "mindestens fünf Jahre ohne Unterbrechung unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles eingetragen" gewesen zu sein -, sodaß es ihm jederzeit möglich sei, durch Verzicht auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft gemäß §50 Abs2 Z2 litc RAO sämtliche Voraussetzungen für den Versorgungsanspruch gemäß §50 Abs2 Z2 RAO zu erfüllen. Nicht erfüllt würden von ihm hingegen die von der Satzung der Versorgungseinrichtung der Rechtsanwaltskammer Wien aufgestellten strengeren (verschärften) Anspruchsvoraussetzungen.

2.2. Gegen die angegriffene Regelung bestünden folgende Bedenken:

Zwischen dem Gesetz (RAO) und der Verordnung (Satzung) bestehe die Diskrepanz, daß ersteres eine Wartezeit von insgesamt zehn Jahren, letztere von zehn Jahren nach der letzten Unterbrechung vorsehe und ersteres diese Wartezeit auf fünf Jahre bei Eintragung erstmals vor Vollendung des 50. Lebensjahres reduziere, die Satzung jedoch nur für den Fall, daß die letzte Eintragung vor diesem Zeitpunkt erfolgt sei. Danach würde sich der Anspruch des Antragstellers um rund ein Drittel vermindern.

Obwohl §16 der Satzung mit "Höhe der Leistungen (Leistungsordnung)" überschrieben sei, handle es sich tatsächlich nicht um eine Festlegung der Höhe, sondern um die Festsetzung von gesetzwidrigen Anspruchsvoraussetzungen, da nach dem hiefür maßgeblichen §50 Abs2 RAO für den Leistungsanspruch eine "Eintragung durch insgesamt 10 Jahre", wovon "mindestens 5 Jahre ohne Unterbrechung unmittelbar vor Eintritt des Versorgungsfalles" liegen müßten, verlangt sei. Das Wort "insgesamt" werde durch die angegriffene Bestimmung tatsächlich eliminiert und im Ergebnis die Fünfjahresfrist des Gesetzes auf 10 Jahre ausgedehnt. Während das Gesetz lediglich verlange, daß (nur) die letzten 5 Jahre "ohne Unterbrechung" zurückgelegt werden müssen, dehne die Verordnung diese Frist (im Ergebnis) auf 10 Jahre aus. Die Überschrift des §16 verdecke diesen Regelungsinhalt, bilde also einen Etikettenschwindel.

Ferner werden im einzelnen die behaupteten Widersprüche des angegriffenen §16 Abs2 der Satzung zur RAO, insbesondere zu deren §50 dargetan.

3. Auch der vorliegende Antrag ist nicht zulässig.

3.1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 10.511/1985, 11.726/1988).

3.2. Dem Antragsteller ist zuzugestehen, daß dann seine aktuelle Betroffenheit unmittelbar durch die angegriffene Verordnungsstelle zu bejahen wäre, wenn sie jenen Sinn hätte, wie er im Antrag dargestellt wird, daß nämlich durch sie - künftige - Ansprüche aus den Fällen des Alters bzw. der Berufsunfähigkeit für den Antragsteller nicht nur hinsichtlich ihrer Höhe, sondern ihrem Grunde nach gestaltet würden.

Dieser Prämisse kann jedoch nicht beigetreten werden. Im Antrag wird nämlich - zu Recht - nicht behauptet, dem Antragsteller würde - theoretisch betrachtet - im Zeitpunkt der Antragstellung kein Versorgungsanspruch zustehen, vielmehr stößt sich der Antrag entgegen seiner diesbezüglichen Formulierung der Sache nach an der durch §16 Abs2 der Satzung im Verhältnis zum "Regelfall" geringeren Höhe der zu erwartenden Leistung.

Einerseits fehlt es aber in dieser Beziehung dem Antragsteller an der aktuellen Betroffenheit, weil diese nur für die Fälle des Verzichtes auf die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes oder des Eintritts der Berufsunfähigkeit (Familienangehörige hat der Antragsteller nicht) anzunehmen ist, deren Vorliegen aber nicht behauptet wird. Andererseits wird aber die angegriffene Regelung über die Höhe der Versorgung nicht unmittelbar durch die angegriffene Verordnungsstelle für den Antragsteller wirksam. Vielmehr bedarf es dazu sowohl der Festsetzung der Höhe der Rente in der Leistungsordnung durch die Plenarversammlung gemäß §16 Abs1 der Satzung als auch des bescheidmäßigen Abspruches über einen Antrag auf Gewährung von Leistungen aus den Versorgungseinrichtungen gemäß §54 RAO. Insoferne befindet sich der Antragsteller in keiner anderen Situation wie jeder andere, bei welchem die Voraussetzungen für die Zuerkennung höchstmöglicher Ansprüche für den Fall der Pensionierung wegen Alters bzw. wegen Berufsunfähigkeit kraft bestehenden Rechtes noch nicht erfüllt sind.

Es fehlt mithin an den Prozeßvoraussetzungen der aktuellen Betroffenheit ebenso wie daran, daß die angegriffene Verordnungsstelle für den Antragsteller unmittelbar wirksam geworden ist.

3.3. Der (Individual-)Antrag war daher als unzulässig zurückzuweisen, ohne daß es einer Prüfung der sonstigen Prozeßvoraussetzungen, insbesondere in die Richtung, ob das durch den - weiteren - Antrag des Antragstellers vom 13. März 1990 in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren einer sachlichen Erledigung des Antrages entgegensteht, bedürfte.

4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Individualantrag, Rechtsanwälte Versorgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:V49.1991

Dokumentnummer

JFT_10089380_91V00049_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten