TE Vfgh Beschluss 1991/6/26 G194/91

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag

Leitsatz

Zurückweisung eines Individualantrages auf Aufhebung von Bestimmungen im ASVG, "die zur Leistung von Versicherungsbeiträgen verpflichten und die eine Berücksichtigung der nach dem Stichtag erworbenen Beitragszeiten bei der Bemessung der Alterspension nicht ermöglichen", mangels Legitimation; Zumutbarkeit der Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges bzw. des Gerichtsweges

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Schriftsatz vom 1. April 1991 wendet sich der nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene Einschreiter (er bezieht seit 1. Jänner 1975 eine Alterspension von der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten und steht seit 1. April 1975 bei der Bestattungsanstalt des Magistrates der Stadt Wels in einem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis) gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, die ihn zur Leistung von Versicherungsbeiträgen verpflichten und die eine Berücksichtigung der nach dem 31. Dezember 1974 erworbenen Beitragszeiten bei der Bemessung der Alterspension nicht ermöglichen.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluß VfSlg. 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 B-VG setze voraus, daß durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und daß der durch Art140 Abs1 B-VG dem einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg. 10481/1985, 11684/1988).

2.2. Solche zumutbare Wege stehen dem Einschreiter zur Verfügung:

2.2.1. Was seine Beitragsverpflichtung betrifft, könnte der Antragsteller vom zuständigen Sozialversicherungsträger eine bescheidmäßige Festsetzung seiner Beitragsleistungspflicht erwirken und nach Ausschöpfung des Instanzenzuges eine Beschwerde nach Art144 B-VG erheben. Auf diesem Wege könnte er seine verfassungsrechtlichen Bedenken an den Verfassungsgerichtshof herantragen.

2.2.2. Zur Feststellung der Höhe der Alterspension sieht das ASVG ein Verfahren vor der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt (§354 iVm §367 ASVG) und im Streitfall im Wege einer sukzessiven Zuständigkeit ein Leistungsstreitverfahren (§§65 ff. ASGG) vor, in dem ein Rechtszug zum Oberlandesgericht eingerichtet ist.

Aufgrund der Bestimmungen des ASVG iVm den Bestimmungen des ASGG steht somit ein Weg offen, den der Antragsteller beschreiten könnte, um die von ihm angenommene Verfassungswidrigkeit vor einem Gericht zweiter Instanz geltend zu machen; würden die Bedenken des Antragstellers von diesem Gericht geteilt, dann könnte es einen Antrag auf Gesetzesprüfung an den Verfassungsgerichtshof richten. Dies entspricht der vom Bundesverfassungsgesetzgeber getroffenen Grundsatzentscheidung, die Initiative zur Kontrolle genereller Normen - vom Standpunkt des Betroffenen aus gesehen - zu mediatisieren, wenn die Rechtsverfolgung vor Gerichten stattfindet.

Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß ein solches Verfahren auf dem Boden der bestehenden Rechtslage nicht zu dem vom Antragsteller angestrebten Erfolg führen könnte. Denn es kommt nicht auf die materiellen Erfolgschancen des dem Antragsteller zur Verfügung stehenden Rechtsweges an, sondern darauf, daß im Zuge eines derartigen Verfahrens Gelegenheit besteht, die vom Antragsteller angenommenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gesetzesbestimmung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen.

3. Dem Antragsteller steht somit sowohl hinsichtlich seiner Beitragsverpflichtung als auch seiner Leistungsansprüche ein zumutbarer Weg offen, seine verfassungsrechtlichen Bedenken geltend zu machen.

Der Antrag war sohin wegen des Fehlens der Legitimation zu einer Antragstellung nach Art140 Abs1 B-VG zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Sozialversicherung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G194.1991

Dokumentnummer

JFT_10089374_91G00194_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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