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L7 WirtschaftsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Aufhebung eines Bescheides der Stmk LReg wegen Willkür infolge einer gehäuften Verkennung der Rechtslage betreffs Versagung einer Schischulbewilligung wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit der SchisportausübendenSpruch
Die beschwerdeführende Partei ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Steiermark ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 9. Mai 1990, Z6 - 74 Ta 1/2-1990, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der Bewilligung zur Errichtung und zum Betrieb einer Schischule im Bereich der Gemeinde Rohrmoos/Untertal und Schladming/Planai gemäß §§3, 4 und 5 ff. des Gesetzes vom 8. Juli 1969 über die Errichtung und den Betrieb von Schischulen (Steiermärkisches Schischulgesetz 1969), LGBl. Nr. 211/1969 idF der Kundmachung des Landeshauptmannes der Steiermark, LGBl. Nr. 13/1989 (im folgenden: Stmk. SchischulG), abgewiesen.
Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt:
"... Gemäß §5 Abs1 (Stmk. SchischulG) wird die Bewilligung für einen bestimmten Standort innerhalb eines bestimmten Gebietes (Schischulgebiet) erteilt. Dies bedingt jedoch, daß neben den persönlichen Voraussetzungen das Vorhandensein einer Betriebsstätte (Schischulgebiet) als Voraussetzung für die Erteilung einer Bewilligung vorhanden sein muß. Mit welcher Anzahl von Schischulen ein Schischulgebiet belastet werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen. ...
Jede Schischule nimmt einen gewissen Teil der vorhandenen Fläche eines Schischulgebietes in Beschlag, und zwar nicht im Ausmaß der Schischüler, sondern im Ausmaß der Schischulen bzw. deren Gruppen, da jede Gruppe unabhängig von der Schülerzahl eine Übungsstrecke für sich beansprucht. Eine gemeinsame Übungsstrecke für mehrere Gruppen ist meist aus Gründen des unterschiedlichen Leistungsniveaus der Schüler oder aus Gründen der Konkurrenz nicht möglich. Zusammen mit den nicht eine Schischule besuchenden Schifahrern kann es daher zu einer 'Überfüllung' eines Schischulgebietes kommen. Eine Vermehrung der Pisten und Lifte ist in der heutigen Zeit in Erkenntnis der Wichtigkeit des ökologischen Gleichgewichtes von Freiräumen im Bewilligungswege kaum noch möglich. Die Überbeanspruchung der bestehenden Schipisten zieht daher nicht nur eine Zerstörung der Umwelt nach sich, sondern bringt eine Gefahr für die körperliche Sicherheit aller in diesem Gebiet den Wintersport Ausübenden mit sich, dies unabhängig von einer nachteiligen Wirkung auf den Fremdenverkehr.
Die Gemeinde Schladming spricht sich im Anhörungsverfahren aus nachstehenden Gründen gegen eine weitere Erteilung einer Schischule aus:
Im Gemeindegebiet der Stadt Schladming sowie auch im Bereich der Nachbargemeinde Rohrmoos/Untertal bestehen derzeit schon zwei Schischulen ... Die Schaffung weiterer Schischulen würde ... die Ordnung des Schischulwesens stören. Zusätzliche wesentliche Erschließungsvorhaben, mit Ausnahme des Zusammenschlusses der bestehenden Lifte zu einer Schischaukel, sind in nächster Zeit eher nicht mehr zu erwarten, sodaß in den kommenden Jahren keine wesentlich andere Kapazität bzw. Frequenz im Wintertourismus für den Raum Schladming - Rohrmoos/Untertal zu erwarten ist.
... Weiters wird darauf hingewiesen, daß der Standort Planai sehr beschränkt, bezogen auf den Schischulbetrieb, ist. Abschließend wird bemerkt, daß sich die aufgezeigten Argumente und Bedenken der Gemeinde nicht auf eine bestimmte Person und auch nicht auf die Person des Antragstellers beziehen.
...
Der Steiermärkische Schilehrerverband hat sich in seiner Stellungnahme gegen die Erteilung einer weiteren Schischulbewilligung ausgesprochen. Diese Ablehnung wird im wesentlichen damit begründet, daß in keiner Weise die Möglichkeit gegeben ist, noch eine einigermaßen sinnvolle und vertretbare räumliche Trennung zu finden, ohne die durchaus gut funktionierende Struktur zu gefährden und allenfalls auch konkurrenzbedingte Risken hervorzurufen.
Die Behörde kam daher zur Erkenntnis, daß die Erteilung einer weiteren Schischule im beantragten Gebiet daher eine Gefährdung der körperlichen Sicherheit der Schisportausübenden durch Inanspruchnahme von vorhandenen und nicht vermehrbaren Schipisten durch weitere Schischulgruppen in einem ohnehin äußerst stark frequentierten Gebiet mit sich bringen würde und dem Sinn des Steiermärkischen Schischulgesetzes, ein geordnetes Schischulwesen zu erhalten, widerspricht."
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unverletzlichkeit des Eigentums und auf Erwerbsfreiheit geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
4.1. Zur Rechtslage:
Das Stmk. SchischulG, LGBl. Nr. 211/1969 idF LGBl. Nr. 13/1989, legt in §3 Abs1 fest, daß die Errichtung und der Betrieb einer Schischule einer Bewilligung der Landesregierung bedarf, und in Abs2, daß im Antrag auf Bewilligung der angestrebte Standort und das in Aussicht genommene Schischulgebiet anzuführen sind. Nach Abs3 und 4 ist die Bewilligung einer natürlichen Person zu erteilen, wenn der Bewerber die persönlichen Voraussetzungen des §4 erfüllt.
Unter der Überschrift "Umfang der Bewilligung" wird in §5 Abs1 sodann festgelegt:
"(1) Die Bewilligung wird für einen bestimmten Standort innerhalb eines bestimmten Gebietes (Schischulgebietes) erteilt. Das Gebiet einer Schischule umfaßt in der Regel das Gebiet einer Gemeinde; sofern es jedoch die Lage der vorhandenen Fremdenverkehrsbetriebe im vorhandenen Übungsgebiet erfordert, können Gebiete (Teilgebiete) mehrerer Gemeinden zu einem Schischulgebiet vereinigt oder aus dem Gebiet einer Gemeinde mehrere Schischulgebiete gebildet werden. Das Gebiet der Schischule ist im Bewilligungsbescheid festzusetzen. Bei Änderung der für die Festsetzung des Schischulgebietes maßgeblichen Verhältnisse (Ausbau der Fremdenverkehrsbetriebe, Bergverkehrsmittel usw.) ist eine Änderung des festgesetzten Schischulgebietes zulässig; dabei ist auf die Interessen der im Gemeindegebiet bereits bestehenden Schischulen Rücksicht zu nehmen und der Steiermärkische Schilehrerverband zu hören. ..."
Die in der Stammfassung des §3 Abs4 Stmk. SchischulG vorgesehene Bedarfsprüfung wurde mit Erkenntnis VfSlg. 11910/1988 wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf freie Erwerbsausübung aufgehoben; zu §5 Abs1 leg.cit. stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß im Hinblick auf das Gebot und die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung diese Bestimmung nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.
4.2.1. Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, der angefochtene Bescheid sei deshalb verfassungswidrig, weil er sich in materiell-rechtlicher Hinsicht auf §5 Abs1 Stmk. SchischulG und damit auf eine verfassungswidrige Regelung stütze; die Bestimmung ordne eine verfassungsrechtlich unzulässige Bedarfsprüfung an.
4.2.2. Hiezu genügt es festzuhalten, daß der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis VfSlg. 11910/1988 §5 Abs1 leg.cit. nicht als verfassungswidrig aufgehoben hat, weil die Regelung eine verfassungskonforme Auslegung erlaubt.
4.3.1. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, der Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, weil der belangten Behörde die qualifizierte Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage vorzuwerfen sei. Im Administrativverfahren sei es unterlassen worden, die Anzahl der Gästebetten und deren Auslastung zu ermitteln und für das in Rede stehende Schigebiet die Anzahl der Aufstiegshilfen und Abfahrtsmöglichkeiten zu erheben. Seit der letzten Erteilung von Schischulbewilligungen in Schladming/Rohrmoos im Jahre 1963 und in Schladming/Planai im Jahre 1978 sei es zu einer Vervielfachung der Gästebetten und der Liftanlagen gekommen. Ebensowenig habe die belangte Behörde die jeweilige Anzahl der in den beiden bestehenden Schischulen durchschnittlich beschäftigten Schilehrer erhoben und eine Relation zu den jeweiligen Gästezahlen und der Nachfrage nach Schiunterricht hergestellt. Der belangten Behörde sei aber auch ein gehäuftes Verkennen der Rechtslage vorzuwerfen, weil eine Bedachtnahme auf die Vermeidung von Gefahren für die Wintersportausübenden im Sinne besonderer Fremdenverkehrsinteressen nicht den Schutz bestehender Schischulen vor privater Konkurrenz bedeute. Die belangte Behörde komme im bekämpften Bescheid zum Ergebnis, daß die beantragte Schischule mit den beiden Standorten die Ordnung des bestehenden Schischulwesens stören würde, womit aber nicht auf Interessen an einem gut organisierten Schischulbetrieb, sondern vielmehr auf die unternehmerischen Interessen der bestehenden Schischulen Bedacht genommen werde. §5 Abs1 des Stmk. SchischulG sehe demgegenüber bei Änderungen der für die Festsetzung des Schischulgebietes maßgebenden Verhältnisse, wie Fremdenverkehrsbetriebe und Bergverkehrsmittel, eine Änderung der festgesetzten Schischulgebiete vor. Daraus lasse sich die Berechtigung und Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer (weiteren) Schischulbewilligung für den Beschwerdeführer ableiten, zumal in den beantragten Standortgemeinden seit längerem eine zunehmende Nachfrage nach einem erweiterten Schischulangebot bestehe. Der Entscheidung der belangten Behörde liege somit ein gleichheitswidriger Ermessensexzeß zugrunde. Dazu komme, daß sie in Verkennung der Realität eines zeitgerechten Schischulwesens allein auf das Erfordernis von Übungshängen für die Schischulen und deren Kursgruppen Bedacht genommen habe; schon die evidente Ausdehnung des gesamten Schigebietes in beiden Standorten widerlege die Haltbarkeit der behördlichen Überlegungen und zeige die versteckte Rücksichtnahme auf die wirtschaftlichen Interessen der bestehenden Schischulen. Der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer daher auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Erwerbsausübungsfreiheit.
4.3.2. Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht:
Der Bescheid verstößt gegen das Gleichheitsgebot.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10338/1985, 11213/1987).
Der belangten Behörde ist Willkür vorzuwerfen.
Die belangte Behörde stützt die Abweisung der begehrten Bewilligung darauf, daß die Erteilung einer weiteren Schischulbewilligung im beantragten Gebiet zu einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit der Schisportausübenden führen würde. Sie läßt damit außer acht, daß das Stmk. SchischulG keine Bestimmung enthält, auf die sie sich bei ihren Ausführungen berufen könnte. Die belangte Behörde erkennt dies offensichtlich auch selbst, weshalb sie ihre Ausführungen mit dem "Sinn des Steiermärkischen Schischulgesetzes, ein geordnetes Schischulwesen zu erhalten" begründet. Weder im angefochtenen Bescheid noch in der Gegenschrift beruft sie sich auf eine bestimmte Regelung des Stmk. SchischulG, auf die sie ihre Auffassung vertretbarerweise stützen könnte. Dem §3 des Stmk. SchischulG ist vielmehr zu entnehmen, daß die Bewilligung für den Betrieb einer Schischule zu erteilen ist, "wenn der Bewerber die persönlichen Voraussetzungen (§4) erfüllt". §5 leg.cit. enthält lediglich nähere Anordnungen für die Festlegung des Schischulgebietes und für Änderungen im Umfang desselben bei geänderten Verhältnissen, unbeschadet einer gebotenen Rücksichtnahme auf die Interessen bereits bestehender Schischulen. Regelungen, die der Hintanhaltung von Gefahren dienen, die mit der Abhaltung des Schiunterrichts und der Ausübung des Schisports verbunden sind, enthält das Stmk. SchischulG sohin derzeit nicht.
Damit ist der angefochtene Bescheid, der die Abweisung der beantragten Bewilligung ausschließlich darauf stützt, daß die Erteilung einer weiteren Schischule im beantragten Gebiet zu einer Gefährdung der körperlichen Sicherheit der Schisportausübenden führen könnte, mit einer gehäuften Verkennung der Rechtslage belastet; dies aber bedeutet Willkür.
4.4. Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers eingegangen werden mußte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; in den Kosten ist Umsatzsteuer im Betrage von S 2.500,-- enthalten.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
SchischulenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B758.1990Dokumentnummer
JFT_10089374_90B00758_00