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21/01 Handelsrecht;Norm
EStG 1972 §5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Pokorny, Dr. Karger und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Hutter, über die Beschwerde der O-GmbH & Co KG in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol (Berufungssenat I) vom 27. Juni 1989, Zl. 30.083/3-89, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sowie Gewerbesteuer für das Jahr 1985, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.870,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
An der beschwerdeführenden KG sind die B-GmbH als Komplementär und Hermann O als alleiniger Kommanditist beteiligt. Unternehmensgegenstand sind sämtliche in den Rahmen eines Reisebüros fallenden Tätigkeiten; weiters die Ausübung des Taxi- und Mietwagengewerbes sowie des Transportgewerbes. Als protokollierte Gewerbetreibende ermittelt die Beschwerdeführerin ihren Gewinn gemäß § 5 EStG 1972.
Im Jahr 1985 erwarb der Kommanditist der Beschwerdeführerin ein unbebautes Grundstück im Ausmaß von 1.988 m2 zu einem Preis von S 1,391.600,--, welches in der Folge als gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten ausgewiesen wurde. Dabei wurden die Anschaffungskosten des Grundstückes um stille Rücklagen gemäß § 12 EStG 1972 gekürzt. Beabsichtigt war, auf dem Grundstück ein Hotel zu errichten.
Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin vorgenommenen Betriebsprüfung für die Jahre 1983 bis 1985 vertrat der Prüfer die Auffassung, daß das Grundstück notwendiges Privatvermögen des Kommanditisten sei, weil nur solche Wirtschaftsgüter als gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht kämen, die mit dem Betrieb in einem gewissen objektiven Zusammenhang stünden bzw. geeignet seien, eine bestimmte Funktion im Betriebsgeschehen zu erfüllen. Diese Voraussetzungen träfen auf die Liegenschaft aus folgenden Gründen nicht zu:
1. Es sei bisher nicht gelungen eine (für den beabsichtigten Hotelbau notwendige) Änderung des Bebauungsplanes im Gemeinderat zu erreichen.
2. Im Gesellschaftsvertrag der Beschwerdeführerin sei ursprünglich die Errichtung eines Hotelbetriebes nicht als Unternehmenszweck vorgesehen gewesen; eine diesbezügliche Handelsregistereingabe sei erst am 15. Juni 1987 erfolgt.
3. Die Liegenschaft könne der Beschwerdeführerin nicht zur Nutzung überlassen werden, weil es sich um eine nicht verwertbare Wiese handle. Eine fremde KG würde dieses Grundstück nicht anmieten.
Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften, sowie Gewerbesteuer und Gewerbesteuermeßbetrag.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Ihre bisher ausgeübte Tätigkeit im Bereich des Tourismus eigne sich bestens dazu, einen Hotelbetrieb auszulasten. Aus diesem Grund sei schon seit langem beabsichtigt gewesen, ein Hotel zu errichten. Zu diesem Zweck sei das streitgegenständliche Grundstück, sowie - ebenfalls im Jahr 1985 - ein weiteres angrenzendes Grundstück erworben worden. Unmittelbar nach Zustellung des Beschlusses über die Einverleibung des Eigentumsrechtes an dem zweiten Grundstück sei mit Schreiben vom 25. April 1986 bei der Gemeinde ein Antrag auf Umwidmung beider Grundstücke gestellt worden.
Weiters seien folgende Vorbereitungshandlungen für das Projekt gesetzt worden:
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Der Schwiegersohn des Kommanditisten habe die Gastgewerbekonzessionsprüfung abgelegt, um als gewerberechtlichter Geschäftsführer fungieren zu können.
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Mit einer Bank seien konkrete Gespräche über die Finanzierungsmöglichkeiten geführt worden.
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Noch vor dem Kaufvertragsabschluß habe der Kommanditist den betriebswirtschaftlichen Beratungsdienst von Dr. E in Anspruch genommen.
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Es seien weitere Beratungen und Angebote betreffend eine Leasingfinanzierung eingeholt worden.
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Mit einem englischen Reisebüro seien Verhandlungen betreffend die künftige Auslastung des Hotels geführt worden.
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Ein Architektenbüro sei beauftragt worden, den Lageplan für das Umwidmungsansuchen sowie Planentwürfe für den Hotelbau zu verfassen.
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Es sei Kontakt mit dem Wirtschaftsförderungsinstitut der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol aufgenommen worden, um eine Betriebsberatung sowie eine Rentabilitätsberechnung für einen Antrag auf Gewährung eines ERP-Kredites durchführen zu lassen.
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Es sei ein Antrag an das zuständige Elektrizitätswerk auf Herstellung eines Elektroanschlusses gestellt worden.
Alle diese Aktivitäten sprächen für die Ernsthaftigkeit mit der das Projekt vorangetrieben werde. Im übrigen treffe es nicht zu, daß nur solche Wirtschaftsgüter gewillkürtes Betriebsvermögen sein könnten, die in einen bestimmten wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Betrieb stünden. In der Literatur werde die Auffassung vertreten, daß als gewillkürtes Betriebsvermögen solche Wirtschaftsgüter ausgewiesen werden könnten, die nicht zum notwendigen Privatvermögen zählten. Der Kaufmann habe ein diesbezügliches Dispositionsrecht.
In einer Ergänzung zur Berufung teilte die Beschwerdeführerin mit, daß der Flächenwidmungsplan von der Gemeinde mit Beschluß vom 23. Mai 1989 von "Wohnbau(aufschluß)gebiet in Mischgebiet mit der besonderen Widmung "Fremdenverkehrsgebiet", § 14 Abs. 2 lit. b, Tiroler Raumordnungsgesetz und mit der Einschränkung als Aufschlußgebiet, § 11 Abs. 4 Tiroler Raumordnungsgesetz" umgewidmet worden sei.
Einem Aktenvermerk über ein Telefongespräch des zum Berichterstatter bestellten Mitgliedes des Berufungssenates mit dem Bürgermeister der Gemeinde ist zu entnehmen, daß die Einschränkung "Aufschlußgebiet" mit Rücksicht auf Probleme mit der Zufahrt erfolgt sei. Der Kommanditist sei derzeit bemüht, von Anrainern die Abtretung von Grundstücksteilen zu erreichen, um die bestehende, nur 3,5 m breite Zufahrt verbreitern zu können. Sollten diese Verhandlungen nicht erfolgreich verlaufen, so sei dennoch mit einer Realisierung des Projektes zu rechnen, weil eine entsprechend breite Zufahrt auch von einer anderen Seite über Grundstücke, die dem Schwiegersohn des Kommanditisten gehörten, möglich sei. Wörtlich wird in dem Aktenvermerk ausgeführt: "Das Bauvorhaben scheint somit schon ziemlich konkret zu sein. ... Dem Baubeginn steht die Einschränkung "Aufschlußgebiet" nicht entgegen."
Die belangte Behörde wies die Berufung ab. Da der Umwidmungsbeschluß der Gemeinde noch der Genehmigung durch die Landesregierung bedürfe, könne mit einem Baubeginn - wenn überhaupt - frühestens im Jahr 1990 gerechnet werden. Im Zeitpunkt des Erwerbes des Grundstückes und seiner Zuführung zum Sonderbetriebsvermögen des Kommanditisten seien die Voraussetzungen für eine solche Behandlung als gewillkürtes Betriebsvermögen noch nicht gegeben gewesen, weil die beabsichtigte Bebauung "erst nach Umwidmung erfolgen kann". Der Grundstückserwerb habe somit weder in einem objektiven Zusammenhang mit dem Betrieb gestanden noch könne das Grundstück eine bestimmte Funktion im Betriebsgeschehen erfüllen. Dies sei aber erforderlich, um ein Wirtschaftsgut als gewillkürtes Betriebsvermögen behandeln zu können.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung können Gewerbetreibende, deren Firma im Handelsregister (Firmenbuch) eingetragen ist und die daher ihren Gewinn gemäß § 5 EStG 1972 ermitteln, Wirtschaftsgüter, die weder zum notwendigen Betriebsvermögen noch zum notwendigen Privatvermögen gehören, als sogenanntes gewillkürtes Betriebsvermögen in ihrer Bilanz ausweisen. Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß dies auch für das sogenannte Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters einer Personengesellschaft gilt. Auch der Gerichtshof vertritt diese Rechtsansicht, weil die Gewinnermittlungsvorschriften und damit auch die Zulässigkeit der Behandlung von Wirtschaftsgütern als gewillkürtes Betriebsvermögen bei einer Personengesellschaft gleichermaßen für den Bereich der Gesellschaft als auch für jenen ihrer Gesellschafter gilt, soweit diese über Vermögenswerte verfügen, die ihrer betrieblichen Sphäre als Gesellschafter zuzurechnen sind, aber nicht in das Gesamthandeigentum der Gesellschaft eingebracht werden (Sonderbetriebsvermögen).
Strittig ist ausschließlich, ob das vom Kommanditisten der Beschwerdeführerin erworbene Grundstück als notwendiges Privatvermögen anzusehen ist und deswegen nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen in Betracht kommt (Auffassung der belangten Behörde) oder ob der Kommanditist der Beschwerdeführerin berechtigt war, das Grundstück seinem Sonderbetriebsvermögen zuzuführen (Auffassung der Beschwerdeführerin).
Um diese Frage zu beantworten, muß zunächst geklärt werden, ob das Grundstück privaten Zwecken des Kommanditisten diente oder zu dienen bestimmt war, etwa zu Wohn-, Freizeit- oder Erholungszwecken. Derartige Feststellungen, die das Grundstück zum notwendigen Privatvermögen gemacht hätten, wurden von der belangten Behörde nicht getroffen. Auch den Verwaltungsakten ist nichts in dieser Richtung hin zu entnehmen. Es bleibt daher zu prüfen, ob das Grundstück aus anderen Gründen nicht als gewillkürtes Betriebsvermögen angesehen werden kann.
Der belangten Behörde kann in diesem Zusammenhang nur insoweit gefolgt werden, als sie die Auffassung vertritt, daß auch gewillkürtes Betriebsvermögen seiner Art nach geeignet sein muß, dem Betrieb direkt oder indirekt zu dienen. Diese wirtschaftliche Beziehung zum Betrieb ist jedoch entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde weit zu sehen. So genügt z. B. die Eignung eines Wirtschaftsgutes als Wertanlage, wenn ein betriebliches Interesse an einer fundierten Kapitalausstattung besteht. Deutlich wird diese Funktion von Wirtschaftsgütern etwa bei Banken und Versicherungsunternehmen, die in besonderem Ausmaß über Vermögenswerte verfügen müssen, um ihre betrieblichen Risken abzusichern. Aber auch Wirtschaftsgüter, die künftighin eine dem Betrieb dienende Funktion erwarten lassen, können gewillkürtes Betriebsvermögen darstellen. Dabei ist es unmaßgeblich, ob bereits in naher Zeit mit einer unmittelbaren betrieblichen Nutzung zu rechnen ist. Ein vorausblickender Unternehmer kann ohne weiteres vor die Entscheidung gestellt werden, ob er ein Grundstück, das er zur Zeit (noch) nicht benötigt, erwerben soll, um künftige Betriebserweiterungen, unter Umständen auch über den bisherigen Unternehmenszweck hinaus, zu ermöglichen. Derartige Investitionen werden regelmäßig im betrieblichen Interesse sein, obwohl das erworbene Grundstück noch längere Zeit hindurch nicht seinem beabsichtigten Zweck zugeführt wird. Mißt man den Beschwerdefall an diesen Überlegungen, so besteht nach Ansicht des Gerichtshofes kein Zweifel daran, daß der Erwerb des Grundstückes durch den Kommanditisten betrieblichen Zwecken der Beschwerdeführerin gedient hat. Die Bestrebungen des Kommanditisten, den Unternehmensgegenstand der Beschwerdeführerin auf den Betrieb eines Hotels auszudehnen, waren bereits vor dem Kauf des Grundstückes erkennbar und wurden danach zielstrebig weiterverfolgt. Dafür sprechen die zahlreichen in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen Aktivitäten, insbesondere die Bemühungen um eine Umwidmung des Grundstückes. Für die Ernsthaftigkeit dieser Bemühungen und deren Erfolgsaussichten spricht, daß die Umwidmung bereits ein Monat vor Ausfertigung des angefochtenen Bescheides vom Gemeinderat beschlossen wurde. Selbst wenn mit dem Bau des Hotels nicht kurz danach begonnen worden wäre, würde dies nichts daran ändern, daß der Erwerb des Grundstückes entgegen der letztlich unbegründet gebliebenen Auffassung der belangten Behörde offenkundig im betrieblichen Interesse der Beschwerdeführerin erfolgte. (Für die Entscheidung des Gerichtshofes unmaßgeblich ist, daß das Hotel mittlerweile bereits fast fertiggestellt wurde.)
Der angefochtene Bescheid erweist sich demnach als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991. Artikel III Abs. 2 der zitierten Verordnung war nicht anzuwenden, weil der geltend gemachte Schriftsatzaufwand unter jenem Betrag lag, der vor Inkrafttreten der Verordnung vorgesehen war. Stempelgebühren waren nur in dem Ausmaß zu ersetzen, indem sie durch Schriftsätze und Beilagen verursacht wurden, zu deren Vorlage die Beschwerdeführerin verhalten war bzw. die der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung dienten.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1989140186.X00Im RIS seit
20.11.2000