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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §435 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerde der Betriebskrankenkasse der Firma J, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei F in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 16. Juli 1993, Zl. 26.517/2-5/93, betreffend Versagung der Genehmigung einer Satzungsänderung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) hat der beschwerdeführenden Betriebskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Hauptversammlung der beschwerdeführenden Betriebskrankenkasse hat am 12. November 1992 die Neufassung der Kassensatzung in Anpassung an die Mustersatzung 1992 beschlossen, wobei unter anderem § 1 der neuen Satzung (Name, Sitz und Wirkungsbereich) in seinem Abs. 2 dahin geändert wurde, daß die Aufzählung der Unternehmen, für deren Dienstnehmer die Betriebskrankenkasse zuständig ist, dem Ergebnis verschiedener, zwischenzeitig im Unternehmen vorgenommener gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen der Umstrukturierung angepaßt wurde.
Mit einem an den Bundesminister für Arbeit und Soziales gerichteten Schreiben vom 23. November 1992 beantragte die beschwerdeführende Betriebskrankenkasse unter Übersendung mehrerer Exemplare der Neufassung der Satzung die Genehmigung derselben gemäß § 455 Abs. 1 ASVG.
Unter Einbeziehung einer während des Genehmigungsverfahrens nachgereichten Änderung übermittelte die belangte Behörde der beschwerdeführenden Betriebskrankenkasse mit Schreiben vom 27. Mai 1993 "eine mit dem Genehmigungsvermerk versehene Ausfertigung der von der Hauptversammlung der Betriebskrankenkasse ... am 12. November 1992 beschlossenen Satzung". Hinsichtlich der Genehmigung des § 1 der Satzung, die zurückgestellt worden sei, werde festgehalten, daß über die Genehmigung dieser Bestimmung erst nach Einlangen und eingehender Prüfung (der Beantwortung) von Fragen hinsichtlich des Betriebsunternehmers und des Zuständigkeitsbereiches entschieden werden könne.
Mit Bescheid vom 16. Juli 1993 versagte die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Genehmigung ihrer Satzung hinsichtlich des § 1 gemäß § 455 Abs. 1 ASVG die Genehmigung. Gestützt auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1974, Zl. 1796/73, vertrat die belangte Behörde begründend die Auffassung, daß die Betriebskrankenkassen an den jeweiligen Betriebsunternehmer gebunden seien und zwischen einer Betriebskrankenkasse und dem Betriebsunternehmer ein unauflöslicher rechtlicher Zusammenhang bestehe. Im Anlaßfall könne von einem einheitlichen Betriebsunternehmer für den gesamten Kassenbereich spätestens seit der Beendigung des Bestandes der J OHG im Jahr 1988 nicht mehr gesprochen werden und es müsse schon deshalb, weil die Kasse (nunmehr) eine Betriebskrankenkasse von acht verschiedenen Betriebsunternehmen sei und das ursprüngliche Unternehmen in seiner zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ASVG bestandenen Form nicht mehr existiere (und als Betriebsunternehmer auch keinen Rechtsnachfolger gefunden habe), dem § 1 Abs. 1 der Kassensatzung in der Fassung des Hauptversammlungsbeschlusses vom 12. November 1992 die Genehmigung gemäß § 455 Abs. 1 ASVG versagt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der die Beschwerdeführerin im wesentlichen Entwicklungszusammenhänge zwischen der usprünglichen Trägerin der Betriebskrankenkasse (einer Einzelfirma) und der nunmehrigen Konzernsituation darlegt.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 2 ASVG sind Träger einer Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz (u.a.) die Betriebskrankenkassen. Gemäß § 23 Abs. 3 ASVG bleiben als Betriebskrankenkassen die bei Wirksamkeitsbeginn dieses Bundesgesetzes für einzelne Betriebe errichteten Krankenkassen dieser Art bestehen. Die Betriebskrankenkassen sind gemäß § 26 Abs. 1 Z. 3 ASVG zur Durchführung der Krankenversicherung für Beschäftigte in Betrieben, für die sie errichtet sind und für die in den Einrichtungen der Betriebskrankenkassen zur Krankenbehandlung Beschäftigten (bzw. in weiterer Folge auch für die Pensionisten) zuständig. Organe ("Verwaltungskörper") der Versicherungsträger (und damit auch der Betriebskrankenkassen) sind gemäß § 419 Abs. 1 ASVG (u.a.) die Hauptversammlung, der Vorstand und der Überwachungsausschuß. Gemäß § 435 Abs. 1 Z. 4 ASVG obliegt der Hauptversammlung die Beschlußfassung über die Satzung und deren Änderung.
Gemäß § 453 Abs. 1 ASVG hat die Satzung aufgrund der Vorschriften dieses Bundesgesetzes, soweit dies nicht der Regelung durch die Krankenordnung überlassen ist, die Tätigkeit der Versicherungsträger zu regeln und insbesondere Bestimmungen über die Vertretung der Versicherungsträger nach außen (Z. 1), über die Form der Kundmachungen und rechtsverbindlichen Akte (Z. 2) und über die Geschäftsführung der Verwaltungskörper (Z. 3) zu enthalten.
Gemäß § 448 Abs. 1 ASVG unterliegen die Versicherungsträger und der Hauptverband samt ihren Anstalten und Einrichtungen der Aufsicht des Bundes. Gemäß § 449 Abs. 1 ASVG haben die Aufsichtsbehörden die Gebarung der Versicherungsträger dahin zu überwachen, daß Gesetz und Satzung sowie die darauf beruhenden sonstigen Rechtsvorschriften beachtet werden. Sie können ihre Aufsicht auf Fragen der Zweckmäßigkeit erstrecken; sie sollen sich in diesem Falle auf wichtige Fragen beschränken und in das Eigenleben und die Selbstverantwortung der Versicherungsträger nicht unnötig eingreifen.
Gemäß § 455 Abs. 1 ASVG bedarf die Satzung und jede ihrer Änderungen der Genehmigung des Bundesministers für soziale Verwaltung (nunmehr: des Bundesministers für Arbeit und Soziales); sie sind binnen vier Monaten nach der Genehmigung in der Fachzeitschrift "Soziale Sicherheit" zu verlautbaren.
In seinem - der belangten Behörde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht zugestellten - Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 93/08/0032, hat der Verwaltungsgerichtshof mit näherer Begründung dargelegt, daß die belangte Behörde als Aufsichtsbehörde nicht berechtigt ist, eine von der Hauptversammlung eines Sozialversicherungsträgers (formal) ordnungsgemäß beschlossene, ihr zur Genehmigung vorgelegte Satzung bzw. Satzungsänderung nur teilweise zu genehmigen oder ihr teilweise die Genehmigung zu versagen; soweit gegen einzelne Bestimmungen der Satzung bzw. der Satzungsänderung (nach Maßgabe des jeweiligen, zur Genehmigung vorgelegten Beschlusses) Bedenken der Aufsichtsbehörde bestehen, welche diese zu einer Versagung der Genehmigung berechtigen würden, so habe sich diese Versagung der Genehmigung auf den gesamten Beschluß des Verwaltungskörpers zu beziehen. Auf die nähere Begründung in diesem Erkenntnis wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Im Beschwerdefall beruht die (neue) Satzung der beschwerdeführenden Betriebskrankenkasse (abgesehen von einer während des Genehmigungsverfahrens nachgereichten Abänderung) einschließlich ihres § 1 auf einem einheitlichen Beschluß der Hauptversammlung vom 12. November 1992.
Die belangte Behörde hat daher schon dadurch, daß sie der Satzung der Beschwerdeführerin (gegebenenfalls) nicht zur Gänze, sondern nur in § 1 die Genehmigung versagt hat, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber sei dem noch beigefügt, daß im Beschwerdefall nicht nur der im Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 93/08/0032, als maßgebend bezeichnete, durch die gemeinsame Beschlußfassung der Hauptversammlung der Beschwerdeführerin herbeigeführte innere Zusammenhang zwischen dem genehmigten und dem nichtgenehmigten Teil der Satzung besteht, sondern überdies ein Sachzusammenhang, der es ausschließt, den Rest der Satzung ohne die Bestimmung des § 1 über den Geltungsbereich zu vollziehen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Das auf Ersatz der Stempelgebühren gerichtete Kostenbegehren war im Hinblick auf die sachliche Abgabenfreiheit im Sinne des § 110 Abs. 1 ASVG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993080206.X00Im RIS seit
11.07.2001