Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der X-Ges m.b.H. & Co KG in A, vertreten durch Dr. W, RA in S, gegen den Bescheid des BMwA vom 12. Mai 1993, Zl. 300.002/2-III/A/2a/93, betr Zurückweisung eines Antrages auf Genehmigung der Änderung einer gewerbl Betriebsanlage (mP: 1) KS und 2) ES in A, 3) GT und 4) MT in A, 5) JB und 6) SB in A, 7) FW und 8) YW in A), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 12. Mai 1993 hob der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Berufungen sowohl der Beschwerdeführerin als auch der mitbeteiligten Parteien gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. März 1993 diesen sowie den diesem zugrundeliegenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft vom 10. Dezember 1992 auf und wies das dem Verfahren zugrundeliegende Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 27. März 1992 "in der Fassung des Schriftsatzes vom 20. Oktober 1992" gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück. Zur Begründung führte der Bundesminister im wesentlichen aus, ein dem gegenständlichen Vorhaben ähnliches Vorhaben sei von ihm in letzter Instanz rechtskräftig mit Bescheid vom 6. April 1991 abgewiesen worden, da ein Teil der seinerzeit als Bestandteil des Vorhabens angeführten Flächen als Sonderfläche "Trenngrün" gewidmet gewesen sei, wodurch sich gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 i.V.m. § 18 Abs. 4 und 5 des
O.ö. Raumordnungsgeseztes und unter Berücksichtigung des aus § 74 Abs. 1 GewO 1973 erfließenden Grundsatzes der Einheit der Betriebsanlage ein auch gewerberechtlich relevantes raumordnungsrechtliches Verbot für das gesamte Vorhaben ergeben habe. Das im gegenständlichen Verfahren zu beurteilende Vorhaben habe zunächst auf dieser - im Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesministers unverändert gewidmeten - Fläche keine Lagerungen, jedoch Zu- und Abfahrten vorgesehen, die in der im erstinstanzlichen Bescheid vorgenommenen Betriebsbeschreibung folgenden Niederschlag gefunden hätten:
"Der nördlich der Lagerfläche vorgesehene Grundstreifen wird durch zwei Zufahrten gequert. Über diese Zufahrten erfolgt kein Rundholztransport, sondern nur der Zu- und Abtransport von Schnittholz zu und von der Lagerhalle im Ausmaß von ca. 10 Fahrten pro Woche."
Der zweitinstanzliche Bescheid habe diese beiden Sätze unter Hinweis auf Seite 7 der Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft vom 16. November 1992 behoben, wo es u. a. heiße:
"Die betroffenen Grundstücke sind im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan ... großteils als Bauland-Betriebsgebiet ausgewiesen, wobei sich der Antrag nunmehr nur mehr auf die als Bauland gewidmete Fläche bezieht. Der im nördlichen Bereich vorhandene Grundstücksteil, welcher als Grünland mit besonderer Widmung (Grünzug-Straßenbegleitgrün-Trenngrün) ausgewiesen ist, ist daher vom Projekt grundsätzlich nicht erfaßt. Bei der Variante 1 sind allerdings über diesen Grünstreifen zwei Zufahrten, diesen überquerend, vorgesehen."
Dem Verfahren liege das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 27. März 1992 in der Fassung des Schriftsatzes vom 20. Oktober 1992 zugrunde. Letzterer habe folgenden Wortlaut:
"Unter Hinweis auf meine Eingabe vom 17.8.1992 übersende ich in der Beilage eine Kopie des nunmehr aufgelegten Änderungsentwurfes zum Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde, wonach die Umwidmung des im Norden gelegenen dreieckigen Teiles des Lagerplatzes zur Änderungsnummer 03-010 von Straßenbegleitgrün auf Betriebsbaugebiet nunmehr vorgesehen ist. Unter Hinweis darauf, wird hiemit die ursprüngliche Projektsvariante mit der vollständigen Nutzung des Lagerplatzes auch in diesem bisher nicht als Betriebsbaugebiet gewidmeten Bereich aufrecht erhalten. Der Projektsplan deckt sich somit mit den ursprünglich vorgelegten Unterlagen zum Verfahren Ge-53/03-1990. ..."
Unter der zuletzt genannten Zahl sei bei der Bezirkshauptmannschaft jenes Verfahren geführt worden, welches mit dem oben erwähnten Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. April 1991 rechtskräftig abgeschlossen worden sei. Aus dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 2. Oktober 1992 ergebe sich klar, daß diejenige Fläche, deren Widmung die Abweisung des dem Ministerialbescheid vom 6. April 1991 zugrunde gelegenen Vorhabens zur Folge gehabt habe, auch einen Bestandteil des gegenständlichen Vorhabens bilden solle. Damit aber erweise sich das gegenständliche Vorhaben in seinem entscheidungswesentlichen Punkt als dieselbe Verwaltungssache wie jene, über die bereits mit dem zuletzt genannten Bescheid rechtskräftig entschieden worden sei. Das Ansuchen müsse daher gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf Erlassung einer Sachentscheidung über ihr Ansuchen vom 27. März 1992 verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes bringt sie im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe bei ihrer Entscheidung übersehen, daß die Beschwerdeführerin bereits in der Augenscheinsverhandlung vom 16. November 1992 erklärt habe, die Eingabe vom 20. Oktober 1992 werde zurückgezogen und sei als gegenstandslos zu betrachten. Aus den Verwaltungsakten ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin infolge der Entscheidung der belangten Behörde vom 6. April 1991 neuerlich um Erteilung der gewerbebehördlichen Genehmigung für den Rund- und Schnittholzlagerplatz angesucht habe, wobei sich der Genehmigungsantrag nicht auf den nördlichen, als Grünland gewidmeten Teil bezogen habe. Nur kurzfristig hätte sie während des Verfahrens die Möglichkeit gesehen, im Wege einer Umwidmung dieses Grünlandteiles die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung dieses Grünstreifens in den beantragten Rund- und Schnittholzlagerplatz zu schaffen, woraus u.a. die Eingabe vom 20. Oktober 1992 resultiert habe. Nachdem sich herausgestellt habe, daß die erforderliche Umwidmung längere Zeit in Anspruch nehmen werde, sei bereits eingangs der Verhandlung vom 16. November 1992 klargestellt worden, daß der Grünlandteil vom Verhandlungsgegenstand nicht umfaßt sei und die Eingabe vom 20. Oktober 1992 zurückgezogen werde. Der Gegenstand des vorliegenden Verwaltungsverfahrens unterscheide sich daher im entscheidenden Punkt vom Projekt des Vorverfahrens, als nämlich der als Grünland gewidmete Teil nördlich des Lagerplatzes nicht als Standort des Schnitt- und Rundholzlagerplatzes vorgesehen sei. Gerade die tragende Begründung des Bescheides der belangten Behörde im Vorverfahren, in dem ein Standortverbot für den Lagerplatz gemäß § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 i.V.m. § 18 Abs. 4 und 5 des O.ö. Raumordnungsgesetzes angenommen worden sei, könne auf das vorliegende Projekt nicht übertragen werden, da der Schnitt- und Rundholzlagerplatz nicht auf Grünland errichtet werden solle, und die in der verfahrensgegenständlichen Variante projektierten beiden Zufahrten einen anderen Sachverhalt mit anderen rechtlichen Grundlagen darstellten. Denn § 18 des O.ö. Raumordnungsgesetzes normiere kein raumordnungsrechtliches Verbot für eine Zufahrt. Gemäß § 17 leg. cit. seien nämlich nur Verkehrsflächen mit besonderer Verkehrsbedeutung als Verkehrsflächen auszuweisen. Verkehrsflächen ohne besondere Verkehrsbedeutung wie Ortschaftwege usw. seien nach dem Ausschußbericht zum Raumordnungsgesetz nicht auszuweisen. Wie auch der gegenständliche Flächenwidmungsplan zeige, existierten zahlreiche Straßen und Wege, z.B. nordöstlich des Betriebes der Beschwerdeführerin, die im Grünland lägen.
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Dem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung stehen Ansuchen gleich, die eine erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezwecken, da § 68 Abs. 1 AVG in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage) verhindern soll. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die Identität der Verwaltungssache, über die mit einem bereits formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der Rechtslage noch in den für die Beurteilung des Parteibegehrens maßgebenden tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist und sich andererseits das neue Parteibegehren im wesentlichen (von Umständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, abgesehen) mit dem früheren deckt.
Bei Änderung des Sachverhaltes kann nur eine solche zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluß zuläßt, daß nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1992, Zl. 91/04/0242, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, das dem gegenständlichen Verwaltungsverfahren zugrundeliegende Ansuchen der Beschwerdeführerin sei in seinen entscheidungswesentlichen Punkten identisch mit dem im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesenen Ansuchen, auf den Inhalt der Eingabe der Beschwerdeführerin vom 20. Oktober 1992. Zutreffend weist die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, daß sie diese Eingabe ausdrücklich zurückgezogen und für gegenstandslos erklärt habe. Die belangte Behörde gesteht dieses Vorbringen in ihrer Gegenschrift mit dem Bemerken zu, es sei dies von ihr bei der Erstellung des Bescheides übersehen worden.
Damit stützte die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in einem wesentlichen Punkt auf eine aktenwidrige Annahme. Abgesehen davon, daß der Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung auf erst in der Gegenschrift nachgetragene Begründungsdarlegungen zum angefochtenen Bescheid nicht Bedacht zu nehmen hat, vermag der Verwaltungsgerichtshof den dort enthaltenen Ausführungen, auch bei Vermeidung der unterlaufenen Aktenwidrigkeit wäre das Ansuchen der Beschwerdeführerin zurückzuweisen gewesen, weil auch das Ansuchen der Beschwerdeführerin vom 27. März 1992 mit dem im Vorverfahren rechtskräftig abgewiesenen Ansuchen in den entscheidungswesentlichen Punkten ident sei, nicht beizupflichten. Wie in der Beschwerde zutreffend dargelegt wird, ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, daß das im nunmehr vorliegenden Antrag enthaltene Projekt gegenüber dem mit dem im vorangegangenen Verfahren zurückgewiesenen Antrag vorgelegten Projekt im Lichte des O.ö. Raumordnungsgesetzes eine andere Beurteilung erfordert hätte.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. a VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand (für die in zehnfacher Ausfertigung vorzulegende Beschwerde war Eingabengebühr lediglich in der Höhe von je S 120,-- und für die Vorlage des angefochtenen Bescheides Beilagengebühr bloß in der Höhe von S 60,-- zu entrichten).
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1993040115.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
05.06.2009