TE Vfgh Beschluss 1991/6/26 G86/91, G137/91

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Index

L3 Finanzrecht
L3703 Lustbarkeitsabgabe, Vergnügungssteuer

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsgegenstand
B-VG Art140 Abs3 erster Satz
Tir VergnügungssteuerG 1982 §4 Abs3
Tir VergnügungssteuerG 1982 §12
Tir VergnügungssteuerG 1982 §23

Leitsatz

Einstellung des Gesetzesprüfungsverfahrens zur Prüfung verschiedener Bestimmungen im Tir VergnügungssteuerG 1982 betreffs die Subsidiaritätshaftung des Eigentümers eines vermieteten Veranstaltungslokals für rückständige Vergnügungssteuer; fehlende Präjudizialität der Bestimmung bezüglich der Anmeldeverpflichtung für eine Veranstaltung bzw für die Aufstellung von Spielautomaten; verfassungskonforme Interpretation des Begriffs "Verfügungsberechtigter"

Spruch

Die Gesetzesprüfungsverfahren werden eingestellt.

Begründung

Begründung:

I. Beim Verfassungsgerichtshof sind Beschwerden gegen Bescheide der Berufungskommission in Abgabensachen der Stadtgemeinde Innsbruck anhängig, die Bescheide des Stadtmagistrates bestätigen, worin die Österreichischen Bundesbahnen und zwei Miteigentümer eines Hauses in Innsbruck jeweils für aushaftende Abgabenschuldigkeiten aus dem Betrieb von Spielapparaten in Anspruch genommen werden. Den Einwand der zu B513/90 beschwerdeführenden Bundesbahnen, das in ihrem Eigentum stehende Geschäftslokal (Viaduktbogen) sei zum Betrieb einer Konditorei an eine Gesellschaft mbH vermietet und dieser eine Untervermietung untersagt worden, weshalb die ÖBB von der Benutzung als Spielsalon (und dem Halten von Spielautomaten durch eine Aktiengesellschaft) keine Kenntnis hatten, hielten die Abgabenbehörden ebenso für unbeachtlich wie den Einwand der zu B1312/90 einschreitenden Miteigentümer, eine Kommanditgesellschaft habe die Geschäftsräume einer Finanzierungs- und Bauleasinggesellschaft zur Führung eines Cafes mit Videospielgeräten überlassen, während sie selbst mit den verschiedenen - weiteren - Unternehmen, welche die primäre Abgabenschuldigkeit treffe, in keiner Beziehung gestanden seien. Da nach §4 Abs3 des Tiroler Vergnügungssteuergesetzes 1982 (TirVgStG) auch die Eigentümer der dazu benützten Räume oder Grundstücke oder die sonst darüber Verfügungsbefugten zur Anmeldung der Vergnügung verpflichtet seien, hafteten sie nach §23 Abs3 TirVgStG neben den Unternehmern als Gesamtschuldner.

1. Aus Anlaß dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §23 Abs3 und von Teilen des §4 Abs3 des TirVgStG eingeleitet. Er hat vorläufig angenommen, daß er die von der Behörde angewendeten - miteinander in Verbindung stehenden - Vorschriften anzuwenden haben würde und hat dagegen folgende Bedenken geäußert:

"1. Nach dem Tiroler Vergnügungssteuergesetz 1982 (TirVgStG) wird für das Halten von Spielapparaten Vergnügungssteuer in Form einer Pauschsteuer eingehoben (§14 bzw. §18 TirVgStG). Die veranstalteten Vergnügungen sind bei der Gemeinde des Veranstaltungsortes anzumelden (§4 Abs1 TirVgStG). Dazu bestimmt §4 Abs3 TirVgStG (in Prüfung gezogener Teil hervorgehoben):

'Zur Anmeldung verpflichtet ist sowohl der Unternehmer der Veranstaltung als auch der Eigentümer der dazu benutzten Räume oder Grundstücke oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigte. Der Eigentümer (Verfügungsberechtigte) darf die Abhaltung einer steuerpflichtigen Veranstaltung erst zulassen, wenn ihm die Anmeldebescheinigung vorgezeigt wird, es sei denn, daß es sich um eine unvorbereitete und nicht vorherzusehende Veranstaltung handelt.'

§23 TirVgStG, dessen Abs1 und 2 idF LGBl. 31/1986 und dessen Abs3 idF LGBl. 60/1982 in Geltung stehen, bestimmt sodann unter der Überschrift 'Steuerschuldner und Haftung' (in Prüfung gezogener Teil hervorgehoben):

'(1) Steuerschuldner ist der Teilnehmer an einer steuerpflichtigen Veranstaltung.

(2) Der Unternehmer der Veranstaltung ist verpflichtet, die Steuer von den Teilnehmern an der Veranstaltung in Namen und für Rechnung der Gemeinde einzuheben und an diese abzuführen. Er haftet für die Einhebung und Abfuhr der von den Teilnehmern geschuldeten Steuer.

(3) Wer zur Anmeldung verpflichtet ist, ohne selbst Unternehmer zu sein, haftet neben dem Unternehmer als Gesamtschuldner.'

2. Seit VfSlg. 2896/1955 geht der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß dem Gesetzgeber durch den Gleichheitssatz bei Umschreibung des Kreises der für eine Steuer haftenden Personen insofern eine Grenze gezogen ist, 'als er nur solche Personen als haftpflichtig erklären kann, bei denen eine Haftung sachlich begründet ist.'

Allerdings hatte der Verfassungsgerichtshof in diesem Erkenntnis gegen die Haftung des Verpächters für Steuerschulden des Pächters nach der Wiener Getränkesteuerordnung keine Bedenken.

In seinem Erkenntnis zur Haushaltsbesteuerung, VfSlg. 5318/1966, hingegen hat der Gerichtshof es als unsachlich angesehen, wenn jemand verhalten wird, 'für etwas einzustehen, womit ihn nichts verbindet', also 'für Umstände, die außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre liegen'. Die sachliche Rechtfertigung für eine Haftung des Verpächters für Abgabenschulden des (früheren) Pächters, von der er auch im Erkenntnis G249/87 vom 26. Juni 1988 zum steiermärkischen Getränkeabgabegesetz wieder ausgegangen ist (als er die Haftung des Pächters für Abgaben der früheren Unternehmer einschließlich des Verpächters als verfassungswidrig aufhob), hat der Gerichtshof im Erkenntnis G82ua/88 vom 5. Dezember 1988 mit der Möglichkeit der spezifischen Gestaltung des Pachtverhältnisses (z.B. durch Ausbedingen von Einschaurechten, allenfalls verbunden mit Kündigungsbestimmungen, Kautionsvereinbarungen o.ä.) sowie den Umstand näher begründet, daß der Verpächter durch den Pachtzins am Ertrag des Betriebes partizipiert und mit dem nach Ablauf des Pachtverhältnisses an ihn zurückfallenden Betrieb verbunden bleibt. Gleichwohl wurden mit diesem Erkenntnis G82ua/88 vom 5. Dezember 1988 die Bestimmungen über die Haftung des Verpächters für die Rückstände seit dem Beginn des letzten vor der Beendigung der Betriebsführung durch den Pächter liegenden Kalenderjahres im Wiener GetränkesteuerG 1971 und im Wiener VergnügungssteuerG 1963 mit folgender Begründung als exzessiv aufgehoben:

'In der Tat ist es - was der Gerichtshof in VfSlg. 2896/1955 nicht erwogen hat - sachlich nicht zu rechtfertigen, die an sich zulässige Haftung des Verpächters in derart weitem Umfang vorzusehen. Die angefochtenen Regelungen begrenzen die Haftung lediglich in zeitlicher Hinsicht, schränken sie aber im übrigen ihrem Inhalt nach nicht ein: sie beziehen sich auf Abgabenschulden jeglicher Höhe und das selbst bei strafbaren Handlungen des Pächters. Mit dieser unzureichenden Eingrenzung der Haftung wird es dem Verpächter einerseits unmöglich gemacht, mit Hilfe jener Vertragsgestaltung (z.B. durch Vereinbarung von Einschaurechten verbunden mit Kündigungsmöglichkeiten oder durch Vereinbarung einer Kaution) für sich eine Limitierung des Risikos zu erreichen, die der Verfassungsgerichtshof als für die sachliche Rechtfertigung der Haftungsregelung an sich bedeutsam erkannt hat; andererseits wird durch die Überbürdung einer ihrer Höhe nach kaum begrenzten Haftung an den Verpächter auch der - ebenfalls für die sachliche Rechtfertigung einer Verpächterhaftung relevante - Zusammenhang der Haftung mit der Partizipation des Verpächters am Unternehmensertrag zur Gänze außer Acht gelassen.

Wenn die Wiener Landesregierung darauf hinweist, daß eine Einschränkung der Haftung auf einen bestimmten Höchstbetrag der unterschiedlichen Größe und Struktur der Betriebe nicht gerecht werden könnte, so ist sie nur im Recht, wenn sie eine absolute betragliche Begrenzung vor Augen hat. Eine Regelung, die die Haftung stärker zeitlich eingrenzt und so das Ausmaß der Haftung besser vorhersehbar erscheinen ließe, oder die etwa an die Höhe des Pachtschillings oder an das frühere oder betriebsdurchschnittliche (tatsächliche oder prognostizierte) Aufkommen der jeweiligen Steuer oder an andere betriebsspezifische Bezugsgrößen anknüpft, könnte der unter dem Gesichtspunkt des Sachlichkeitsgebotes zu fordernden limitierenden Funktion sehr wohl gerecht werden, ohne aus den von der Regierung vorgebrachten Erwägungen unpraktikabel oder sachwidrig zu sein.'

3. Nun trifft im vorliegenden Fall aufgrund des §23 Abs3 TirVgStG die Haftung freilich nicht den Verpächter eines Betriebes, sondern den Eigentümer der zur Veranstaltung benützten Räume oder Grundstücke oder den (sonst) hierüber Verfügungsberechtigten. Dieser ist nach §4 Abs3 TirVgStG zur Anmeldung verpflichtet und haftet daher nach §23 Abs3 als Gesamtschuldner. Und in seiner bisherigen Praxis hat der Gerichtshof gegen eine Bestimmung des Wiener Vergnügungssteuergesetzes (§34 Abs4 iVm §7 Abs4) und §13 Abs4 Wiener VergnügungssteuerG 1987 keine Bedenken gehegt, wonach der Inhaber der für die Vergnügung benützten Räume oder Grundstücke neben dem Unternehmer der Veranstaltung als Gesamtschuldner haftet.

Inhaber der Räume oder Grundstücke ist aber jemand, der faktische Herrschaft darüber ausübt (§309 ABGB: eine Sache in seiner Macht oder Gewahrsame hat) und daher selbst das Geschehen kontrollieren und von jeder einzelnen Veranstaltung Kenntnis und auf jede Einfluß nehmen kann. Der Eigentümer oder sonst über die Räume Verfügungsberechtigte muß aber keineswegs (unmittelbar) Inhaber der Räume oder Grundstücke sein, in denen die vergnügungssteuerpflichtige Veranstaltung stattfindet. Hat er die Räume oder Grundstücke nämlich vermietet oder verpachtet oder sonst einem anderen zur ständigen Benützung übertragen - wie zum Beispiel auch im vorliegenden Fall -, so ist er praktisch nicht in der Lage, die von §4 Abs3 TirVgStG geforderte Kontrolle der Anmeldung auszuüben, die Abhaltung der Veranstaltung zu beeinflussen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen, die seine Haftung als Gesamtschuldner rechtfertigen könnten. Es scheint daher, daß den Eigentümer (Verfügungsberechtigten) mit der steuerpflichtigen Veranstaltung in vielen Fällen 'nichts verbindet' und diese oft 'außerhalb seiner Interessen- und Einflußsphäre' liegt, sodaß eine Haftung für die Vergnügungssteuer nicht gerechtfertigt ist.

Selbst wenn sich jedoch eine Rechtfertigung finden ließe, scheint die Haftung aus ähnlichen Gründen, wie sie im Erkenntnis G82ua/88 vom 5. Dezember 1988 zur Aufhebung von Bestimmungen des Wiener GetränkesteuerG 1971 und des Wiener VergnügungssteuerG 1963 geführt haben, als eine der Höhe nach unbegrenzte Haftung exzessiv zu sein.

Es scheint schließlich, daß der Vorwurf der Unsachlichkeit nicht nur die Bestimmungen über die Haftung, sondern auch jene über die Anmeldepflicht und die Verhinderung der Abhaltung der Veranstaltung trifft, weil Eigentümer oder sonst Verfügungsberechtigte, welche die Räume oder Grundstücke vermietet, verpachtet oder sonst einem anderen zur ständigen Benützung übertragen haben, diese Pflichten in aller Regel nicht erfüllen können."

Schon im Einleitungsbeschluß hat der Gerichtshof jedoch eingeräumt, es sei allerdings

"Voraussetzung all dieser Bedenken ..., daß es nicht möglich ist, unter einem 'Eigentümer ... oder ... sonst ... Verfügungsberechtigten' nach §4 Abs3 TirVgStG bloß den jeweils die Räume oder Grundstücke tatsächlich beherrschenden Inhaber, den Ausdruck 'verfügungsberechtigt' also statt im juristisch-technischen Sinn nur als Beschreibung tatsächlicher Verhältnisse zu verstehen. Es wird daher im Verfahren auch zu prüfen sein, ob eine verfassungskonforme Auslegung möglich ist, welche Sachverhalte nach Art des vorliegenden - entgegen der Annahme der belangten Behörde - aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes ausscheidet."

2. Die Tiroler Landesregierung hält die in Prüfung gezogenen Bestimmungen für die Beurteilung der Verfassungsgerichtshofbeschwerden nicht für präjudiziell. Was die Anmeldepflicht betreffe, enthalte §18 Abs6 TirVgStG eine Sonderbestimmung (ähnlichen Inhalts), welche die Anwendung der allgemeinen Vorschrift des §4 Abs3 ausschließe. Die Abgabenbehörden hätten §4 Abs3 daher zu Unrecht herangezogen.

§23 Abs3 TirVgStG stehe aber mit den Regelungen, die zur Anmeldung verpflichten, in unmittelbarem Zusammenhang und können nicht alleinige Rechtsgrundlage einer Entscheidung sein.

Im übrigen sei die gesamtschuldnerische Haftung der Eigentümer oder sonst Verfügungsberechtigten sachlich gerechtfertigt. Mit der im Erkenntnis vom 5. Dezember 1988, G82ua/88 (= VfSlg. 11921/1988) beurteilten Rechtslage sei die hier zu beurteilende nicht zu vergleichen:

"Im Jahre 1982 erfolgte eine umfassende Neuregelung des Spielapparatewesens in Tirol, und zwar sowohl in veranstaltungsrechtlicher, als auch in abgabenrechtlicher Hinsicht (vgl. dazu die Novelle LGBl. Nr. 35/1982 zum Tiroler Veranstaltungsgesetz und die Novelle LGBl. Nr. 36/1982 zum Tiroler Vergnügungssteuergesetz 1959). Der Tiroler Landtag hat in mehreren den Regierungsvorlagen vorangegangenen Entschließungen die Meinung vertreten, daß vor allem die Geldspielapparate die charakterliche Entwicklung insbesondere der jugendlichen Benützer erheblich gefährden, da ihnen kein positiver erzieherischer Wert zukommt. Durch sie würde lediglich die Spielleidenschaft gefördert, was mitunter sogar zu einer wirtschaftlichen und sozialen Gefährdung der am Spiel beteiligten Personen und ihren Angehörigen führen kann. Auch der Betrieb der übrigen Spielapparate ist vornehmlich vom Standpunkt des Jugendschutzes problematisch; sowohl die Art der Spielbetätigung als auch das Milieu, in dem diese stattfindet, ist nicht dazu angetan, die Persönlichkeit des Jugendlichen in einer erzieherisch begrüßenswerten Weise zu bilden. Zudem führt die Ansammlung vorwiegend jugendlicher Besucher in den sogenannten Spielhallen zu erheblichen Belästigungen der Nachbarschaft.

Diese Argumente wurden in der Praxis durch die starke Zunahme der Anzahl der Spielapparate verifiziert. Vor der Erlassung der in Rede stehenden Gesetze hat sich beispielsweise allein in der Landeshauptstadt Innsbruck in einem Zeitraum von nur drei Jahren die Anzahl der Spielapparate von 50 auf 561 erhöht.

Die mit dem Betrieb von Spielapparaten erwiesenermaßen verbundenen Gefahren waren auch Gegenstand eines im Nationalrat eingebrachten Initiativantrages (Nr. 88/A, II-1705 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XV. GP). Dieser Initiativantrag hatte zum Ziel, der weiteren Verbreitung von Glücksspielapparaten durch deren zusätzliche Belastung mit einer Monopolabgabe Einhalt zu gebieten. Dieses Vorhaben, das eine Einschränkung der Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Regelung des Betriebes von Glücksspielapparaten zur Folge gehabt hätte, stieß auf den Widerstand der Länder. Darauf führten Beratungen im parlamentarischen Unterausschuß unter Beiziehung von Ländervertretern zum Ergebnis, daß landesgesetzliche Regelungen in der Art des Vorarlberger Spielapparategesetzes, LGBl. Nr. 23/1981, und der Novelle zum Wiener Vergnügungssteuergesetz, LGBl. Nr. 16/1981, vom Bund als geeignet angesehen würden, um jene Mißstände abzustellen, die der erwähnte Initiativantrag im Auge hatte. Die Landeshauptmännerkonferenz faßte sodann am 10. Juni 1981 einen Beschluß, in dem sie eine Zurückstellung des in Rede stehenden Initiativantrages verlangte und in Aussicht stellte, noch im Jahre 1981 entsprechende landesgesetzliche Regelungen in die Wege zu leiten. Diesem Beschluß lag das Ergebnis einer Expertenkonferenz aller Bundesländer vom 13. Mai 1981 zugrunde, bei der in Aussicht genommen wurde, der Flut von Spielapparaten durch gesetzliche Maßnahmen in den Bereichen des Veranstaltungswesens, des Jugendschutzes sowie durch begleitende Maßnahmen auf dem Gebiet des Vergnügungssteuerrechtes zu begegnen.

Die durch die Gesetze LGBl. Nr. 35 und 36/1982 erfolgte Neuregelung auf dem Gebiet des Spielapparatewesens brachte den gewünschten Erfolg mit sich. Innerhalb von vier Jahren ging die Zahl der in Tirol tätigen Automatenfirmen von 80 auf 52 zurück und die Zahl der Spielhallen in Innsbruck hat von 11 (mit 237 Spielapparaten) auf 7 (mit zusammen höchstens 35 Spielapparaten) abgenommen. In gleicher Weise verringerte sich auch die Zahl der in Gastgewerbebetrieben aufgestellten Spielapparate.

Die Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage für das Gesetz LGBl. Nr. 36/1982 enthalten ausdrücklich den Hinweis, daß durch die hohe Besteuerung von Spielapparaten auch ein anderes Ziel, nämlich das Aufstellen und den Betrieb von Spielapparaten einzudämmen, erreicht werden soll. Unter dem Blickwinkel des Gleichheitsgrundsatzes ist es dem Landesgesetzgeber im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit nicht verwehrt, Regelungen, die solche gesellschaftspolitischen Ziele zum Inhalt haben, zu erlassen (siehe die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. Nr. 7967/1976 und 8457/1978).

Die Heranziehung des Eigentümers der für die Veranstaltung mit Spielapparaten benützten Räume oder Grundstücke bzw. des sonst hierüber Verfügungsberechtigten zur gesamtschuldnerischen Haftung für nicht entrichtete Vergnügungssteuern ist eine flankierende Maßnahme zur Eindämmung des Spielapparateunwesens. Dadurch soll nämlich mit fiskalischen Mitteln direkt auf die Bereitschaft, Räume zur Aufstellung und zum Betrieb von Spielapparaten zur Verfügung zu stellen, Einfluß genommen werden. Eine gesetzliche Beschränkung der Haftung im Sinne des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 1988 in der Weise, daß die Haftung zeitlich eingegrenzt, an die Höhe des Pachtschillings oder an das frühere oder betriebsdurchschnittliche Aufkommen der jeweiligen Steuer oder an andere betriebsspezifische Bezugsgrößen angeknüpft wird, würde zwar für den Eigentümer bzw. Vermieter das Ausmaß der allenfalls zum Tragen kommenden Haftung verringern. Diese Beschränkung des Risikos hätte jedoch unweigerlich zur Folge, daß wieder vermehrt Räume für die Aufstellung und den Betrieb von Spielapparaten zur Verfügung gestellt werden, womit sich für die Automatenwirtschaft jene sich aus dem knappen Gut 'Raum' ergebenden Probleme nicht mehr stellen dürften. Die seinerzeit vom Landesgesetzgeber verfolgten rechtspolitischen Zielsetzungen, die - wie die Erfahrungen der Praxis gezeigt haben - auch tatsächlich zu einer erträglichen Situation auf dem Gebiet des Spielapparatewesens in Tirol geführt haben, würden durch die Begrenzung der Haftung und damit des unternehmerischen Risikos wenigstens zum Teil zunichte gemacht.

Auch die Annahme, daß den Eigentümer bzw. Verfügungsberechtigten mit der steuerpflichtigen Veranstaltung in vielen Fällen 'nichts verbindet' und diese oft 'außerhalb' seiner Interessen- und Einflußsphäre liegt, sodaß eine gesamtschuldnerische Haftung für die Vergnügungssteuer nicht gerechtfertigt ist, trifft nicht zu. Die weitaus überwiegende Anzahl von Spielapparaten wird in gastgewerblich genutzten Räumen aufgestellt. Das Verhältnis der in solchen Räumlichkeiten aufgestellten Spielapparate zur Zahl der in Spielhallen betriebenen Geräte beträgt etwa 20:1. Der Eigentümer oder Pächter eines Gastgewerbebetriebes wird der Aufstellung von Spielapparaten aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen wohl nur dann zustimmen, wenn er sich selbst davon Vorteile erwartet. Diese werden sich in der Praxis vorwiegend aus dem vom Spielapparateaufsteller zu entrichtenden Entgelt und aus einer Steigerung des Konsums der Gäste ergeben. Der unmittelbare Zusammenhang mit der Interessen- und Einflußsphäre des Gastgewerbetreibenden liegt damit auf der Hand.

Die Interessen- und Einflußsphäre des Eigentümers dürfte tatsächlich dann nicht mehr berührt sein, wenn ihm die unmittelbare Verfügungsgewalt über die Räumlichkeiten nicht mehr zukommt. In diesen Fällen ist der Ansicht des Verfassungsgerichtshofes zu folgen, daß der Eigentümer seine Anmeldepflicht kaum erfüllen kann. Eine derartige Verpflichtung wird aber dem Eigentümer der für den Betrieb von Spielapparaten benützten Räume oder Grundstücke durch den §18 Abs6 des Tiroler Vergnügungssteuergesetzes 1982 gar nicht auferlegt. Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung hat sowohl der Unternehmer der Veranstaltung als auch der Eigentümer der dazu benützten Räume oder Grundstücke oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigte die Aufstellung eines Spielapparates binnen einer Woche der Gemeinde anzumelden. Die alternativ gehaltene Formulierung kann nur in dem Sinn verstanden werden, daß der Eigentümer der für die Veranstaltung benützten Räume oder Grundstücke nur dann zur Anmeldung der Veranstaltung verpflichtet ist, wenn ein sonstiger Verfügungsberechtigter nicht vorhanden ist.

Was den Begriffsinhalt des Wortes 'Verfügungsberechtigter' betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß dieser Ausdruck im Gesetz LGBl. Nr. 36/1982 mehrfach verwendet wird (vgl. etwa ArtI Z2, 6, 11 und 12). Die Erläuternden Bemerkungen zu ArtI Z2 enthalten den Hinweis, daß darunter beispielsweise Mieter, Pächter und Fruchtgenußberechtigte zu verstehen sind. Die demonstrative Aufzählung läßt den Schluß zu, daß nicht nur sämtliche Unterformen im Bestandsverhältnis, sondern auch andere die faktische Verfügungsgewalt einräumenden Rechtsverhältnisse davon umfaßt sind. Bei Verfügungsberechtigten handelt es sich also immer um solche Personen, die Räume oder Grundstücke als Inhaber tatsächlich beherrschen."

Wenn die Abgabenbehörden statt der jeweils untervermietenden Gesellschaft die Bundesbahnen bzw. die Gesellschafter der KG als Eigentümer zur Haftung herangezogen haben, so hätten sie §18 Abs6 TirVgStG denkunmöglich angewendet.

Die Tiroler Landesregierung beantragt daher, die Gesetzesprüfungsverfahren einzustellen, allenfalls die in Prüfung gezogenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Im Ergebnis ist die Tiroler Landesregierung im Recht. Die in Prüfung gezogenen Gesetzesbestimmungen wären vom Verfassungsgerichtshof nicht anzuwenden. Die Gesetzesprüfungsverfahren sind daher einzustellen.

Nach §3 TirVgStG wird die Steuer als Pauschsteuer nach festen Steuersätzen erhoben, wenn die Veranstaltung ohne Lösung von Eintrittskarten oder sonstige Ausweise zugänglich ist. Nach §18 Abs1 wird die Pauschsteuer für das Halten von Spielapparaten für jeden Monat nach festen Sätzen erhoben. §18 Abs6 bestimmt hiezu, daß sowohl der Unternehmer der Veranstaltung als auch der Eigentümer der dazu benützten Räume oder Grundstücke oder der sonst hierüber Verfügungsberechtigte die Aufstellung eines Spielapparates binnen einer Woche bei der Gemeinde anzumelden hat.

Es kann dahingestellt bleiben, ob §18 Abs6 - wie die Tiroler Landesregierung meint - die alleinige Grundlage für die Anmeldepflicht bildet oder aber - wie der Verfassungsgerichtshof vorläufig angenommen hat - lediglich den Zeitpunkt der bereits in §4 Abs3 (unter der Rubrik "Allgemeine Bestimmungen. Anmeldung") verpflichtend festgelegten Anmeldung verschiebt. Entscheidend ist vielmehr, daß es in den zur Beurteilung anstehenden Verfahren nicht um die Anmeldepflicht selbst, sondern bloß um die Haftung geht, die §23 Abs3 für die in §4 Abs3 und 18 Abs6 genannten Personen anordnet, und daß für den Fall, daß sich diese Haftung als verfassungswidrig erweisen würde, zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit jedenfalls die Aufhebung des sie anordnenden §23 Abs3 genügen würde (wogegen eine Aufhebung der in Prüfung gezogenen Teile des §4 Abs3 allein die Bedenken des Gerichtshofs insgesamt nicht zerstreuen könnte). Wenngleich sich die Bedenken des Gerichtshofs gegen §23 Abs3 teilweise nur aus dem Zusammenhang dieser Bestimmungen mit §4 Abs3 (und gegebenenfalls §18 Abs6) ergeben, können sich auch diese Bedenken aus Anlaß der vorliegenden Beschwerdefälle nur gegen §23 Abs3 richten. Schon mit seiner Beseitigung wäre die für die Beschwerdefälle maßgebliche Rechtslage bereinigt. §4 Abs3 ist folglich keinesfalls präjudiziell.

2. §23 Abs3 TirVgStG kann also zwar entgegen der Ansicht der Tiroler Landesregierung auch allein auf seine Verfassungsmäßigkeit geprüft werden. In den vorliegenden Beschwerdefällen wäre er aber gleichwohl nur anzuwenden, wenn die Auffassung der belangten Behörde, die zur Haftung Herangezogenen seien nach §4 Abs3 (und/oder §18 Abs6) zur Anmeldung der Veranstaltung bzw. Aufstellung der Spielapparate verpflichtet gewesen, zumindest vertretbar wäre. Das ist aber nach den überzeugenden Ausführungen der Tiroler Landesregierung nicht der Fall:

Wie der Prüfungsbeschluß darlegt und auch die Landesregierung einräumt - und daher nicht weiter vertieft werden braucht -, würde es nämlich unsachlich und damit gleichheitswidrig sein und einen Verfassungsverstoß darstellen, wenn der Eigentümer der für eine Vergnügung benutzten Räume oder Grundstücke auch dann anmelde- und haftungspflichtig würde, wenn ihm die tatsächliche Herrschaft über diese Räume oder Grundstücke nicht zukommt. Es ist daher schon aus Gründen verfassungskonformer Auslegung jener Auffassung der Vorzug zu geben, die den Begriff "Verfügungsberechtigung" als Beschreibung der tatsächlichen Möglichkeit versteht, eine Veranstaltung zuzulassen oder nicht zuzulassen. Die Wortfolge "Eigentümer ...

oder ... sonst hierüber Verfügungsberechtigte" in §4 Abs3 und §18 Abs6 kann dann (arg. "oder ... sonst") dahin verstanden

werden, daß der Eigentümer nur für den Fall verpflichtet ist, als nicht ein anderer die Sache in seiner unmittelbaren Gewahrsame hat. Da unstrittig ist, daß die zur Haftung Herangezogenen die Räume, in denen Spielapparate betrieben wurden, anderen Unternehmern zur Benützung für deren eigene Zwecke überlassen und damit die unmittelbare tatsächliche Herrschaft über die Sache aufgegeben hatten, unterstellt ihre Heranziehung zur Haftung dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt. Die Annahme, die Beschwerdeführer seien im Sinne der §§4 Abs3 und 18 Abs6 TirVgStG zur Anmeldung der Veranstaltung bzw. Aufstellung der Spielautomaten verpflichtet gewesen, liegt also nicht mehr im Auslegungsspielraum der Behörde, sondern ist schlechthin unvertretbar. Eine Anwendung der - unter dem Blickwinkel der fehlenden Begrenzung allerdings weiterhin bedenklichen - Haftungsbestimmung des §23 Abs3 TirVgStG kommt folglich nicht in Betracht.

Im Ergebnis sind also die Gesetzesprüfungsverfahren mangels Präjudizialität beider in Prüfung gezogener Gesetzesstellen unzulässig und einzustellen.

Schlagworte

Haftung, Vergnügungssteuer, Spielautomaten, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:G86.1991

Dokumentnummer

JFT_10089374_91G00086_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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