Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Puck, Dr. Waldner, Dr. Novak und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des L in F, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 11. Juni 1991, Zl. 18.234/02-IA8/91, betreffend Bewilligung gemäß § 49 des Forstgesetzes (mitbeteiligte Partei: V AG, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf das hg. Erkenntnis vom 19. November 1990, Zl. 90/10/0099, verwiesen. Mit diesem Erkenntnis wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 26. März 1990, mit welchem der Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. September 1989 (Aufhebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 28. April 1989 über die forstrechtliche Bewilligung näher bezeichneter Änderungen des Werkes T der mitbeteiligten Partei und Abweisung ihres dieser Bewilligung zugrundeliegenden Antrages vom 22. November 1988) gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben worden war, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Dabei ging der Gerichtshof von der Auffassung aus, es handle sich bei den betreffenden Maßnahmen (Errichtung einer Zentralkaminanlage, einer Kauster- und Heißluftbrikettieranlage sowie einer Entstaubungsanlage und Umstellung der Heizöl- auf Erdgasfeuerung) um Änderungen der bereits beim Inkrafttreten des Forstgesetzes 1975 (am 1. Jänner 1976) bestandenen Anlage des Werkes T, weshalb von vornherein nur der Änderungstatbestand des § 49 Abs. 2 leg. cit. in Frage komme. Maßgebend für die Aufhebung des damals angefochtenen Bescheides war das Fehlen von Feststellungen darüber, wann der Zentralkamin errichtet wurde und ob überhaupt durch die gegenständlichen Maßnahmen im Sinne des § 49 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung zu erwarten ist.
Mit dem im fortgesetzten Verfahren ergangenen Bescheid vom 11. Juni 1991 wies der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. September 1989 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 49 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 ab. Der Beschwerdeführer hatte in seiner Berufung beantragt, den Bescheid des Landeshauptmannes aufzuheben, die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den Bescheid der Erstbehörde abzuweisen und dem Begehren des Beschwerdeführers nach weitergehenden Vorschreibungen zum Schutze des in seinem Eigentum stehenden Bannwaldes stattzugeben. Die Behörde stellte fest, daß von den "Staub- und Schwefelimmissionen" des Werkes T ein im Eigentum des Beschwerdeführers stehender Bannwald betroffen sei, wobei es hinsichtlich der Schwefelimmissionen auch zur Überschreitung der im § 5 Abs. 1 lit. b Z. 1 der Zweiten Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen festgelegten Grenzwerte gekommen sei. Die im Tatbestand nach § 49 Abs. 2 des Forstgesetzes 1975 (ForstG) normierte Voraussetzung einer zu erwartenden Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung liege nach den Verfahrensergebnissen bei den gegenständlichen Maßnahmen nicht vor. Laut Stellungnahme des emissionstechnischen Sachverständigen vom 23. März 1987 sei bei der Zentralkaminanlage in Verbindung mit der Umstellung auf Erdgas eine deutliche Verbesserung der Immissionskonzentration zu erwarten. Der Stellungnahme der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 29. Juli 1985 zufolge sei durch den Kamin eine deutliche Verbesserung der "Staubimmissionen" eingetreten. Was die Kauster- und Heißluftbrikettieranlage anlange, so sei der Stellungnahme der Bezirksforstinspektion Liezen vom 4. Dezember 1984 zu entnehmen, daß bereits die Einführung der Kaustertechnologie ein merkliches Absinken der Schwefelemissionen zur Folge haben dürfte. In der Verhandlung vom 28. Februar 1989 habe der maschinentechnische Sachverständige festgestellt, daß es durch die Inbetriebnahme der Kausteranlage im März 1984 bei Staub zu einer Emissionsverringerung von 34 % und bei SO2 zu einer Emissionsverringerung von 67 % gekommen sei. Nach der Stellungnahme der Bezirksforstinspektion Liezen vom 19. November 1984 sei infolge Umstellung von Öl- auf Erdgasheizung mit einem spürbarem Rückgang der Immissionsschäden zu rechnen. In einer weiteren Stellungnahme der Bezirksforstinspektion Liezen vom 4. Dezember 1984 komme zum Ausdruck, daß die Ferngasleitung (Erdgas) eine entscheidende Verbesserung der Schwefelbelastung mit sich bringen werde. In der Verhandlung vom 25. Juni 1986 sei festgehalten worden, daß die Immissionen an Schwefeloxiden durch die Umstellung auf Erdgas praktisch vollständig entfallen würden. Nach Angaben der mitbeteiligten Partei vom 11. September 1986 komme es durch die Umstellung auf Erdgas zu einer Verringerung der Schwefeldioxidemissionen um 94 %. In der Verhandlung vom 28. Februar 1989 sei festgestellt worden, daß sich durch die Umstellung der Energieversorgung auf Erdgas bei Staub eine Emissionsverringerung um 88 % und bei Schwefeldioxid eine Emissionsverringerung um 98 % ergeben habe. Hinsichtlich der Entstaubungsanlage sei in der Verhandlung vom 25. Juni 1986 festgestellt worden, daß zufolge deren Errichtung die Staubemissionen reduziert worden seien. In der Verhandlung vom 28. Februar 1989 sei festgehalten worden, daß die Gesamtstaubimmissionen des Werkes T ca. 9 kg/Stunde betragen. Die Behörde sei deshalb der Ansicht, daß eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung nicht zu erwarten sei. Infolge Fehlens dieser Tatbestandsvoraussetzung des § 49 Abs. 2 ForstG bedürfe es für die vorgesehenen Änderungen keiner Bewilligung nach dieser Gesetzesstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem "Recht auf Schutz vor forstschädlichen Luftverunreinigungen und auf behördliche Prüfung in einem forstrechtlichen Verfahren, insbesondere nach §§ 49, 50 ForstG" verletzt und beantragt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet. Auch die mitbeteiligte Partei hat in einer Gegenschrift zur Beschwerde Stellung genommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die mitbeteiligte Partei meint, die Beschwerde sei mangels formeller und materieller Beschwer als unzulässig zurückzuweisen. Die formelle Beschwer fehle deshalb, weil das gegenständliche Verfahren nicht über einen Antrag des Beschwerdeführers geführt worden sei. An der materiellen Beschwer mangle es ihm, weil auf die in Rede stehenden Änderungen ohnehin gemäß § 50 Abs. 2 des ForstG im gewerberechtlichen Betriebsbewilligungsverfahren die materiellrechtlichen Bestimmungen des Forstgesetzes 1975 anzuwenden seien und weil überdies im Falle festgestellter Überschreitung von Immissionsgrenzwerten ein Verfahren gemäß § 51 leg. cit. über die zum Schutze seines Waldes notwendigen Maßnahmen durchzuführen sei.
Diese Auffassung kann nicht geteilt werden.
Für die Bejahung der Beschwerdelegitimation genügt die Möglichkeit der Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten durch den angefochtenen Bescheid (vgl. dazu die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 412, angeführte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Diese Möglichkeit ist im vorliegenden Fall zu bejahen. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Vorliegen des Bewilligungstatbestandes des § 49 Abs. 2 des ForstG und damit das Erfordernis eines gesonderten forstrechtlichen Bewilligungsverfahrens gemäß § 50 Abs. 3 leg. cit. für die gegenständlichen Änderungen des Werkes T verneint. Ein solches Verfahren ist nach der genannten Gesetzesstelle dann durchzuführen, wenn durch die Emissionen einer Anlage "Schutz- oder Bannwälder betroffen werden". In diesem Verfahren hat ein betroffener Waldeigentümer Parteistellung, weil es hiebei nicht nur um verwaltungspolizeiliche Gefahrenabwehr, sondern gerade auch um den Schutz der im Hinblick auf ihr räumliches Naheverhältnis konkret betroffenen Waldeigentümer geht und überdies ihre Rechtsstellung als betroffene Nachbarn durch die forstrechtliche Bewilligung geändert werden kann. Auch in der Literatur wird die Parteistellung der betroffenen Waldeigentümer in einem solchen Verfahren überwiegend bejaht (Raschauer, Umweltschutzrecht, 221; Kalss, Forstrecht, 125; Schwarzer in List-Schwarzer-Wischin, Luftreinhaltungsrecht für Betriebsanlagen, 213 Rz 8; a.A. Steffek in Wenger-FS, 826). Dazu kommt, daß nicht einsichtig wäre, weshalb den von den Emissionen einer Anlage betroffenen Waldbesitzern, die an dem Bewilligungsverfahren im Sinne des § 50 Abs. 2 ForstG als Parteien teilnehmen können, diese Parteistellung gerade in dem nach dessen Unterbrechung gemäß § 50 Abs. 3 leg. cit. zu führenden forstrechtlichen Verfahren, in dem es ausschließlich um den Schutz ihres Waldes geht, fehlen sollte. Dem Eigentümer eines betroffenen Bann- oder Schutzwaldes steht daher, sofern überhaupt ein Bewilligungstatbestand nach § 49 Abs. 1 oder 2 ForstG vorliegt, auch das Recht zu, daß die Frage der Zulässigkeit der in Aussicht genommenen Maßnahme in einem gesonderten forstrechtlichen Verfahren geprüft wird. Dieses Recht ist verletzt, wenn die Notwendigkeit eines derartigen Verfahrens zu Unrecht verneint wird. Da der Beschwerdeführer unbestritten Eigentümer eines durch die Emissionen des Werkes T betroffenen Bannwaldes ist, steht ihm das besagte Recht zu. Im Hinblick auf die nicht von vornherein auszuschließende Möglichkeit der Verletzung des Beschwerdeführers in diesem Recht durch den angefochtenen Bescheid ist seine Beschwerdelegitimation zu bejahen.
Daran vermag auch das weitere Vorbringen der mitbeteiligten Partei nichts zu ändern, auch das im Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 26. September 1989 in Aussicht gestellte Verfahren betreffend besondere Maßnahmen nach § 51 ForstG diene dem Schutz des Waldes des Beschwerdeführers vor forstschädlicher Luftverunreinigung und es erfolge damit ohnedies "eine behördliche Prüfung in einem forstrechtlichen Verfahren". Dabei handelt es sich nämlich um ein anderes, auf die Vorschreibung konkreter Maßnahmen im nachhinein abzielendes Verfahren. Die Möglichkeit dieses Verfahrens schließt den Rechtsanspruch auf Durchführung eines gesonderten forstrechtlichen Bewilligungsverfahrens nach §§ 49, 50 ForstG nicht aus.
Die Beschwerde ist daher zulässig.
Mit dem Hinweis auf die Bindungswirkung des hg. Erkenntnisses vom 19. November 1990 ist die mitbeteiligte Partei schon deshalb nicht im Recht, weil der Verwaltungsgerichtshof entgegen der Darstellung in der Gegenschrift nicht ausgesprochen hat, daß ein Verfahren nach den §§ 49 und 50 ForstG "gar nicht" durchzuführen sei. Im übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof diese Frage deshalb, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben ist, überhaupt nicht beantwortet.
Der Beschwerdeführer bringt (wie schon in seinem im fortgesetzten Verfahren an die Erstbehörde gerichteten Schriftsatz vom 13. Mai 1991) vor, durch den an die Stelle der früheren niedrigen Emissionsquellen tretenden Zentralkamin würden die Abgase des Werkes T. in den Bereich oberhalb der Inversionsschicht abgeführt. Dadurch seien nunmehr höher gelegene, früher nicht belastete Waldbereiche schädlichen Immissionen ausgesetzt. Schon dieses Vorbringen führt die Beschwerde zum Erfolg.
Eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung im Sinne des § 49 Abs. 2 ForstG infolge Änderung einer Anlage ist nicht nur dann zu erwarten, wenn durch die Änderung die Emissionen der Anlage insgesamt (trotz allfälliger kompensierender Maßnahmen) zunehmen. Sie ist auch dann zu erwarten, wenn die Emissionen zwar unverändert bleiben oder abnehmen, aber dennoch eine Zunahme der Immissionen zumindest in bestimmten Waldbereichen gegenüber dem früheren Zustand zu erwarten ist. Maßgebend ist nämlich die immissionsseitig zu erwartende Auswirkung der Änderung der Anlage. Das ergibt sich daraus, daß § 49 Abs. 2 ForstG nicht von Emissionen, sondern von der "forstschädlichen Luftverunreinigung" spricht und dieser Begriff nach der Definition des § 47 eine Immission meint (arg.: "meßbare Schäden an Waldboden oder Bewuchs verursachen").
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid wiederum keine Feststellungen darüber getroffen, ob der Zentralkamin nicht bereits vor dem Inkrafttreten des Forstgesetzes 1975 errichtet worden ist (was die mitbeteiligte Partei in ihrer Gegenschrift behauptet). Damit ist nach wie vor offen, ob nicht schon aus diesem Grunde die Bewilligungspflicht für den Zentralkamin nach § 49 Abs. 2 ForstG zu verneinen ist. Zum anderen hat die belangte Behörde zwar angenommen, es sei insgesamt keine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung, sondern insbesondere auch bei der Zentralkaminanlage in Verbindung mit den übrigen Maßnahmen eine deutliche Verbesserung der Immissionen zu erwarten. Dem ist der Beschwerdeführer jedenfalls nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Diese globale Feststellung reicht aber im Hinblick auf sein Vorbringen, es seien durch den Zentralkamin nunmehr auch früher nicht belastete Waldbereiche von den Emissionen des Werkes T betroffen, nicht aus. Sollte dieses Vorbringen zutreffen, so wäre nach dem vorhin Gesagten insoweit eben doch eine Zunahme der forstschädlichen Luftverunreinigung zu erwarten. Es hätte daher zusätzlicher Feststellungen und Ausführungen darüber bedurft, ob infolge des Einbringens der Emissionen in höhere Luftschichten trotz einer insgesamt zu erwartenden Abnahme der Emissionen des Werkes T dennoch eine Zunahme der Immissionen in bestimmten Waldbereichen zu erwarten ist. Davon abgesehen stehen die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Feststellungen, daß es etwa hinsichtlich der Schwefelimmissionen auch zur Überschreitung der in der Verordnung gegen forstschädliche Luftverunreinigungen festgelegten Grenzwerte gekommen sei, daß durch die Umstellung auf Erdgas eine deutliche Verbesserung der Immissionskonzentration zu erwarten sei, daß durch den Kamin eine deutliche Verbesserung der Staubimmissionen festgestellt worden sei, in keinem erkennbaren sinnvollen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang. Derartige mehr oder weniger willkürlich aneinandergereihte Daten lassen eine Beantwortung der Frage, ob durch die Änderungen der Anlage eine Zunahme der schädlichen Luftverunreinigung zu erwarten ist, nicht zu.
Aus diesem Grund ist der angefochtene Bescheid, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen werden muß, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens des Beschwerdeführers beruht darauf, daß die Vorlage EINER Ausfertigung des angefochtenen Bescheides genügte und daher auch nur die darauf entfallende Beilagengebühr (S 60,--) zu ersetzen ist.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1993:1991100161.X00Im RIS seit
20.11.2000