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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):93/18/0512 93/18/0511Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde
1) der AK, 2) der EN, und 3) der MN, alle vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 15. September 1993, jeweils betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in bezug auf Erteilung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Die Beschwerdeführerinnen, ungarische Staatsangehörige, hatten am 19. Jänner 1993 bei der österreichischen Botschaft in Budapest jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerkes und - infolge Säumigkeit dieser Behörde - am 20. Juli 1993 jeweils einen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an den Bundesminister für Inneres gestellt.
2. Jeweils mit Bescheid vom 15. September 1993 stellte der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) fest, daß die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anträge auf Erteilung eines Sichtvermerkes nicht auf ihn übergegangen sei und wies die Devolutionsanträge gemäß § 73 AVG zurück.
Begründend führte die belangte Behörde folgendes aus: Im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Beschwerdeführerinnen im Ausland sei gemäß § 65 Abs. 2 des Fremdengesetzes-FrG für die Erteilung der Sichtvermerke die österreichische Botschaft in Budapest zuständig gewesen. § 7 Abs. 7 leg. cit. normiere, daß Anträge mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes, BGBl. Nr. 466/1992, an die zuständige Behörde weiterzuleiten seien. Gemäß § 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes sei der Landeshauptmann Behörde erster Instanz. In bezug auf die Erteilung der beantragten Sichtvermerke sei somit am 1. Juli 1993 die Zuständigkeit von der österreichischen Botschaft in Budapest auf den Landeshauptmann von Niederösterreich übergegangen. Bei einer Änderung der Rechtslage, insbesondere einer Änderung der Zuständigkeit zur Bescheiderlassung, könne eine Behörde lediglich hinsichtlich ihrer Verpflichtung, den Antrag an die nun zuständige Behörde weiterzuleiten, säumig werden. Ihre Entscheidungspflicht sei infolge der Zuständigkeitsänderung untergegangen (Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Da die Beschwerdeführerinnen für ihren Aufenthalt in Österreich eine Bewilligung gemäß den §§ 1 und 6 des Aufenthaltsgesetzes benötigten, dürfe ihnen kein Sichtvermerk nach dem Fremdengesetz erteilt werden; ihre Anträge seien unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten (§ 7 Abs. 7 FrG); eine Säumigkeit der österreichischen Botschaft in Budapest könne daher nicht vorliegen.
3. Gegen die drei gleichlautenden Bescheide der belangten Behörde vom 15. September 1993 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes, "in eventu wegen Rechtswidrigkeit ihres Zustandekommens", aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bringt vor, daß die Beschwerdeführerinnen Gesellschafterinnen einer OEG seien und gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 des Aufenthaltsgesetzes einer Bewilligung zum Aufenthalt bedürften. Aufgrund des § 7 Abs. 7 FrG sei mit Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes (1. Juli 1993) die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Anträge der Beschwerdeführerinnen von der österreichischen Botschaft in Budapest auf den Landeshauptmann (hier: von Niederösterreich) übergegangen. Es wäre jedoch falsch, davon auszugehen, daß die Sechs-Monate-Frist des § 73 Abs. 1 AVG für den Landeshauptmann vom 1. Juli 1993 (oder gar vom Zeitpunkt des Einlangens der von der Botschaft übermittelten Anträge) an zu rechnen wäre. Die überragende Bedeutung, die einer von den Parteien relevierbaren Entscheidungspflicht im Lichte des rechtsstaatlichen Prinzips zukomme, müsse dazu führen, daß die Sechs-Monate-Frist ab dem Einlangen des Antrages bei der Botschaft gerechnet werde "und damit gleichsam eine Fortschreibung der Säumigkeit auf den Landeshauptmann von Niederösterreich erfolgt".
2. Diesem Vorbringen vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten.
Gemäß § 65 Abs. 2 Z. 1 FrG obliegt die Erteilung von Sichtvermerken im Ausland den diplomatischen und den von Berufskonsulen geleiteten österreichischen Vertretungsbehörden.
Zufolge des § 7 Abs. 7 leg. cit. darf dem Fremden kein Sichtvermerk nach diesem Bundesgesetz erteilt werden, wenn sich aus den Umständen des Falles ergibt, daß der Antragsteller für den Aufenthalt eine Bewilligung gemäß den §§ 1 und 6 des Bundesgesetzes, mit dem der Aufenthalt von Fremden in Österreich geregelt wird (Aufenthaltsgesetz), BGBl. Nr. 466/1992, benötigt. Das Anbringen ist als Antrag gemäß § 6 des Aufenthaltsgesetzes unverzüglich an die zuständige Behörde weiterzuleiten, der Antragsteller ist davon in Kenntnis zu setzen.
Das Aufenthaltsgesetz ist gemäß seinem § 15 Abs. 1 mit 1. Juli 1993 in Kraft getreten.
Aus der zuletzt genannten Bestimmung ergibt sich, daß eine Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 1 AVG betreffend Anträge auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu denen auch ursprünglich auf Erteilung von Sichtvermerken gerichtete und nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als Anträge gemäß § 6 dieses Gesetzes weiterzuleitende Anbringen zu zählen sind, frühestens mit 1. Juli 1993 entstehen konnte (vgl. den hg. Beschluß vom 30. September 1993, Zl. 93/18/0383). Da somit die Sechs-Monate-Frist des § 73 Abs. 1 AVG für die Entscheidung des nach § 6 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes zuständigen Landeshauptmannes im Zeitpunkt der Einbringung der Devolutionsanträge bei der belangten Behörde noch nicht abgelaufen war, steht die mit den bekämpften Bescheiden ausgesprochene Zurückweisung dieser Anträge mit dem Gesetz in Einklang.
3. Da nach dem Gesagten die von den Beschwerdeführerinnen behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993180510.X00Im RIS seit
02.05.2001Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017