TE Vfgh Beschluss 1991/6/26 A2162/90

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art137 / Zinsen
B-VG Art137 / Bescheid
Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983 §2 Abs2
AVG §78a

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage auf Zahlung von Verzugszinsen für zu Unrecht geleistete Bundesverwaltungsabgaben; Rückforderungsanspruch hinsichtlich Verwaltungsabgaben und Verzugszinsen als Annex im Abgabeverfahren durchzusetzen

Spruch

Die Klage wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. In der unter Berufung auf Art137 B-VG erhobenen Klage gegen die Republik Österreich (Bund) begehrte der Kläger, die beklagte Partei für schuldig zu erkennen, ihm den Betrag von

S 60,-- samt 4 % Zinsen seit dem 5. Juli 1990 sowie die Kosten des Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründend wird dazu im wesentlichen vorgebracht, daß dem ausgewiesenen Klagsvertreter bei der Anfertigung von Aktenkopien am 5. Juli 1990 aus einem Verwaltungsakt bei der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya wegen vorübergehender Entziehung der Lenkerberechtigung Verwaltungsabgaben in der Höhe von S 60,-- in Rechnung gestellt und von diesem bar entrichtet worden seien. Da jedoch nach der Verordnung der Bundesregierung vom 21. Dezember 1982, BGBl. 24/1983, über die Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung und über die Art ihrer Einhebung bei den Bundesbehörden (im folgenden: Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983) in den Angelegenheiten der Entziehung der Lenkerberechtigung bei der Herstellung von Aktenkopien die Einhebung von Verwaltungsabgaben nicht vorgesehen sei, sei die Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya in Vollziehung des Kraftfahrwesens ohne rechtliche Grundlage tätig geworden.

Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG sei gegeben, weil darüber weder ein Gericht abzusprechen habe - der Rückforderungsanspruch würde auf öffentlichem Recht beruhen - noch der Verwaltungsweg offenstehe.

2. Der Verfassungsgerichtshof stellte die Klage dem Bund zuhanden des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr zu, der in seiner Stellungnahme vom 22. November 1990 hinsichtlich der Vorlage der Verwaltungsakten auf einen zu B1011/90 beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Fall hinwies und im übrigen erklärte, daß das Klagebegehren dem Grunde nach anerkannt werde und die Rückerstattung des Klagsbetrages erfolgt sei.

3. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 1991 schränkte der Kläger das Klagebegehren infolge Zahlung des Klagsbetrages am 22. Oktober 1990 auf 4 % Zinsen aus S 60,-- ab 5. Juli 1990 bis 21. Oktober 1990 sowie auf Verfahrenskosten ein.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Klage erwogen:

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder auf dem ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

2. Ein Anspruch auf Verzugszinsen ist nur dann ein vermögensrechtlicher Anspruch iS des Art137 B-VG, wenn auch der Anspruch, bezüglich dessen Leistungsverzug behauptet wird, im Wege einer Klage nach Art137 B-VG geltend zu machen wäre; insofern ist der Anspruch auf Verzugszinsen ein Annex zu dem die Hauptsache bildenden vermögensrechtlichen Anspruch (vgl. VfSlg. 5987/1969, 7571/1975, VfGH 12. Juni 1989, A4/88).

Der Verfassungsgerichtshof geht auf Grund des unwidersprochen gebliebenen Klagsvorbringen davon aus, daß mit der vorliegenden Klage ein vermögensrechtlicher Rückforderungsanspruch hinsichtlich einer entgegen §78a AVG eingehobenen Bundesverwaltungsabgabe begehrt wird.

Verwaltungsabgaben sind Abgaben iS der Finanzverfassung. Die Regelung der Bundesverwaltungsabgaben findet sich in §78 AVG, wonach die Einhebung von Bundesverwaltungsabgaben an die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich im Privatinteresse der Partei liegende Amtshandlungen der Behörden geknüpft wird (vgl. VfSlg. 6103/1969). Die Bundesverwaltungsabgaben sind gemäß §78 Abs4 AVG von der in der Sache in erster Instanz zuständigen Behörde einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand dieser Behörde zu tragen hat. Gemäß §78a AVG ist ua. die Anfertigung von Aktenkopien von den Bundesverwaltungsabgaben befreit.

Der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte, auf §78a AVG gestützte vermögensrechtliche Rückforderungsanspruch wird aus einem Titel erhoben, dessen Rechtsgrund im öffentlichen Recht liegt. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, ist - soferne nichts anderes angeordnet ist - die Zuständigkeit der (ordentlichen) Gerichte für Rückforderungsansprüche nicht gegeben, wenn ein Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruht (VfSlg. 8954/1980 sowie die dort zitierte Vorjudikatur).

4. Es ist aber auch zu prüfen, ob über den mit Klage geltend gemachten Anspruch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist. Der Verfassungsgerichtshof hat nun in VfSlg. 10.740/1986 zu §241 Abs1 BAO, wonach Abgaben, die zu Unrecht zwangsweise eingebracht wurden, auf Antrag zurückgezahlt werden müssen, ausgesprochen, daß auf Grund dieser Regelung dem Kläger die Möglichkeit offenstehen würde, im Abgabenverfahren die eingeklagte Forderung geltend zu machen.

Eine vergleichbare Bestimmung enthält §2 Abs2 der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983, BGBl. 24:

"Soweit eine Verwaltungsabgabenschuld nicht besteht oder nachträglich weggefallen ist, sind hierauf entrichtete Beträge zu erstatten."

Aus dieser Pflicht zur Rückerstattung zu Unrecht geleisteter Bundesverwaltungsabgaben ist abzuleiten, daß sie auch und gerade im Interesse derjenigen festgelegt wurde, die das Vorliegen eines Rückforderungsanspruches behaupten. §2 Abs2 der Bundes-Verwaltungsabgabenverordnung 1983 schafft also einen im Abgabeverfahren durchzusetzenden Rückforderungsanspruch.

Der Verfassungsgerichtshof ist damit nicht zuständig, über das (eingeschränkte) Klagebegehren zu entscheiden. Die Klage war daher wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Verwaltungsabgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1991:A2162.1990

Dokumentnummer

JFT_10089374_90A02162_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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