TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/13 93/18/0584

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Veröffentlicht am 13.01.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §6 Abs1;
AsylG 1991 §6 Abs2 idF 1992/838;
AsylG 1991 §7 Abs1;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §37;
FrG 1993 §5;
VStG §5 Abs1;
VStG §5 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der L in B, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 10. Mai 1993, Zl. Fr 886/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 10. Mai 1993 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, die Ausweisung verfügt.

Sachverhaltsmäßig ging die belangte Behörde davon aus, daß die Beschwerdeführerin am 26. November 1992 aus Ungarn kommend, ohne im Besitz eines österreichischen Sichtvermerkes zu sein, in das Bundesgebiet eingereist sei. Der von ihr am 3. Dezember 1992 gestellte Asylantrag sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. Dezember 1992 abgewiesen worden. Die Beschwerdeführerin halte sich demnach - so die rechtliche Schlußfolgerung - nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Unter Bezugnahme auf § 19 FrG stellte die belangte Behörde fest, daß der Ehegatte der Beschwerdeführerin seit Anfang 1992 in Österreich aufhältig sei und hier einer Beschäftigung nachgehe. Der sohin mit der Ausweisung der Beschwerdeführerin verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben sei im Hinblick auf den von ihr zu verantwortenden gravierenden Verstoß gegen die österreichische Rechtsordnung zur Wahrung der öffentlichen Ordnung nicht nur gerechtfertigt, sondern sogar geboten. Die Gründe für die Flucht der Beschwerdeführerin aus China sowie ihr Zwischenaufenthalt in Rumänien (von Juni 1991 bis November 1992) seien für die Ausweisung nicht relevant, ebensowenig, ob der Aufenthalt der Beschwerdeführerin zu einer finanziellen Belastung des Staates oder des Arbeitsmarktes führen könnte. Die zeugenschaftliche Einvernahme des Ehegatten der Beschwerdeführerin habe unterbleiben können, zumal er keine Angaben über deren Einreise machen könne. Soweit sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auf die Motive ihrer Flucht, ihres rechtswidrigen Aufenthaltes in Rumänien, ihrer Einreise nach Österreich sowie ihren Asylantrag beziehen, werde darauf in einem gesonderten Verfahren nach § 54 FrG eingegangen.

2. Der dagegen zunächst angerufene Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 28. September 1993, B 1258/93).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und begehrt deshalb die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.

Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 19 ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

2.1. Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Bescheid zunächst deshalb für inhaltlich rechtswidrig, weil die belangte Behörde nicht auf § 19 FrG Bedacht genommen habe.

2.2. Dieser Vorwurf ist unberechtigt. Die belangte Behörde hat - durchaus im Sinn der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht - einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch die Ausweisung angenommen, allerdings diesen Eingriff zur Wahrung der öffentlichen Ordnung für erforderlich angesehen. Der Gerichtshof vermag diese Auffassung nicht als rechtswidrig zu erkennen. Ein geordnetes Fremdenwesen ist für den österreichischen Staat von eminentem Interesse. Dies umso mehr in einer Zeit, in der, wie in jüngster Vergangenheit unübersehbar geworden, der Zuwanderungsdruck kontinuierlich zunimmt. Um den mit diesem Phänomen verbundenen zum Teil gänzlich neuen Problemstellungen in ausgewogener Weise Rechnung tragen zu können, gewinnen die für Fremde vorgesehenen Rechtsvorschriften zunehmend an Bedeutung. Den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Von daher gesehen ist jedenfalls ein Verhalten wie das von der Beschwerdeführerin gesetzte, nämlich der unrechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet, dem nie ein rechtmäßiger vorausgegangen ist, eine Beeinträchtigung des bezeichneten maßgeblichen öffentlichen Interesses von solchem Gewicht, daß das Dringend-geboten-sein der Ausweisung und damit die Zulässigkeit dieser Maßnahme i.S. des § 19 FrG mit der belangten Behörde zu bejahen ist. Ergänzend sei hiezu - in Erwiderung auf entsprechendes Beschwerdevorbringen - noch angemerkt, daß die mangelnde Kenntnis der Beschwerdeführerin von der Sichtvermerkspflicht (unter der Annahme, daß diese Behauptung zutrifft) im gegebenen Zusammenhang rechtlich irrelevant ist, da es dem Fremden obliegt, sich vor seiner Einreise in das Bundesgebiet über die für ihn geltenden fremdenrechtlichen Vorschriften Kenntnis zu verschaffen.

3. Was den in der Beschwerde unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit geltend gemachten angeblichen "Widerspruch" zwischen den Bestimmungen des § 17 Abs. 1 und des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG anlangt, so braucht auf dieses Vorbringen nicht eingegangen zu werden, da die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid ausschließlich auf § 17 Abs. 1 (iVm § 19) FrG gestützt und sich demnach die verwaltungsgerichtliche Überprüfung allein darauf zu erstrecken hat, ob die Voraussetzungen zur Anwendung dieser Norm vorgelegen sind.

4.1. Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerde darin, daß der bekämpfte Bescheid ihrer Meinung nach gegen "§ 37 FrG im Zusammenhalt mit Art. 33 Genfer Flüchtlingskonvention" verstößt. Dazu wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe im Verfahren vorgebracht, daß ihr in China die Verhaftung drohe, wobei die Gefahr und somit die Furcht vor Folter und unmenschlicher bzw. erniedrigender Bestrafung und Behandlung durchaus begründet sei. Dieses Vorbringen ist im Lichte der weiteren Beschwerdebehauptung zu sehen, derzufolge die Beschwerdeführerin unter den Personenkreis des § 6 Abs. 2 zweiter Fall des Asylgesetzes 1991 falle und ihr demnach im Grunde des § 7 Abs. 1 leg. cit. die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zugekommen sei.

4.2. Auch diese Rechtsrüge versagt. Unter Zugrundelegung der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 (vgl. etwa das Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/18/0575) hatte die Beschwerdeführerin im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides deshalb keine Aufenthaltsberechtigung nach der zitierten Bestimmung in Verbindung mit § 6 Abs. 2 zweiter Fall Asylgesetz 1991 idF des Art. II Z. 1 BGBl. Nr. 838/1992, weil weder die Beschwerdeführerin behauptet hat noch sonst ein Anhaltspunkt für die Annahme vorliegt, sie hätte gemäß § 37 FrG wegen Vorliegens der dort genannten Gründe nicht in den Staat, aus dem sie direkt eingereist war, nämlich Ungarn, zurückgewiesen werden dürfen. Ob die Beschwerdeführerin allenfalls, wie sie behauptet, in China oder in Rumänien einer dem § 37 FrG zu subsumierenden Gefahr bzw. Bedrohung ausgesetzt wäre, ist aus dem Blickwinkel des § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 rechtlich unerheblich, weil - auch im Hinblick auf das insoweit unmißverständliche Beschwerdevorbringen - kein Zweifel daran besteht, daß die Beschwerdeführerin weder direkt aus China noch direkt aus Rumänien nach Österreich gekommen ist (§ 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991).

5. Bei diesem Ergebnis ist der Verfahrensrüge, wonach es die belangte Behörde unterlassen habe, den Ehegatten der Beschwerdeführerin zum Beweis dafür zu vernehmen, daß die Beschwerdeführerin in China und in Rumänien der Gefahr der Verfolgung ausgesetzt sei, der Boden entzogen.

6. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren (somit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung) als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180584.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

16.04.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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