TE Vfgh Erkenntnis 1991/6/26 A39/85

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Veröffentlicht am 26.06.1991
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/06 Krankenanstalten, Kurorte

Norm

B-VG Art137 / Klage zw Gebietsk
KRAZAF-ErrichtungsG §15 Abs3 und Abs4
Voranschlags- und RechnungsabschlußV
UOG §1
F-VG 1948 §2
KrankenanstaltenkostenrechnungsV §2
KAG §27 Abs1
KAG §27 Abs3
KAG §28 Abs1
KAG §55
KAG §55 Z2
KAG §58
KAG §59a
Wr KAG 1987 §44 Abs1
Wr KAG 1987 §44 Abs5
Wr KAG 1987 §46
JN §96
ZPO §43 Abs2
ZPO §232 f
ZPO §273 Abs1

Leitsatz

Teilweise Stattgebung einer Klage der Stadt Wien gegen den Bund auf Ersatz des tatsächlichen "klinischen Mehraufwandes" im AKH für die Jahre 1982, 1983 und 1984; Ermittlung des klinischen Mehraufwandes durch einen Vergleich der Kosten des AKH mit anderen Wiener Spitälern; Festsetzung eines nicht durch Lehre und Forschung verursachten Anteils an den Mehrkosten durch den Verfassungsgerichtshof nach dessen freier Überzeugung; Abweisung der Widerklage des Bundes als unbegründet

Spruch

1. Der Bund (Bundesminister für Wissenschaft und Forschung) ist schuldig, der Stadt Wien, zu Handen ihres Rechtsvertreters, binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den noch aushaftenden klinischen Mehraufwand im Allgemeinen Krankenhaus in Wien für die Jahre 1982, 1983 und 1984 in der Höhe von S 212,840.922,28 samt 4 % Zinsen ab dem Klagstag (26. September 1985) zuzüglich 10 % Umsatzsteuer aus den Zinsen zu bezahlen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2. Die vom Bund gegen die Stadt Wien erhobene Widerklage wird abgewiesen.

3. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Bestimmung der Sachverständigengebühren bleibt einer gesonderten Beschlußfassung vorbehalten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Stadt Wien ist Rechtsträger (Spitalserhalter) des "Allgemeinen Krankenhauses" in Wien (im folgenden kurz: AKH), dessen Abteilungen zugleich dem Bund als Universitätskliniken dienen.

Gemäß §55 Z2 des Krankenanstaltengesetzes (KAG), BGBl. 1/1957, hat der Bund dem Spitalserhalter die Mehrkosten zu ersetzen, die sich beim Betrieb der zugleich dem Unterricht an medizinischen Fakultäten dienenden öffentlichen Krankenanstalten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben. Eine Verordnung des Bundesministers für Unterricht (nunmehr: des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung) gemäß §56 KAG, mit der nähere Vorschriften über die im §55 vorgesehenen Kostenersätze des Bundes erlassen werden, ist bisher nicht ergangen.

Unstrittig ist dem Grunde nach, daß sich beim Betrieb des AKH derartige, vom Bund der Stadt Wien zu ersetzende Mehrkosten (ein sogenannter "klinischer Mehraufwand") ergeben.

(Da der Begriff "klinischer Mehraufwand", abgekürzt "KMA", in den Schriftsätzen und den vom Verfassungsgerichtshof eingeholten Gutachten teilweise Unterschiedliches bezeichnet, wird im weiteren vom Verfassungsgerichtshof - sofern sich nicht aus dem Zusammenhang eindeutig ergibt, welcher Begriff gemeint ist - folgende einheitliche Terminologie verwendet: "tatsächlicher klinischer

Mehraufwand" = jener klinische Mehraufwand, der im AKH tatsächlich

entstanden ist; "entrichteter klinischer Mehraufwand" = die vom

Bund bereits an die Stadt Wien unter dem Titel "klinischer Mehraufwand" zu dessen Abdeckung überwiesenen Beträge; "errechneter klinischer Mehraufwand" = der vom Sachverständigen errechnete klinische Mehraufwand (der von ihm weiter untergliedert wird, siehe im folgenden); "KMA-netto" = errechneter klinischer Mehraufwand abzüglich Personal- bzw. Pensionsleistungen des Bundes; "festgestellter klinischer Mehraufwand" = vom Verfassungsgerichtshof als richtig festgestellter klinischer Mehraufwand. Soweit in Originalzitaten die Begriffe entsprechend dieser Terminologie ergänzt werden, werden diese Ergänzungen in eckige Klammern gesetzt.)

Bereits im Jahre 1953 bestand zwischen der Stadt Wien und dem Bund Streit über die Höhe des durch die Unterrichtsbedürfnisse tatsächlich verursachten klinischen Mehraufwandes (wobei damals - §55 Z2 KAG existierte noch nicht - die Klage unmittelbar auf §2 F-VG 1948 gestützt war, siehe unten II.C.2.). Nachdem das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 2604/1953 ergangen war, schlossen die beiden Gebietskörperschaften im Jahre 1957 eine Vereinbarung über die Refundierung des klinischen Mehraufwandes durch den Bund, die berücksichtigte, daß der Bund die Personalkosten für das im AKH tätige Bundespersonal trägt, und die den darüber hinaus zu ersetzenden klinischen Mehraufwand mit 18 % der Nettoausgaben des AKH bestimmte.

Die Stadt Wien kündigte im Jahre 1981 diese Vereinbarung, da sie meinte, der tatsächliche klinische Mehraufwand sei höher, weswegen sie eine entsprechend höhere Refundierung durch den Bund anstrebte. Die vor und nach Kündigung der Vereinbarung darüber geführten Verhandlungen verliefen ergebnislos. Der Bund trug weiterhin den Personalaufwand für die Bundesbediensteten und bezahlte weiterhin - wie im seinerzeitigen (wenngleich gekündigten) Vertrag vereinbart - 18 % der Nettoausgaben des AKH an die Stadt Wien.

b) Im Jahre 1982 erhob die Stadt Wien beim Verfassungsgerichtshof gegen den Bund eine auf Art137 B-VG gestützte Klage; darin wurde begehrt festzustellen, daß der (tatsächliche) klinische Mehraufwand auf eine bestimmte Weise zu errechnen sei. Diese Feststellungsklage wurde mit Beschluß VfSlg. 10161/1984 als unzulässig zurückgewiesen; die Berechnungsmethode könne nicht Feststellungsgegenstand sein.

2.a) Nunmehr brachte die Stadt Wien gegen den Bund am 25. September 1985 eine auf Art137 B-VG gestützte Leistungsklage ein, in der sie den Ersatz des (tatsächlichen) klinischen Mehraufwandes, der nach ihrer Berechnung in den Jahren 1982, 1983 und 1984 durch den Betrieb des AKH aufgelaufen ist (§55 Z2 KAG), begehrt.

Die Klage geht von jener Berechnungsmethode aus, die der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis VfSlg. 2604/1953 entwickelt hat, nämlich von einem Vergleich der Nettoausgaben von 15 (anderen) Wiener städtischen Krankenanstalten und jenen des AKH. Als Nettoausgaben werden in der Klage jene Beträge herangezogen, die nach der Voranschlags- und Rechnungsabschlußverordnung (VRV), BGBl. 159/1983, ermittelt und in den Rechnungsabschlüssen nachgewiesen sind. Die Mehrausgaben des AKH seien der zu ersetzende (tatsächliche) klinische Mehraufwand, wobei verschiedene, vom Verfassungsgerichtshof im genannten Erkenntnis vorgenommene Adaptionen und Schätzungen zur Anpassung der errechneten Mehrausgaben für das AKH gegenüber den Vergleichsspitälern nicht mehr erforderlich bzw. nicht mehr zutreffend seien, sodaß die gesamte Differenz die nach §55 Z2 KAG zu ersetzenden Kosten bilde.

Den von ihr so ziffernmäßig bestimmten Betrag modifizierte die Klägerin im Zuge des Verfahrens, indem sie mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1989 ihre Berechnung hinsichtlich des bereits vom Bund entrichteten klinischen Mehraufwandes berichtigte und letztlich mit Schriftsatz vom 28. Mai 1991 ihr Begehren dahingehend erweiterte, daß sie die ziffernmäßigen Feststellungen des Sachverständigen über den von ihm (auf Basis der nach der Krankenanstaltenkostenrechnungsverordnung (KRV), BGBl. 328/1977, erstellten Kostenachweise) im Gutachten vom Dezember 1990, Variante 2 (Berechnung unter Einbeziehung von Pensionskosten), errechneten klinischen Mehraufwand im wesentlichen übernahm; sie modifizierte lediglich das Datenmaterial über den Personalaufwand des Bundes, von dem das Gutachten ausgeht, dahin, daß sie die vom Bund bekanntgegebenen Zahlen einsetzte.

Die Klägerin behauptet, daß sich folgende Restschuld des Bundes ergebe:

1982:   S 1.129,023.000,--        KMA-netto

      - S   405,421.654,21        Zahlung Bund für 1982

        __________________        (= entrichteter KMA)

        S   723,601.345,79        Restschuld des Bundes

1983:   S 1.174,175.000,--        KMA-netto

      - S   432,497.675,09        Zahlung Bund für 1983

        __________________        (= entrichteter KMA)

        S   741,677.324,91        Restschuld des Bundes

1984:   S 1.302,054.000,--        KMA-netto

      - S   479,725.895,81        Zahlung Bund für 1984

        __________________        (= entrichteter KMA)

        S   822,328.104,19        Restschuld des Bundes

Gesamte Restschuld des Bundes für die Jahre 1982 - 1984:

  S 723,601.345,79

+ S 741,677.324,91

                   S 1.465,278.670,70    für 1982 und 1983

                 + S   822,328.104,19    für 1984

                   S 2.287,606.774,89    Restschuld des Bundes

                                         exkl. USt

                 + S   117,222.293,66    (8 % USt aus

                                         S 1.465,278.670,70)

                 + S    82,232.810,42    (10 % USt aus

                                         S 822,328.104,19)

                   S 2.487,061.878,08    Restschuld des Bundes

                                         inkl. USt

Die klagende Stadt Wien stellt sohin letztlich folgendes Klagebegehren:

"Der Bund ist schuldig, der Stadt Wien, zu Handen Rechtsanwalt DDr. W B binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den klinischen Mehraufwand für die Jahre 1982, 1983 und 1984 in Höhe von S 2.287,606.774,89 zuzüglich 8 % USt aus S 1.465,278.670,70 (1982/1983) und 10 % USt aus S 822,328.104,19 (1984) samt 4 % Zinsen ab dem Klagstag zuzüglich 10 % USt aus den Zinsen sowie die Kosten dieses Verfahrens zu bezahlen."

b) Der durch die Finanzprokuratur vertretene Bund erstattete zunächst am 12. Dezember 1985 eine Gegenschrift, in der er begehrt, die Klage abzuweisen und die Klägerin zum Ersatz der Verfahrenskosten zu verhalten.

Er wendet im wesentlichen ein, die von der Stadt Wien errechneten Mehrausgaben für das AKH gegenüber den Vergleichsspitälern seien nicht bloß auf die "Bedürfnisse des Unterrichtes" im Sinne des §55 Z2 KAG zurückzuführen, sondern auch auf mehrere andere (näher dargelegte) Faktoren, die den Betrieb des AKH gegenüber den Vergleichsspitälern verteuern; der auf den (tatsächlichen) klinischen Mehraufwand zurückgehende Anteil an den Mehrausgaben sei mit der Tragung der Personal- und Pensionsleistungen für das Bundespersonal sowie dem bereits entrichteten klinischen Mehraufwand abgegolten.

c) In der Folge (nämlich am 5. September 1989) brachte der Bund gegen die Stadt Wien eine Widerklage ein. Der (tatsächliche) klinische Mehraufwand sei anders zu berechnen, als von der Stadt Wien angenommen werde, weil insbesondere zu berücksichtigen sei, daß im AKH deswegen höhere Kosten entstünden, weil es eine (nicht auf die Bedürfnisse des Unterrichts zurückzuführende) höhere medizinische Leistungskraft als die Vergleichsspitäler aufweise. Wenn dies - wie in einem vom Bund vorgelegten Privatgutachten - berücksichtigt werde, habe der Bund für die Jahre 1982 bis 1984 der Stadt Wien unter dem Titel "klinischer Mehraufwand" höhere als die gesetzlich (§55 Z2 KAG) vorgeschriebenen Beträge überwiesen. Diese Überzahlungen werden rückgefordert.

Der Bund schlüsselt seine Forderungen zusammengefaßt wie folgt auf:

für 1982:

18 % Zahlung des Bundes

(= entrichteter KMA)

   (exkl. 8 % USt)       S   405,421.654,21

(tatsächlicher)

Personalaufwand (Bund)   S   483,415.256,00

(geschätzter)

Pensionsaufwand (Bund)   S   112,806.883,64

                         S 1.001,643.793,85  S 1.001,643.793,85

(vom Bund errechneter)

klinischer Mehraufwand                     - S   620,994.425,00

Forderung des Bundes                         S   380,649.368,85

für 1983:

18 % Zahlung des Bundes

(= entrichteter KMA)

   (exkl. 8 % USt)       S   432,479.675,09()

(tatsächlicher)

Personalaufwand (Bund)   S   512,700.173,00

(geschätzter)

Pensionsaufwand (Bund)   S   119,640.636,17

                         S 1.064,820.484,26  S 1.064,820.484,26

(vom Bund errechneter)

klinischer Mehraufwand                     - S   393,982.819,00

Forderung des Bundes                         S   670,837.665,26

( richtig: 432,497.675,09, wie sich aus der Berechnung des Bundes in der Widerklage ergibt, welcher Betrag von den Parteien außer Streit gestellt wurde)

für 1984:

18 % Zahlung des Bundes

(= entrichteter KMA)

   (exkl. 10 % USt)      S   479,725.895,81

(tatsächlicher)

Personalaufwand (Bund)   S   548,202.068,00

(geschätzter)

Pensionsaufwand (Bund)   S   127,925.145,37

                         S 1.155,853.109,18  S 1.155,853.109,18

(vom Bund errechneter)

klinischer Mehraufwand                     - S   437,061.620,00

Forderung des Bundes                         S   718,791.489,18

Es bestehe daher - so wird in der Widerklage ausgeführt - in Wahrheit keine Forderung der Stadt Wien gegen den Bund auf Ersatzleistungen aus dem Titel des klinischen Mehraufwandes im Zusammenhang mit dem Betrieb des AKH (§55 Z2 KAG); vielmehr habe der Bund für die klagsgegenständlichen Jahre Leistungen erbracht, die den tatsächlichen klinischen Mehraufwand beträchtlich übersteigen. Es bestehe daher in Wahrheit eine Forderung des Bundes gegen die Stadt Wien als Erhalter des AKH für die fraglichen Jahre in nachstehender Höhe:

für 1982:            S   380,649.368,85

für 1983:            S   670,837.665,26

für 1984:            S   718,791.489,18

                     S 1.770,278.523,29

                     ==================

Der widerklagende Bund begehrt sohin, folgendes Urteil zu fällen:

"Die Stadt Wien ist schuldig, dem Bund zu Handen der Finanzprokuratur binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution den Betrag von S 1.770,278.523,29 samt 4 % Zinsen ab Klagsführung und die Kosten dieses Rechtsstreites zu bezahlen."

3.a) Da es zur Lösung der sich hier stellenden Fragen besonderer betriebswirtschaftlicher Sachkenntnisse (im besonderen solcher auf dem Gebiet der Krankenhaus-Kostenrechnung) bedarf, bestellte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 19. Juni 1986

o. Univ.Prof. Mag. Dr. D M, Universität Graz, zum Sachverständigen.

In einem ersten Gutachten vom April 1987 untersuchte der Sachverständige, welche Daten zur Berechnung des klinischen Mehraufwandes zur Verfügung stehen, ob mit diesen die von den Bedürfnissen des Unterrichtes verursachten Kosten im betriebswirtschaftlichen Sinn ermittelt werden könnten und nach welchen wissenschaftlich anerkannten Methoden dies erfolgen könne.

Darauf aufbauend wurde er mit hg. Beschluß vom 1. Juli 1987 beauftragt, ein weiterführendes Gutachten zu erstatten:

"Der Gutachter hat aufgrund praktischer Untersuchungen ein Schema zur Berechnung des 'klinischen Mehraufwandes' in der Bedeutung des §55 Z2 des Krankenanstaltengesetzes, BGBl. 1/1957 (KAG) im Allgemeinen Krankenhaus in Wien zu entwickeln und danach die Berechnung dieser Mehrkosten durchzuführen. Dieses Berechnungsschema ist so zu adaptieren, daß es auch zukünftigen Berechnungen zugrundegelegt werden kann.

Bei seinen Untersuchungen hat der Gutachter - unter Zugrundelegung des betriebswirtschaftlichen Kostenbegriffes - nach folgenden Untersuchungsschritten vorzugehen:

1.) Definition der für die Ermittlung (Berechnung) der Mehrkosten (des klinischen Mehraufwandes) relevanten Kostenarten und Definition der für die zahlenmäßige Erhebung der Kostenarten relevanten Datenquellen.

2.) Definition der Modalitäten zur Abgrenzung (bzw. abgegrenzten Erfassung) der sog. 'direkten Mehrkosten' von den sog. 'indirekten Mehrkosten'.

3.) Untersuchung der Vergleichbarkeit der für Vergleichsrechnungen heranzuziehenden 'Vergleichskrankenanstalten' hinsichtlich

a) der für die Berechnung der 'indirekten Mehrkosten' relevanten Kostenarten;

b) der für die zahlenmäßige Erhebung der Kostenarten relevanten Datenquellen.

4.) Definition der für die Vergleichbarmachung (zur Eliminierung vergleichsverzerrender Störgrößen) benötigten Faktoren.

5.) Definition des Berechnungsschemas für die Ermittlung der Mehrkosten und Berechnung der Mehrkosten nach diesem Schema.

Ausgangsposition des Gutachtens hat zu sein, daß unter den Begriff 'Unterricht' iS des §55 Z2 KAG sowohl die universitäre Lehre (das Weitergeben der Ergebnisse der Forschung an Universitätsstudenten, nicht aber sonstiger Unterricht, etwa die Ausbildung von Krankenpflegepersonal, zB an Schwesternschulen) als auch die universitäre Forschung (jedenfalls die Grundlagenforschung und auch jene Forschung, die über die in Zentralkrankenanstalten - §2a Abs1 litc KAG - nötige und übliche hinausgeht) fällt."

Diesem Auftrag kam o.Univ.Prof. Dr. M mit einem zweiten Gutachten vom Mai 1988 nach, dessen wesentlicher Inhalt sich aus den Ausführungen zu II.C.3. und 4. ergibt.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1989, adaptiert mit Beschluß vom 28. Juni 1990, wurde der Sachverständige angewiesen, die von ihm im April 1987 und im Mai 1988 erstatteten Gutachten zu ergänzen und den "klinischen Mehraufwand" (in der Bedeutung des §55 KAG), der sich aus dem Betrieb (§55 Z2 KAG) des Allgemeinen Krankenhauses in Wien in den Jahren 1982, 1983 und 1984 ergeben hat, ziffernmäßig zu berechnen. Dem Sachverständigen wurde der Auftrag erteilt, hiebei wie folgt vorzugehen:

"Bei Auslegung des Begriffes 'Mehrkosten' iS des §55 Z2 KAG hat der Gutachter vom betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff auszugehen. Abschreibungen von Wirtschaftsgütern des (unbeweglichen und beweglichen) Anlagevermögens haben außer Ansatz zu bleiben. Allfällige Ersparnisse des Bundes infolge der Mitbenützung einer bestehenden Krankenanstalt sind außer Betracht zu lassen.

Der Begriff 'Unterricht' iS der zitierten Gesetzesbestimmung ist dahin zu verstehen, daß darunter sowohl die universitäre Lehre (das Weitergeben der Ergebnisse der Forschung an Universitätsstudenten, nicht aber sonstiger Unterricht, etwa die Ausbildung von Krankenpflegepersonal, zB an Schwesternschulen) als auch die universitäre Forschung (Grundlagenforschung und auch jene Forschung, die über die in Zentralkrankenanstalten - §2a Abs1 litc KAG - nötige und übliche hinausgeht) fällt. Dabei hat der Sachverständige Kosten, die nicht durch universitäre Lehre, bzw. Kosten, die durch Forschung, wie sie auch an anderen Zentralkrankenanstalten nötig oder üblich ist, entstehen, abzugrenzen und zu quantifizieren.

Der Sachverständige hat davon auszugehen, daß eine bindende Vereinbarung über die Methode der Berechnung des auf den Betrieb des AKH bezogenen 'klinischen Mehraufwandes' nicht besteht, daß also insbesondere bei dem am 21. März 1985 zwischen Vertretern der beiden Parteien geführten Gespräch keine solche Vereinbarung getroffen wurde.

Wegen der verwaltungstechnischen Verschmelzung des Spitalsbetriebes mit dem Unterrichtsbetrieb und des Mangels an verfügbaren, ausreichenden Daten, um die konkret anfallenden einzelnen Kosten dem 'Unterricht' zuordnen zu können, scheidet für die Jahre 1982 bis 1984 ein Vergleichsrechnungsmodell auf Kostenstellenebene aus. Der sich aus dem Betrieb des AKH ergebende 'klinische Mehraufwand' für die Jahre 1982 bis 1984 ist daher durch einen Vergleich des Aufwandes des AKH mit jenem der 16 anderen - im Gutachten angeführten - Wiener Spitäler zu ermitteln (vgl. VfSlg. 2604/1953).

Hiebei hat der Sachverständige nach der von ihm im Gutachten als bestmöglich bezeichneten Methode (unter Berücksichtigung des zweiten Satzes des vorstehenden ersten Absatzes) vorzugehen und das Gutachten dahingehend zu ergänzen, daß die Kosten für die Errichtung, Ausgestaltung und Erweiterung (s. §55 Z1 KAG) sowohl beim AKH als auch bei den 16 Vergleichsspitälern vorweg ausgeschieden werden.

Bei der Vergleichsrechnung ist weder der Pflegegebührenschlüssel noch der KRAZAF-Schlüssel heranzuziehen.

.....

Schließlich sind von den nach der geschilderten Berechnungsmethode ziffernmäßig ermittelten Beträgen jene Kostenersätze i.S. des §55 Z2 KAG abzuziehen, die der Bund für die Jahre 1982 bis 1984 bereits erbracht hat, und zwar einschließlich der Leistungen durch Beistellung des Bundespersonals; dazu zählt auch der Pensionsaufwand. Sollte es dem Sachverständigen nicht möglich sein, dessen Höhe konkret festzustellen, wird er diese zu schätzen haben; der Sachverständige hat dem Verfassungsgerichtshof vorher zu berichten, welche Methode er bei der Schätzung anzuwenden gedenkt."

Aufgrund dieser Gerichtsaufträge erstattete der Sachverständige im Dezember 1990 ein ergänzendes Gutachten (Näheres s.u. II.C.3. und 4.), in dem er den klinischen Mehraufwand ziffernmäßig in zwei Varianten errechnet (siehe unten II.D.).

Schließlich wurde der Sachverständige am 3. Juni 1991 beauftragt, seine Berechnungen - einerseits ohne, andererseits mit Pensionskosten - entsprechend dem von den Parteien vorgelegten (inzwischen außer Streit gestellten) Zahlenmaterial (insbesondere über die Primärkosten der Nebenkostenstellen für Schulen und über die tatsächlichen Personalkosten des Bundes für die Jahre 1982 bis 1984) zu adaptieren.

Diesen Auftrag befolgte der Sachverständige mit seinem Gutachten vom Juni 1991 (siehe unten II.D.).

b) Die Parteien des Verfahrens wechselten wiederholt Schriftsätze. Auch der Sachverständige gab ergänzende schriftliche Stellungnahmen und Äußerungen ab.

Am 2. Juni 1989 und am 24. April 1991 erörterte der Referent dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens in Anwesenheit des Sachverständigen mit den Verfahrensparteien die bisherigen Verfahrensergebnisse.

Über die Klage und die Widerklage fanden am 6. und am 14. Dezember 1989 sowie am 12. Juni 1991 öffentliche mündliche Verhandlungen statt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Klage und die Widerklage erwogen:

A.

1. Nach Art137 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über vermögensrechtliche Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke, die Gemeinden und Gemeindeverbände, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen, noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind.

Die klagende Stadt Wien und der widerklagende Bund machen vermögensrechtliche Ansprüche jeweils gegen die andere Gebietskörperschaft geltend. Sie berufen sich dabei auf §55 Z2 KAG, eine Bestimmung finanzausgleichsrechtlichen Inhaltes.

Über diese - vermögensrechtlichen - Ansprüche ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden; es existiert auch keine Norm, nach der diese Ansprüche durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen wären (vgl. zB VfSlg. 2604/1953, S 471 ff.; 7875/1976; 9507/1982; 11064/1986; 11521/1987; 11939/1988).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Widerklage (§35 VerfGG iVm §96 JN und §§232 f. ZPO) sind gegeben; die Widerklage steht mit der Klage in engem Sachzusammenhang (vgl. Fasching, Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechtes2, Wien 1990, RZ 1301, 1304).

Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, sind die Klage und die Widerklage zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat beschlossen, das Verfahren über Klage und Widerklage zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung zu verbinden (§35 VerfGG iVm §187 ZPO).

B.

Am 21. März 1985 fand ein Gespräch zwischen Vertretern der Stadt Wien und des Bundes darüber statt, wie der klinische Mehraufwand zu ermitteln sei. Dabei wurde zwar eine Richtlinie entwickelt ("Wesentliche Richtlinie für diese (künftig noch zu führenden) Gespräche ist, daß bei Ermittlung des klinischen Mehraufwandes im Vergleichswege mit dem Aufwand Wiener Städtischer Krankenhäuser die höhere medizinische Leistungskraft des AKH in bezug auf Diagnose und Therapie zu berücksichtigen ist"), jedoch kein Einvernehmen über die anzuwendende Berechnungsmethode oder gar über ziffernmäßig bestimmte Beträge erzielt.

Dies wurde auch von den Rechtsvertretern beider Streitteile bei der am 6. Dezember 1989 abgehaltenen mündlichen Verhandlung übereinstimmend bestätigt.

Fest steht somit, daß bei diesen Vergleichsverhandlungen eine bindende Vereinbarung (vgl. hiezu VfSlg. 2604/1953, S 474 f.) zwischen den Parteien nicht zustandegekommen ist, sondern lediglich Richtlinien für künftige Vergleichsverhandlungen vorgegeben wurden, die letztlich gescheitert sind.

C.

Es ist daher zu klären, welche Ansprüche der Stadt Wien aufgrund des Gesetzes, nämlich des §55 Z2 KAG, für die Jahre 1982 bis 1984 zustehen und welche Beträge der Bund aus diesem Titel für diese Jahre bereits erbracht hat.

1. §55 Z1 und 2 KAG lautet:

"§55. Der Bund ersetzt:

1. die Mehrkosten, die sich bei der Errichtung, Ausgestaltung und Erweiterung der zugleich dem Unterricht an medizinischen Fakultäten oder an Bundes-Hebammenlehranstalten dienenden öffentlichen Krankenanstalten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben;

2. die Mehrkosten, die sich beim Betriebe der unter Z. 1 genannten Krankenanstalten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ergeben;

3. ...."

Die im §56 KAG vorgesehene Durchführungsverordnung wurde bisher nicht erlassen.

Eingeklagt wird von der Stadt Wien jener (klinische) Mehraufwand, der sich aus dem Betrieb des AKH für die Jahre 1982 bis 1984 ergibt und der nach den Behauptungen der klagenden Partei ihr bisher nicht ersetzt wurde; mit der Widerklage begehrt der Bund die Rückzahlung jener Kostenersatzbeträge, die er seiner Meinung nach über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehend der Stadt Wien für diese Jahre überwiesen habe.

2.a) Die Rechtsgrundlage für den seinerzeit von der Stadt Wien gegenüber dem Bund geltend gemachten - und mit Erkenntnis VfSlg. 2604/1953 zuerkannten - Anspruch auf Ersatz des klinischen Mehraufwandes für 1948 bis 1952 war §2 F-VG 1948.

In diesem Erkenntnis ging der Verfassungsgerichtshof davon aus, daß der Bund aufgrund dieser Bestimmung - entsprechend der Kompetenzverteilung - den "gesamten Aufwand des Hochschulwesens", daher auch die Mehrausgaben für klinischen Unterricht und Forschung, zu ersetzen hat.

b) Mittlerweile ist §55 KAG in Kraft getreten, wonach der Bund jene Mehrkosten ersetzen muß, die sich "aus den Bedürfnissen des Unterrichtes" ergeben. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist aus folgenden Gründen unter "Bedürfnissen des Unterrichtes" nicht nur die universitäre Lehre zu verstehen, sondern auch die in den Kliniken durchgeführte universitäre Forschung:

Die Universitäten sind nach §1 Abs1 UOG berufen, der wissenschaftlichen Forschung und Lehre zu dienen. Zum Wesen einer Universität gehört es, daß in ihr Lehre und Forschung Hand in Hand gehen; auch nach §1 Abs2 litb UOG gehört die Verbindung von Forschung und Lehre zu den leitenden Grundsätzen für die Tätigkeit der Universitäten. Dementsprechend wird im AKH untrennbar verbunden universitäre Lehre und Forschung betrieben.

Aus §2 F-VG 1948 ergibt sich, daß der Bund den Aufwand für die Lehre und die Forschung zu tragen hat, sofern die zuständige Gesetzgebung nichts anderes bestimmt. Es besteht nun kein Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber entsprechend diesem Halbsatz des §2 F-VG 1948 durch die Formulierung des §55 KAG ("... aus den Bedürfnissen des Unterrichtes ...") den Aufwand der nicht ausdrücklich genannten universitären Forschung auf die Länder überwälzen wollte. Auch nach §55 KAG hat der Bund daher den Ländern (in ihrer Eigenschaft als Spitalserhalter) die Mehrkosten sowohl der universitären Lehre als auch der universitären Forschung zu ersetzen. Im oben wiedergegebenen Auftrag an den Sachverständigen hat der Verfassungsgerichtshof diese Begriffe dahin näher präzisiert, daß unter universitärer Lehre das Weitergeben der Ergebnisse der Forschung an Universitätsstudenten zu verstehen ist, nicht aber sonstiger Unterricht, wie er an Krankenanstalten stattfindet, etwa die Ausbildung von Krankenpflegepersonal an Schwesternschulen.

Zur Abgrenzung der universitären Forschung von der sonstigen Forschung ist vorauszuschicken, daß es sich beim AKH unbestrittenermaßen um eine "Zentralkrankenanstalt" im Sinne des §2a Abs1 litc KAG handelt, und zwar unabhängig von seiner Stellung als Universitätsklinik (nach §2a Abs2 gelten Universitätskliniken jedenfalls als Zentralkrankenanstalten im Sinne des Abs1 litc leg.cit.). Zentralkrankenanstalten sind nach der zitierten Gesetzesbestimmung mit grundsätzlich allen dem jeweiligen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechenden spezialisierten Einrichtungen auszustatten. Wie im Verfahren einvernehmlich festgestellt wurde, führt dies dazu, daß auch an Zentralkrankenanstalten medizinische Forschung betrieben wird, weil bei hochspezialisierten Behandlungen auf dem letzten Stand der Technik die Krankenbehandlung untrennbar auch in Forschung übergeht. Dies führt dazu, daß (wie im erwähnten Gutachtensauftrag geschehen) als universitäre Forschung jedenfalls die Grundlagenforschung und auch jene Forschung zu bezeichnen ist, die über die in Zentralkrankenanstalten nötige und übliche hinausgeht.

c) Bei der Feststellung der Höhe des klinischen Mehraufwandes ging der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 2604/1953 von den "Nettoausgaben" der Krankenanstalten aus. Diese Nettoausgaben wurden entsprechend dem Rechnungswesen der Gebietskörperschaften ermittelt. Dementsprechend hat die Stadt Wien in ihrer nunmehrigen Klage ihre Forderung ursprünglich nach den "Nettoausgaben" auf der Grundlage der Rechnungsabschlüsse nach der Voranschlags- und Rechnungsabschlußverordnung (VRV) berechnet.

Die nunmehr geltend gemachten Ansprüche stützen sich auf §55 KAG. In dieser Bestimmung ist ausdrücklich von Mehrkosten die Rede. Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist davon auszugehen, daß der Gesetzgeber jenen Kostenbegriff meint, den die Betriebswirtschaftslehre entwickelt hat. Dies auch im Hinblick auf das Ziel dieses Kostenbegriffes, wie es der vom Verfassungsgerichtshof bestellte Sachverständige dargelegt hat:

Während bei der Bestimmung der Ausgaben nach dem Rechnungswesen der Gebietskörperschaften (einer - wie es der Sachverständige ausdrückt - "kameralistischen Einnahmen-Ausgabenrechnung") kein Zusammenhang zwischen den erbrachten Leistungen und den Ausgaben hergestellt werde, soll mit dem betriebswirtschaftlichen Kostenbegriff der Verbrauch sämtlicher Güter und Dienste (Produktionsfaktoren) erfaßt und bewertet werden, der für die Erbringung der Leistung des jeweiligen Betriebes erforderlich ist. Hiezu seien die Ausgaben - unabhängig von dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich getätigt werden - jener Periode zuzurechnen, in der die jeweilige Leistung (im vorliegenden Zusammenhang also die Krankenbehandlung bzw. universitäre Lehre und Forschung) erbracht wurde. Die Wahl der "betriebswirtschaftlichen Kosten" zur Berechnung des klinischen Mehraufwandes vermeidet, daß Ausgaben bzw. Auszahlungen, die früher oder später entstehen, nicht ersetzt werden.

Von den mehreren von der Betriebswirtschaftslehre definierten Kostenbegriffen ist nach den Darlegungen des Sachverständigen der wertmäßige heranzuziehen, wonach unter Kosten "die betriebs- und periodenbezogenen Werteinsätze zur Leistungserstellung und Leistungsverwertung" zu verstehen sind. Zur Bewertung des Güterverzehrs seien die angefallenen Kosten anzusetzen ("kostenorientierte Bewertung").

d) Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten vom Mai 1988 zum Ergebnis, die (gemäß §§58 und 59a KAG, BGBl. 1/1957 idF BGBl. 281/1974, erlassene) Krankenanstaltenkostenrechnungsverordnung (KRV), BGBl. 328/1977, bestimme einen zur Erfassung der (wertmäßigen) Kosten geeigneten Kostenbegriff. Nach §2 KRV sind Kosten "der bewertete Verbrauch (Verzehr) von Wirtschaftsgütern materieller und immaterieller Art zur Erstellung von betrieblichen Leistungen und Gütern (Werteinsatz für Leistungen)".

Der Sachverständige legt weiter dar, daß es (im Rahmen der "kostenorientierten Bewertung") verschiedene Möglichkeiten zur Bewertung der eingesetzten und verbrauchten Güter gebe, wobei sich aus den Bestimmungen der KRV insgesamt ergebe, daß für die Krankenanstaltenkostenrechnung die Güter nach dem Anschaffungspreisprinzip zu bewerten seien.

e) Sowohl im AKH als auch in den Vergleichsspitälern (dazu im folgenden) werden die Kosten nach der KRV erfaßt und in einheitlichen Kostennachweisen (veröffentlicht in der "Überregionalen Auswertung der Krankenanstaltenkostenrechnung" des Krankenanstalten-Zusammenarbeitsfonds) ausgewiesen, sodaß eine einheitliche Datenbasis besteht.

3. Der Verfassungsgerichtshof hat im Erkenntnis VfSlg. 2604/1953 festgestellt, daß die Höhe des klinischen Mehraufwandes deswegen nicht rein rechnungsmäßig ermittelt werden könne, weil "schon an der Wurzel des Rechtsproblems, das die Klage aufwirft, nämlich bei der Behandlung des einzelnen Patienten, Heilbehandlung und Unterrichtstätigkeit mehr oder minder untrennbar ineinander übergreifen, vielfach sogar überhaupt zusammenfallen und auch rein verwaltungstechnisch die Art der Betriebsführung im Allgemeinen Krankenhaus jede klare Scheidung zwischen dem Aufwand, den die Heilbehandlung der Patienten erfordert, und jenem Mehraufwand, der nicht mehr der Heilbehandlung, sondern nur dem Unterricht und der Forschung dient, unmöglich macht." Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten letztlich zum selben Ergebnis:

Zur unmittelbaren Bestimmung der "Mehrkosten aus den Bedürfnissen des Unterrichtes" müßte eindeutig zugeordnet werden können, der Verbrauch welcher Güter und Dienstleistungen der Erbringung der Leistung "Lehre und Forschung" im vorhin umschriebenen Sinn (im folgenden auch kurz: "Unterricht"), und welcher der Erbringung der Leistung "Krankenbehandlung" ("Krankenpflege") dient.

Mangels entsprechender Unterlagen und Definitionen können die verbrauchten Güter nicht den Leistungen "Unterricht" oder "Krankenpflege" zugeordnet werden. Darüber hinaus dient ein großer Teil des Güterverbrauchs der Erbringung beider Leistungen gleichzeitig ("gekoppelte Leistungserstellung"), ohne daß eine eindeutige Zuordnung zu einem der Leistungsbereiche möglich ist. Wenn etwa an einem Patienten die genau gleiche Behandlung erfolgt wie in einem anderen Spital, dient dies im Falle einer Klinik beispielsweise insoweit zusätzlich der "Lehre und Forschung", als dort Studenten der Behandlung beiwohnen und deswegen die Leistung "Krankenpflege" gleichzeitig auch der Leistung "Unterricht" dient, ohne daß damit zwingend Mehrkosten iS des §55 KAG entstehen. Umgekehrt wird auch dann, wenn aus Forschungsgründen ein Patient mit ganz neuen Methoden behandelt wird, gleichzeitig zum Zweck der Heilung des Patienten die Leistung "Krankenbehandlung" erbracht.

Schon bei den direkten Kosten (die den Kostenstellen verursachungsgemäß unmittelbar zugerechnet werden) läßt sich nicht klären, inwieweit sie für Unterricht oder für Krankenbehandlung anfallen; umso weniger ist bei den indirekten Kosten, die bei Erbringung aller Leistungen gemeinsam anfallen (und den einzelnen Kostenstellen mit Hilfe von Schlüsselwerten zugerechnet werden - vgl. §4 Abs3 KRV), feststellbar, ob überhaupt und bejahendenfalls, inwieweit sie wegen des Unterrichtes in einem höheren Ausmaß anfallen.

Der Sachverständige kommt daher bei der bestehenden Datenlage zum selben Ergebnis wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg. 2604/1953, daß der klinische Mehraufwand nur durch einen Vergleich der Kosten des AKH mit jenen anderer Wiener Spitäler ermittelt werden kann. Dabei wird davon ausgegangen, daß jeder kostenmäßig erfaßbare Güterverbrauch im AKH gleichzeitig beiden Leistungen (Krankenbehandlung und Unterricht) dient und das Ausmaß der Kosten des Unterrichtes, also der (tatsächliche) klinische Mehraufwand, in den relativ höheren Kosten des AKH gegenüber jenen der Vergleichsspitäler sichtbar wird.

4. Zur Durchführung des Vergleiches zwischen dem AKH und den anderen Wiener Spitälern geht der Sachverständige von bestimmten Annahmen aus, die er einesteils für plausibel hält und die andernteils notwendig sind, um die Vergleichsrechnung überhaupt durchführen zu können. Der Sachverständige betont, daß es fraglich ist, ob bei dem von ihm durchgeführten Vergleich "tatsächlich Vergleichbares" miteinander in Beziehung gesetzt wird, wobei er "Vergleichsstörgrößen" vor allem in der unterschiedlichen Anstaltsgröße der verglichenen Spitäler und in den anstaltsspezifischen Besonderheiten des AKH lokalisiert. Er war aber nach dem von ihm verwendeten Datenmaterial nicht in der Lage, diese Unterschiede - aufbauend auf gesicherten Prämissen - rechnerisch zu berücksichtigen.

Dies hat für die Entscheidung des Gerichtshofes zur Folge, daß der klinische Mehraufwand in zwei Stufen zu ermitteln ist:

In der ersten Stufe (s. Punkt D) ist zu klären, wie hoch die Differenz der Kosten im AKH gegenüber den Kosten in den Vergleichsspitälern ist. Diese Kosten hat der Sachverständige in seinem - im folgenden zusammengefaßt wiedergegebenen - Gutachten entsprechend dem Auftrag des Verfassungsgerichtshofes berechnet ("errechneter klinischer Mehraufwand").

In einer zweiten Stufe (s. Punkt E) hat der Verfassungsgerichtshof zu beurteilen, inwieweit die Annahmen des Sachverständigen zutreffen. Soweit nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes diese Annahmen nicht zutreffen, sind in der ermittelten Differenz Kosten enthalten, die nicht "klinischer Mehraufwand" im Rechtssinne sind, sondern Kosten, die den Betrieb des AKH wegen dessen "Besonderheiten" verteuern, die in seiner Stellung als Zentralkrankenanstalt und den in einer solchen erbrachten medizinischen Leistungen, seiner Größe und seinen historisch gewachsenen Strukturen liegen. Da diese Kosten einer genauen Berechnung nicht zugänglich sind, hat sie der Verfassungsgerichtshof gemäß §273 Abs1 ZPO nach freier Überzeugung zu schätzen (vgl. Fasching, aaO, RZ 869 ff.).

D.

1. Der Sachverständige geht von folgenden Annahmen aus:

a) Er nimmt an, daß das AKH der Art nach die gleichen medizinischen Leistungen erbringt wie die Vergleichsspitäler. Dies begründet er zusammengefaßt damit, daß in die Vergleichsrechnung auch Schwerpunktkrankenanstalten einbezogen werden und jede am AKH vorhandene medizinische Abteilung zumindest in einem der Vergleichsspitäler ebenfalls vorhanden ist, sodaß im Prinzip jede medizinische Leistung des AKH auch von einem der Vergleichsspitäler erbracht werden könnte. Das Leistungsangebot der Vergleichsspitäler sei bei Gesamtbetrachtung als "Vergleichsganzes" mit jenem des AKH vergleichbar.

b) Aufgrund der vom Sachverständigen eingenommenen Ausgangsposition, daß das AKH der Art nach die gleichen medizinischen Leistungen erbringt wie die Vergleichsspitäler, geht er weiter davon aus, daß das AKH der Art nach mit den gleichen "Produktionsfaktoren" ausgestattet ist wie die Vergleichsspitäler insgesamt, sodaß insofern keine besonderen Kosten entstehen; Unterschiede könnten vielmehr bloß in der mengenmäßigen Ausstattung (also wieviel Personal, Geräte usw. das AKH benötigt) bestehen. Der Sachverständige kommt hiebei zum Ergebnis, daß zwar eine vermehrte technische Ausstattung und eine bessere infrastrukturelle Einrichtung anzunehmen sei, nicht aber ein größerer Personalbedarf.

c) Aus der Annahme der gleichen Leistungsfähigkeit in qualitativer Hinsicht folgert der Sachverständige hinsichtlich des Einsatzes stofflicher Güter ("Repetierfaktoren": Medikamente, Verbandsmaterial, Reinigungsmittel, Nahrungsmittel usw.) und anderer, sogenannter "Kosteneinflußfaktoren des Prozesses" ("Arbeitsverteilung, Intensitäten und Output-Niveau"), daß nur mengenmäßige Unterschiede bestehen könnten. Hiebei sei nicht auszuschließen, daß diese Kosten mit wachsender Betriebsgröße teilweise überproportional steigen, und zwar durch sogenannte "sprungfixe" Kosten (= Kosten, die sich mit dem Übergang von einer Betriebsgröße zu einer anderen sprunghaft ändern und dann wieder konstant bleiben); diese Kosteneffekte könnten aber durch in der Betriebsgröße liegende Kostenvorteile gegenüber Vergleichsspitälern (Degressionen) teilweise wieder wettgemacht werden, sodaß sie dann in der Vergleichsrechnung nicht sichtbar werden. Wie aus der Berechnungsmethode (lineare Regression) zur Bestimmung solcher "sprungfixer" Kosten folgt (siehe unten), geht das Gutachten weiter von der Annahme aus, daß kein Kostensprung erst jenseits der Größe der Vergleichsspitäler erfolgt.

d) Da nach den Annahmen des Sachverständigen im AKH der Art nach die gleichen medizinischen Leistungen erbracht werden wie in den Vergleichsspitälern, können nach seiner Auffassung höhere Personalkosten im AKH nur dann entstehen, wenn die dort Beschäftigten im Durchschnitt besser bezahlt würden als in den Vergleichsspitälern. Um dies zu ermitteln, stellt der Sachverständige die durchschnittlichen Personalkosten pro Beschäftigtem im AKH und in den Vergleichsspitälern fest, und zwar anhand der statistischen Unterlagen für das Jahr 1986. Damit die Beschäftigtenzahlen vergleichbar sind, zieht er die statistische Größe "korrigierte Beschäftigte" heran.

Nach dieser Berechnung kostet im Durchschnitt ein Beschäftigter im AKH gleich viel wie einer in den Vergleichsspitälern. Daraus schließt der Sachverständige, daß (unter der Annahme der Vergleichbarkeit der Leistungen) insgesamt in der personalmäßigen Ausstattung des AKH keine Besonderheiten bestehen.

2.a) Der Sachverständige wählte folgende 16 Krankenanstalten der Gemeinde Wien aus, um ihre Kosten zur Ermittlung des klinischen Mehraufwandes mit jenen des AKH zu vergleichen:

1.

Kaiserin Elisabeth Spital

2.

Krankenhaus Floridsdorf

3.

Kaiser Franz Josef Spital

4.

Krankenhaus Lainz

5.

Krankenhaus Rudolfstiftung

6.

Wilhelminenspital

7.

Poliklinik

8.

Sophienspital

9.

Pulmologisches Zentrum

10.

Orthopädisches Krankenhaus Gersthof

11.

Kinderklinik Glanzing

12.

Preyer Kinderspital

13.

Semmelweis Frauenklinik

14.

Maria Theresien Schlössel

15.

Mautner Kinderspital

16.

Neurologisches Krankenhaus Rosenhügel

Die Parteien stimmten dieser Auswahl unter der Voraussetzung zu, daß die Kosten für "Langzeitpflegebereiche" (die nicht so hoch sind wie die für Akutbehandlung) ausgeschieden werden.

Dementsprechend hat der Sachverständige bei den Kosten des Pulmologischen Zentrums die Kosten dieser "Langzeitpflege" (die vom Pflegeheim Baumgartnerhöhe erbracht wird) ausgeschieden (in den für das Pulmologische Zentrum ausgewiesenen Belagstagen sind diese Langzeitpflegebereiche nicht erfaßt). In den Kosten der übrigen Vergleichskrankenanstalten sind solche Kosten für vergleichbare, organisatorisch abgrenzbare Langzeitpflegebereiche nicht enthalten.

Soweit der Bund (zuletzt in der Verhandlung vom 12. Juni 1991) in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß auch in den anderen Krankenanstalten im Verhältnis zum AKH mehr Pflegezeiten anfielen, was sich statistisch in einer längeren Verweildauer des Patienten in den Vergleichskrankenanstalten bzw. in einer geringeren Auslastung des AKH ausdrücke, betrifft dieser Unterschied in den Pflegezeiten nicht gesondert erfaßte (von eigenen Organisationseinheiten erbrachte) Langzeitpflegebereiche wie beim Pulmologischen Zentrum, sondern allgemeine Besonderheiten des AKH gegenüber den Vergleichsspitälern, auf die unter E.3.c eingegangen wird.

b) Beim AKH dienen, wie außer Streit steht, sämtliche Abteilungen gleichzeitig als Universitätskliniken; sie sind also Institute einer medizinischen Fakultät. Lediglich das von einem anderen Träger unterhaltene, mit

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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