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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
FinStrG §89;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss sowie die Hofräte Dr. Hnatek und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Hutter, über die Beschwerde der X-Bank in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Beschwerdeentscheidung) des Vorsitzenden des Berufungssenates IX bei der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 3. Mai 1991, 141-6/91, betreffend Beschlagnahme von Unterlagen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen von 3.035 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Zur Vorgeschichte des Beschwerdefalles wird auf die hg Erkenntnisse vom 29. Jänner 1991, 90/14/0112, und vom 5. März 1991, 90/14/0238, verwiesen. Die in diesen Entscheidungen aufscheinenden Kurzbezeichnungen werden weiterhin verwendet.
Da der Kunde der Beschwerdeführerin (in der Folge: Kunde), gegen den am 14. November 1989 ein Finanzstrafverfahren eingeleitet worden war, bestritt, ihm sei das Sparbuch, von dem am 12. September 1983 ein Betrag von 200.000 S abgehoben worden war, zuzurechnen, erging am 22. Oktober 1990 ein weiteres Auskunfts- und Einsichtnahmeersuchen an die Beschwerdeführerin. Darin wurde um Abschriften des Sparbuches vom 1. Jänner 1988 bis zur Sparkontoauflösung sowie um mehrere detailliert bezeichnete Belege sowie Tagesstrazzen ersucht.
Die Beschwerdeführerin verweigerte die Vorlage der genannten Unterlagen einerseits unter Hinweis auf das Bankgeheimnis nach § 23 Abs 2 KWG anderseits, weil das Finanzstrafverfahren nur für die Jahre bis 1986 eingeleitet worden sei, Unterlagen aber auch für die Jahre danach angefordert worden seien. Überdies könne der Microfilm, auf dem die Tagesstrazze vom 25. November 1986 verarbeitet worden sei, nicht aufgefunden werden.
Auf Grund eines Hausdurchsuchungsbefehles vom 18. Jänner 1991 wurde der genannte Microfilm von Organwaltern des Finanzamtes unter Siegel genommen und dem Vorsitzenden des Spruchsenates beim Finanzamt Klagenfurt (in der Folge: Vorsitzende) übergeben.
Mit Bescheid vom 29. Jänner 1991 ordnete der Vorsitzende an, daß aus dem Microfilm sechs Buchungsscheine vom 25. November 1986, alle betreffend Einzahlungen von Familienangehörigen des Kunden, Kopien von zwei Sparauszahlungsbelegen sowie ein bestimmt bezeichneter Teil der Tagesstrazze vom 25. November 1986 gemäß § 89 Abs 5 FinStrG beschlagnahmt werden, wobei er zur Begründung im wesentlichen ausführte, diese Unterlagen seien unter Beachtung der bisher vorliegenden Erhebungsergebnisse und Zeugenaussagen für das Verfahren von entscheidender Bedeutung. Aus der Übereinstimmung der Nummernkombinationen auf den Buchungsscheinen mit den Nummern auf der Tagesstrazze könne der bisher konkret begründete Verdacht der Abgabenhinterziehung durch den Kunden entscheidend erhärtet werden. Weitere Verdachtsmomente ergäben sich in diesem Zusammenhang mit den vorliegenden Vermögensteuererklärungen samt Beilagen des Kunden, weswegen kein Zweifel mehr bestehe, daß das Sparbuch mit dem Losungswort WS dem Kunden zuzuordnen sei. Der Vorsitzende verfügte die unverzügliche Ausfolgung des Microfilms.
Gegen diesen Bescheid ergriff die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde, wobei sie im wesentlichen ausführte, die Hausdurchsuchung sei rechtswidrig angeordnet worden und, die Beschlagnahme der Bankdokumente verletze notwendigerweise das Bankgeheimnis unbeteiligter Dritter. Sie beantragte daher, sämtliche auf Grund des Hausdurchsuchungsbefehls beschlagnahmte Unterlagen auszufolgen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies der Vorsitzende der belangten Behörde die Beschwerde mit der Begründung ab, einer Beschlagnahme gemäß § 89 Abs 4 FinStrG unterlägen nur Gegenstände, die in einem unmittelbaren und konkreten Zusammenhang mit dem aufzuklärenden Finanzvergehen stünden. Dies treffe sowohl für die Kopien der Buchungsscheine und Sparauszahlungsbelege als auch für die Kopie der Tagesstrazze vom 25. November 1986 zu. Die beschlagnahmten Teile des Microfilms seien unter Beachtung der bis dahin vorliegenden Erhebungsergebnisse und Zeugenaussagen für das Finanzstrafverfahren gegen den Kunden - insbesondere wegen der Übereinstimmung der Nummernkombinationen auf den Buchungsscheinen mit den Nummern auf der Tagesstrazze - von entscheidender Bedeutung gewesen. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Unterlagen habe der Vorsitzende ohnehin ausgesprochen, diese unterlägen nicht der Beschlagnahme und, der Microfilm als solcher sei der Bank unverzüglich auszufolgen. Der Hinweis auf die Vermögensteuererklärung habe nicht die wesentliche Grundlage für die Beschlagnahmeanordnung gebildet, sondern nur der näheren Erläuterung gedient. Unzutreffend sei, daß die vorliegenden Erhebungsschritte auf einer unzulässigen Durchbrechung des Bankgeheimnisses beruhten. Ein Verwertungsverbot im Sinn des § 98 Abs 4 FinStrG liege somit nicht vor. Läge es vor, wäre es nicht von der Beschwerdeführerin, sondern vom Kunden geltend zu machen.
Die Beschwerdeführerin erhob zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom 30. November 1992, B 757/91-11, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie mit Beschluß vom 10. März 1993, B 757/91-13, an den Verwaltungsgerichtshof ab.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof wird sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides als auch dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin behauptet, die Beschlagnahme der Unterlagen sei rechtswidrig, weil sie erst durch die ebenfalls rechtswidrige Beschlagnahme der Tagesstrazzen vom 8. bis 13. September 1983 ermöglicht worden sei. Erst dadurch sei der Finanzstrafbehörde die Nummer des Sparbuches bekannt geworden. Die nunmehr gesetzwidrig gewonnenen Beweismittel unterlägen daher dem Beweisverwertungsgebot des § 98 Abs 4 FinStrG. Jedenfalls aber sei die Beschlagnahme zu weit ausgedehnt worden, weil sie sich auch auf das Losungswort beziehe. Die Beschlagnahme der Buchungsscheine, die Einzahlungen von Familienangehörigen des Beschuldigten beträfen, verletze das Bankgeheimnis unbeteiligter Dritter.
In der vom Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten gefertigten Gegenschrift wird beantragt, die Beschwerde möge als unbegründet und kostenpflichtig abgewiesen werden.
Die Beschwerdeführerin spricht in der von ihr erstatteten Replik dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Kärnten das Recht ab, in einer Angelegenheit, in der der Vorsitzende des Berufungssenates IX als Organ der Finanzlandesdirektion belangte Behörde sei, eine Gegenschrift zu erstatten. Denn dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion stehe gegenüber dem Vorsitzenden des Berufungssenates kein Weisungsrecht und somit auch kein Recht zu, dessen Entscheidungen in Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu verteidigen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit der Mitteilung einer durch den Präsidenten einer Finanzlandesdirektion gezeichneten Gegenschrift wird im Sinn des § 43 Abs 2 zweiter Satz VwGG auf das hg Erkenntnis vom 17. September 1991, 91/14/0118, mwA, verwiesen.
Mit dem soeben genannten hg Erkenntnis vom 17. September 1991 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid der auch in diesem Fall belangten Behörde vom 2. Mai 1991 als unbegründet abgewiesen. Mit diesem Bescheid war die Beschlagnahme auf eine Kopie des Teiles der Tagesstrazze vom 12. September 1983, der mit dem aufzuklärenden Finanzvergehen in unmittelbarem Zusammenhang stand, eingeschränkt worden. Die Ausführungen in der Beschwerde, die die Rechtswidrigkeit der gegenständlichen Beschlagnahme allein auf den Umstand stützen, diese sei erst auf Grund der ebenfalls rechtswidrigen Beschlagnahme der Tagesstrazze vom 12. September 1983 ermöglicht worden, sind somit unrichtig. Es erübrigt sich somit, auf die Ausführungen betreffend das Vorliegen eines Beweisverwertungsverbotes im Sinn des § 98 Abs 4 FinStrG einzugehen.
Warum die Beschwerdeführerin meint, die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall einen unzulässigen Erkundungsbeweis, somit einen Beweis, der erst der Verdachtsfindung diene, erhoben, hat sie nicht begründet und ist aus den Verwaltungsakten auch nicht ersichtlich.
Der Vorwurf, die Beschlagnahme sei, falls sie dennoch rechtmäßig gewesen sein sollte, zu weit ausgedehnt worden, weil sie auch das Losungswort des Sparbuches umfasse, besteht ebenfalls nicht zu Recht. Daß das Losungswort nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gegenstand des Finanzstrafverfahrens stehe, für den das Bankgeheimnis zugunsten der Finanzstrafbehörde durchbrochen worden ist, behauptet selbst die Beschwerdeführerin nicht. Unrichtig ist auch, das Losungswort sei für weitere Schritte des Finanzstrafverfahrens nicht erforderlich, sondern diene nur der Abhebung vom Sparbuch. Auch aus dem Losungswort können sich Rückschlüsse für die - im vorliegenden Fall strittige - Zurechnung des Sparbuches zum Kunden ergeben. Welches "nicht überschaubare Risiko" aus der Bekanntgabe des Losungswortes eines bereits vor Einleitung des Finanzstrafverfahrens aufgelösten Sparbuches entstehen könnte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Ob erfahrungsgemäß eine große Anzahl von Personen, die mehrere Sparbücher besitzen, um Verwechslungen hintanzuhalten, für alle Sparbücher ein und dasselbe Losungswort verwenden, ist für das Vorliegen eines Risikos im konkreten Fall unmaßgeblich, wobei noch zu bemerken ist, daß Abhebungen von Sparbüchern nur bei Vorlage derselben möglich sind. Die von der Beschwerdeführerin dem hg Erkenntnis vom 29. Jänner 1991, 90/14/0112, entnommenen Ausführungen betreffend das das Bankgeheimnis nicht hinreichend ersetzende Amtsgeheimnis, hat sich nicht auf die Beschlagnahme eines Dokumentes bezogen, das ein Losungswort, sondern das Daten von Personen enthält, die mit einem eingeleiteten Finanzstrafverfahren in keinerlei Zusammenhang standen.
Die Beschwerdeführerin wirft der belangten Behörde schließlich vor, sie habe das Bankgeheimnis unbeteiligter Dritter dadurch verletzt, daß sie sechs Buchungsscheine beschlagnahmt habe, die Einzahlungen von Familienangehörigen des Kunden an eine Bausparkasse betreffen. Die Beschlagnahme dieser sechs Buchungsscheine erfolgte jedoch lediglich, weil die Einzahlungen im unmittelbaren Zusammenhang mit dem strittigen Sparbuch standen. Die Buchungsscheine dienten daher als weitere Beweismittel für die Zurechnung des Sparbuches an den Kunden. Bei den genannten Familienangehörigen handelt es sich überdies um Personen, die mit dem Kunden gemeinsam zur Vermögensteuer veranlagt werden. Nach der Aktenlage wurde das Finanzstrafverfahren gegen den Kunden nicht nur hinsichtlich der Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der Vermögensteuer eingeleitet. Eine Rechtswidrigkeit ist in der Beschlagnahme der sechs Buchungsscheine somit nicht erkennbar.
Die in eventu geltend gemachte Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften wurde von der Beschwerdeführerin nicht näher ausgeführt. Eine solche ist aus der Beschwerde und den vorgelegten Verwaltungsakten auch nicht ersichtlich.
Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993140040.X00Im RIS seit
20.11.2000