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L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des E in R, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. Jänner 1993, Zl. 3-Gem-420/10/92, betreffend eine Angelegenheit nach dem Kärntner Straßengesetz 1991 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Steindorf am Ossiacher See, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den zweiten Satz des Spruches des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juli 1992 als unbegründet abgewiesen worden ist, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Oktober 1989 wurde auf Grund eines diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers unter Berufung auf § 58 des Kärntner Straßengesetzes festgestellt, daß es sich bei dem "Wegstück" ab der Gemeindestraße (ehemalige Bundesstraße) bis zum Hause P", soweit er über Privatgrund (Parzelle 254 und 26 der Frau P) führt, nicht um einen öffentlichen Weg" im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. handelt, "und er keinem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dient".
Der dagegen eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers wurde nach Ergehen eines den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. Jänner 1990 aufhebenden aufsichtsbehördlichen Bescheides der Kärntner Landesregierung vom 9. März 1990 mit Bescheid des Gemeindevorstandes dieser Gemeinde vom 26. Juli 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Die dagegen gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 19. September 1990 gemäß § 95 Abs. 4 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 als unbegründet abgewiesen.
Mit Schreiben vom 10. Oktober 1990 stellte der Beschwerdeführer den "Antrag auf die Erlassung eines Feststellungsbescheides gem. § 58 des Kärntner Straßengesetzes des Weges (Fußgängerverkehrsfläche zur Befriedigung des allg. dringend. Verkehrsbedürfnisses, bestehend als Asphaltfläche von der alten Bundesstraße bis zum Haus P und weiterführendem Steig) von der Straße 716/3 bis zu Kulturmerkmalen der röm. kath. Kirche, wie Pfarrkirche, Friedhof, Kapelle, Jungfernsprung, Pfarrhaus als Lobisser Geburtshaus, Ruine".
Da der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde über diesen Antrag nicht innerhalb von sechs Monaten bescheidmäßig entschied, stellte der Beschwerdeführer mit dem am 19. April 1991 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingegangenen Schreiben vom 16. April 1991 den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde. Da auch dieses Gemeindeorgan in dieser Angelegenheit innerhalb der Frist des § 73 Abs. 1 AVG keinen Bescheid erließ, beantragte der Beschwerdeführer mit seinem am 2. April 1992 bei der mitbeteiligten Gemeinde eingegangenen Schreiben vom 30. März 1992 den Übergang der Entscheidungspflicht auf den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde.
Mit dem daraufhin ergangenen Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juli 1992 wurde einerseits der Antrag des Beschwerdeführers "betreffend das Teilstück von der Gemeindestraße (ehemalige Bundesstraße) bis zum Hause P, ... wegen entschiedener Sache nach § 68 AVG 1950 zurückgewiesen" und andererseits "festgestellt, daß es sich bei dem Wegstück vom Hause P bis zur Röm. kath. Kirche, welches ausschließlich über Privatgrund Parz. 236, 238, 254 (P), 240 und 248 (R) und 196 (KL) führt, nicht um einen Weg nach § 2 Abs. 1 b des Kärntner Straßengesetzes handelt und keinem allgemein dringenden Verkehrsbedürfnis dient".
Die erwähnte Feststellung wurde im wesentlichen damit begründet, daß von einem dringenden Verkehrsbedürfnis keinesfalls gesprochen werden könne, da der bestehende Fußgängersteig auf Grund seiner Beschaffenheit und Geländeform nur von einem sportlich geübten Personenkreis benützt werden könne.
Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Vorstellung wurde mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 12. Jänner 1993 gemäß § 95 Abs. 4 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 als unbegründet abgewiesen.
Auch die Aufsichtsbehörde ging in der Begründung ihres Bescheides zusammenfassend davon aus, daß für die Feststellung der Öffentlichkeit des in Rede stehenden Weges ein wesentliches, vom Gesetz gefordertes Merkmal, nämlich das allgemein dringende Verkehrsbedürfnis, fehle.
Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 21. Juni 1993, Zl. B 311/93-3, wurde die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist zu der behaupteten Unzuständigkeit des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde zur Erlassung des dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Bescheides vom 13. Juli 1992 zu bemerken, daß auf Grund des Devolutionsantrages des Beschwerdeführers vom 16. April 1991 die Zuständigkeit des Bürgermeisters zur Entscheidung über den Antrag vom 10. Oktober 1990 zufolge § 94 Abs. 2 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1982 vorerst auf den Gemeindevorstand übergegangen ist, welcher ebenfalls nicht entschieden hat, weshalb auf Grund des weiteren Antrages des Beschwerdeführers auf Übergang der Entscheidungspflicht, datiert mit 30. März 1992, zufolge § 34 Abs. 1 leg. cit. der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde zur Entscheidung über den in Rede stehenden Antrag des Beschwerdeführers zuständig geworden ist (vgl. dazu den zuletzt ergangenen hg. Beschluß vom 7. September 1993, Zl. 93/05/0138).
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des Kärntner Straßengesetzes 1991 haben nachstehenden Wortlaut:
"§ 2
Öffentlichkeit der Straßen
(1) Öffentliche Straßen im Sinne des § 1 Abs. 1 sind alle dem Verkehr von Menschen und Fahrzeugen gewidmeten Grundflächen, die entweder
a) dem allgemeinen Verkehre nach den Bestimmungen des § 3 ausdrücklich gewidmet worden sind (ausdrückliche Widmung durch Erklärung) oder
b) in langjähriger Übung seit mindestens dreißig Jahren allgemein ohne Einschränkung auf einen bestimmten Kreis von Benützungsberechtigten und unabhängig von einer ausdrücklichen Bewilligung des über die Straßengrundfläche Verfügungsberechtigten zum Verkehr benützt werden, wenn sie einem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dienen (stillschweigende Widmung).
...
§ 58
Zuständigkeit und Verfahren bei Feststellung der Öffent-
lichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen
(1) Über die Feststellung der Öffentlichkeit der im § 2 Abs. 1 lit. b angeführten Straßen entscheidet der Bürgermeister. Der Entscheidung hat eine mündliche, mit einem Augenschein verbundene Verhandlung vorauszugehen. Über den Antrag eines Beteiligten auf Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße hat der Bürgermeister ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden und den Bescheid über die Öffentlichkeit der Straße längstens binnen sechs Monaten nach Einlangen des Antrages beim Gemeindeamte zu erlassen.
..."
Wie schon in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung ausgeführt worden ist, wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Oktober 1990 auf Feststellung der Öffentlichkeit eines Teilstückes des Weges "von der Gemeindestraße (ehemalige Bundesstraße) bis zum Hause P" mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juli 1992 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, wobei sich aus der Aktenlage (aber nicht aus der Begründung des Bescheides) ergibt, daß diese Zurückweisung auf den bereits erwähnten rechtskräftigen Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Juli 1990 zurückzuführen ist, mit welchem - ebenfalls auf Grund eines diesbezüglichen Antrages des Beschwerdeführers - in Bestätigung des Bescheides des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Oktober 1989 ausgesprochen worden ist, daß es sich bei dem erwähnten "Wegstück, soweit er über Privatgrund (Parzelle 254 und 26 der Frau P) führt, nicht um einen öffentlichen Weg nach § 2 Abs. 1 b des Kärntner Straßengesetzes handelt und er keinem allgemeinen dringenden Verkehrsbedürfnis dient". Ferner wurde, wie schon erwähnt, im Spruch des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juli 1992 "festgestellt, daß es sich bei dem Wegstück vom Hause P bis zu der Röm. kath.
Kirche, ... nicht um einen Weg nach § 2 Abs. 1 b des Kärntner
Straßengesetzes handelt und keinem allgemein dringenden Verkehrsbedürfnis dient".
Nach Ansicht des Gerichtshofes war es nicht rechtswidrig, den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich des ersterwähnten Teilstückes des in Rede stehenden Weges im Hinblick auf die bereits getroffene bescheidmäßige Feststellung des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 26. Juli 1990 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, zumal der verbleibende Teil des Weges nach der Aktenlage offensichtlich über zusammenhängende Grundflächen verläuft und daher Gegenstand einer gesonderten Feststellung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Kärntner Straßengesetzes 1991 sein kann, also im Sinne des hg. Erkenntnisses vom 2. Oktober 1950, Slg. Nr. 1669/A, nicht davon ausgegangen werden kann, daß gegebenenfalls nur Bruchstücke eines Privatweges zu einer öffentlichen Straße erklärt werden.
Hinsichtlich der im wiedergegebenen zweiten Teil des
Spruches des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten
Gemeinde vom 13. Juli 1992 getroffenen Feststellung ist
festzuhalten, daß dieser Entscheidung nach der Aktenlage trotz
des AUSDRÜCKLICHEN diesbezüglichen GESETZLICHEN AUFTRAGES im
§ 58 Abs. 1 leg. cit. keine mit einem Augenschein verbundene
mündliche Verhandlung vorausgegangen ist, weshalb schon in
dieser Hinsicht Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden
sind. Abgesehen davon läßt sich aus der in der Begründung des
erwähnten Bescheides getroffenen Feststellung, daß der
"Fußgängersteig auf Grund seiner Beschaffenheit und Geländeform
nur von einem sportlich geübten Personenkreis benützt werden
kann", nicht zwingend auf das Fehlen eines allgemeinen
dringenden Verkehrsbedürfnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b
leg. cit. schließen, weil nicht erwiesen ist, daß der Fußweg
zumindest für jenen Kreis von Personen, welche ihn trotz
allenfalls damit verbundener körperlicher Anstrengungen zu
benützen vermögen, nicht zur Befriedigung eines dringenden
Verkehrsbedürfnisses dient. Der Umstand, daß, wie in der
Begründung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten
Gemeinde vom 13. Juli 1992 ausgeführt worden ist, "alte
Personen den ... Fußgängersteig meiden", spricht daher nicht
gegen die Annahme eines allgemeinen dringenden
Verkehrsbedürfnisses. Es kann demnach nicht von vornherein
ausgeschlossen werden, daß der bereits im Devolutionsantrag des
Beschwerdeführers vom 16. April 1991 aufgestellten Behauptung,
wonach "der gegenständliche ... Kirchweg (Kirchsteig)" ein
"dringendes Verkehrsbedürfnis erfüllt und bei Nichtbefriedigung
ein Mißstand zu befürchten wäre", Berechtigung zukommt, wobei
auch auf die Ausführungen in der Vorstellung des
Beschwerdeführers zu verweisen ist, denenzufolge "der
Pfarrgemeinderat ... den Fußweg zum Zielort (Kirche, Friedhof
usw.) als einen dringend notwendigen erachtet, insbesondere,
weil er eine wesentliche, ins Gewicht fallende Verkürzung der
Verkehrsverbindung erwirkt und zugleich ... als EINZIGER Fußweg
einen mit Kfz befahrenen meiden läßt, wodurch bei
Nichtbefriedigung ohne ... Benützung des gegenständlichen Weges
wichtige Interessen der Pfarrgemeinde (T und Umgebung) nicht befriedigt oder wesentlich beeinträchtigt wären".
Im Hinblick darauf, daß entsprechend den Ausführungen in der Begründung des zuletzt erwähnten Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde die Eigentümer der betroffenen Privatgrundstücke "den Steig seit über 30 Jahren der Allgemeinheit zugänglich machen", womit eine für die Frage der langjährigen Übung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b leg. cit. nicht unwesentliche Feststellung getroffen ist, kommt daher der unter Berufung auf § 58 leg. cit. vorgetragenen Verfahrensrüge des Beschwerdeführers unter dem Gesichtspunkt des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG Bedeutung zu, weil nicht ausgeschlossen werden kann, daß im Falle der Durchführung der zwingend vorgesehenen, mit einem Augenschein zu verbindenden mündlichen Verhandlung ein für den Beschwerdeführer günstigerer Bescheid ergangen wäre. Diesen auf Gemeindeebene unterlaufenen Verfahrensmangel hätte die belangte Behörde entweder zum Anlaß einer Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 13. Juli 1992 nehmen oder selbst ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchführen müssen, um die Wesentlichkeit des geltend gemachten Verfahrensmangels zu prüfen.
Durch die Abweisung der Vorstellung sind daher Rechte des Beschwerdeführers verletzt worden, weshalb die Beschwerde begründet ist und der angefochtene Bescheid sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers war abzuweisen, weil an Schriftsatzaufwand nur der in der zitierten Verordnung vorgesehene Pauschalbetrag zugesprochen werden kann.
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter AbspruchBesondere Rechtsgebiete GemeinderechtZurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993050202.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
26.06.2017