TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/20 92/06/0249

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Veröffentlicht am 20.01.1994
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
L82009 Bauordnung Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs1;
AVG §56;
AVG §62 Abs1;
BauO Stmk 1968 §62 Abs1;
BauO Wr §129 Abs10;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des F K und der M K in P, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 27. April 1992, Zl. 03-12 Ka 162-92/2, betreffend einen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde S, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. Juli 1991 wurde den Beschwerdeführern der baupolizeiliche Auftrag erteilt, das auf einem näher bezeichneten Grundstück konsenslos errichtete Ferienhaus mit Nebengebäude abzutragen. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß jenes Grundstück im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen und für das gegenständliche Objekt auch keine Baubewilligung erteilt worden sei.

Mit Berufungsbescheid vom 19. November 1991 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde der von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid; zusammenfassend teilte er die Wertung des erstinstanzlichen Bescheides.

Mit dem nun in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die von den Beschwerdeführern gegen den Berufungsbescheid erhobene Vorstellung als unbegründet abgewiesen. Sie ging davon aus, daß das gegenständliche Gebäude ohne baubehördlichen Konsens errichtet und daß diese Bewilligung auch nachträglich nicht erteilt wurde. Der Verweis der Beschwerdeführer "auf eine eventuell mündlich erteilte Baubewilligung seitens des Bürgermeisters" sei hier unerheblich, weil die Baubehörde gemäß § 62 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung einem Ansuchen gegebenenfalls mit schriftlichem Bescheid stattzugeben habe; ein bloß mündlich verkündeter Bescheid rufe keine Rechtswirkungen hervor.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von einer mündlichen Verhandlung (§ 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG) erwogen:

Die Beschwerdeführer machen (erstmals in der Beschwerde) geltend, die Bescheide des Bürgermeisters und des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde seien rechtlich als Nicht-Bescheide zu qualizifieren, weil die Unterschriften unleserlich seien und sich aus den Ausfertigungen die betreffenden Namen auch nicht in leserlicher Form ergäben, was nicht den Erfordernissen des § 18 Abs. 4 AVG entspreche (verwiesen wird auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. Juni 1985, Zl. 84/11/0178 und vom 12. März 1986, Zl. 85/03/0144).

Aus den von den Beschwerdeführern über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes vorgelegten Ablichtungen der betreffenden Bescheide ergibt sich aber, daß die Namen sowohl des Bürgermeisters, als auch des Vizebürgermeisters (St und H) entgegen den Beschwerdebehauptungen leserlich sind, und beide Bescheide somit den Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG entsprechen, weshalb eine weitere Auseinandersetzung mit der auf einer unzutreffenden Annahme (Unleserlichkeit der Namen) beruhenden Argumentation der Beschwerdeführer unterbleiben kann.

Da der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, war er dadurch (entgegen der Annahme der Beschwerdeführer) verhindert, an der Beschlußfassung des Gemeinderates über die dagegen erhobene Berufung mitzuwirken.

Die Beschwerdeführer ziehen nicht in Zweifel, daß das verfahrensgegenständliche Bauwerk sowohl zum Zeitpunkt seiner Errichtung (das war nach dem Vorbringen der Beschwerdeführer der Zeitraum von 1973 bis 1976), als auch nun bewilligungspflichtig war und ist, wie auch, daß die Baubehörde nach § 62 Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968 einem Ansuchen mit schriftlichem Bescheid stattzugeben hat. Das Vorbringen der Beschwerdeführer gibt dem Verwaltungsgerichtshof keinen Anlaß, von der auch von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift hervorgehobenen Judikatur abzugehen, wonach ein bloß mündlich verkündeter Bescheid dann rechtsunwirksam ist, wenn das Gesetz die Erlassung eines schriftlichen Bescheides zwingend vorsieht (Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes je vom 22. September 1988, Zl. 86/06/0123, BauSlg. 1180, und Zl. 87/06/0042, BauSlg. 1184 u.a.m.), weshalb auch dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt dahingehende mündliche Erklärungen abgegeben wurden. Die Beschwerdeführer verkennen auch das Wesen des sogenannten "vermuteten Konsenses", wenn sie erkennbar meinen, dem Erfordernis der (schriftlichen) Baubewilligung werde schon dadurch entsprochen, daß den Organen der mitbeteiligten Gemeinde die Existenz der Gebäude bekannt gewesen sei, ohne daß sie dagegen rechtliche Bedenken erhoben hätten. Da die Bewilligung derartiger baulichen Maßnahmen nur in Form einer schriftlichen Erledigung wirksam ist, kann die Baubewilligung nicht durch eine Art konkludentes Verhalten der Bauaufsichtsorgange begründet werden (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1925, Slg. 13.880/A); auch kann eine mündliche Zusage von Funktionären die Baubewilligung nicht ersetzen (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Mai 1948, Slg. NF 410/A - die Leitsätze all der genannten Entscheidungen abgedruckt bei Hauer, Steiermärkisches Baurecht, 1989, S. 196, E 60 und 61 zu § 62 BO). Überdies ist ein Zeitraum von nicht einmal zwanzig Jahren viel zu kurz, um vom Vorliegen eines "vermuteten Konsenses" ausgehen zu können, zumal der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 9. Dezember 1965, Zl. 1200/63, einen Zeitraum von 30 - 40 Jahren als zu kurz angesehen und in seinem Erkenntnis vom 30. November 1964, Slg. NF Nr. 6509/A, ausgeführt hat, daß die Vermutung des rechtmäßigen Bestandes einer Baulichkeit nur dann Platz greifen soll, wenn der Zeitpunkt der Erbauung derselben offensichtlich soweit zurückliegt, daß auch bei ordnungsgemäß gelagerten Archiven die Wahrscheinlichkeit, noch entsprechende Unterlagen auffinden zu können, erfahrungsgemäß nicht besteht.

Da die belangte Behörde somit ohne Rechtsirrtum die Vorstellung abgewiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseBaubewilligung BauRallg6Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992060249.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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