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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Fa. H in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 3. Februar 1993, Zl. IIId-6702 B/ABB-Nr. 907.554, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schreiben vom 18. November 1992 beim Arbeitsamt Linz die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den indischen Staatsangehörigen G.S. für die berufliche Tätigkeit als Marktfierant (spezielle Kenntnisse: "Vertrautheit mit indischer Ware").
Diesen Antrag lehnte das Arbeitsamt offenbar (in den vorgelegten Akten fehlt der diesbezügliche Bescheid) mit der Begründung ab, daß keiner der wegen der überschrittenen Landeshöchstzahl erforderlichen Gründe gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG vorliege und die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung einer Bewilligung nicht zulasse (so die insoweit unbestritten gebliebene Sachverhaltswiedergabe im angefochtenen Bescheid).
In der Berufung vom 11. Jänner 1993 brachte die Beschwerdeführerin vor, der erstinstanzliche Bescheid nehme weder in der Bescheidbegründung noch in den Sachverhaltsfeststellungen auf den konkreten Sachverhalt Bezug. Es lägen besonders (wichtige) Gründe vor, die die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung rechtfertigten. Sie benötige einen Marktfahrer, der in ganz Oberösterreich von Markt zu Markt reise und eine flexible Arbeitszeit (auch an Wochenenden und Feiertagen) in Kauf nehme. Trotz Vermittlungsauftrag habe es keinen Bewerber für die offene Stelle gegeben und sie sei auf die Mitarbeit von G.S. dringend angewiesen, um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Herr G.S. beherrsche Deutsch, Englisch und Hindi, was Voraussetzung für die offene Stelle sei, und erfülle daher die Bedingungen für den Arbeitsplatz bestens.
Mit Schreiben vom 20. Jänner 1993 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin als "Ergebnis der Beweisaufnahme" mit, die maßgebliche Landeshöchstzahl 1993, BGBl. Nr. 738, für Oberösterreich (34.000) sei laut Statistik der Arbeitsmarktverwaltung zum Stichtag Ende Dezember 1992 um 21,9 % überzogen. Die Bundeshöchstzahl 1993 sei nach dieser Statistik zu diesem Zeitpunkt zu 87,5 % ausgeschöpft. Die noch zur Verfügung stehenden Plätze seien - falls eine Ersatzkraftvermittlung von im Sinne des § 4b AuslBG bevorzugt zu behandelnden Personen nicht möglich sei - für (im folgenden genannte) bestimmte Branchen bzw. Personengruppen zu vergeben, zu denen aber der beantragte Ausländer nicht gehöre. Der Erteilung der Beschäftigungsbewilligung stünden auf Grund des großen "Überziehungsgrades" der Landeshöchstzahl und der hohen Ausschöpfung der Bundeshöchstzahl wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen im Sinne des § 4 Abs. 1 AuslBG entgegen.
In ihrer Stellungnahme vom 29. Jänner 1993 verwies die Beschwerdeführerin auf ihr bisheriges Vorbringen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 3. Februar 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Die Begründung ist inhaltlich ident mit dem Vorhalt vom 20. Jänner 1993.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat die Ablehnung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für Herrn G.S. im Spruch des angefochtenen Bescheides auf § 4 Abs. 1 und § 4 Abs. 6 AuslBG gestützt.
Gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG ist, soweit im folgenden nicht anderes bestimmt ist, die Beschäftigungsbewilligung zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
§ 4 Abs. 3 AuslBG regelt abschließend, unter welchen (weiteren) Voraussetzungen die Beschäftigungsbewilligung erteilt werden darf.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Im Beschwerdefall erübrigen sich weitere Erwägungen zur Berechtigung der Ablehnung des Antrages der Beschwerdeführerin im erschwerten Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG: die belangte Behörde zitiert diese Bestimmung zwar im Spruch, geht aber in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht näher auf die Z. 2 bis 4 dieser Gesetzesstelle ein. Die belangte Behörde hat sich dazu offenbar (so auch ihre Ausführungen in der Gegenschrift) deshalb nicht veranlaßt gesehen, weil ihrer Auffassung nach bereits wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen im Sinne des § 4 Abs. 1 (zweiter Tatbestand) AuslBG der beantragten Beschäftigungsbewilligung entgegenstehen. Es ist daher im Beschwerdefall ausschließlich zu prüfen, ob die Versagung auf § 4 Abs. 1 zweiter Tatbestand AuslBG (Entgegenstehen wichtiger öffentlicher oder gesamtwirtschaftlicher Interessen) gestützt werden konnte oder nicht.
Die belangte Behörde begründete das Vorliegen dieses Versagungstatbestandes im wesentlichen damit, auf Grund des großen Überschreitungsgrades der Landeshöchstzahl und der hohen Ausschöpfung der Bundeshöchstzahl könnten bis zu deren Erreichen Beschäftigungsbewilligungen für Ausländer - sofern eine Ersatzkraftstellung von nach § 4b AuslBG bevorzugt zu behandelnden Ausländern nicht möglich sei - nur für bestimmte Personengruppen (z.B. integrierte Ausländer, Facharbeiter) erteilt werden. Der beantragte Ausländer gehöre nicht zu diesen Personengruppen.
Damit geht die belangte Behörde davon aus, ab einem bestimmten (hohen) Auslastungsgrad der Bundeshöchstzahl könnten die bis zu deren Erreichen möglichen Beschäftigungsbewilligungen für bestimmte Personengruppen reserviert werden. Der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung außerhalb der begünstigten Gruppen stünden wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen entgegen.
Daß eine derartige Einschränkung der Erteilung von Beschäftigungsbewilligungen, die im Ergebnis auf zwei Typen von erschwerten Verfahren bei Landeshöchstzahlüberschreitungen hinausläuft, unzulässig ist, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in den Erkenntnissen vom 17. Juni 1993, Zl. 92/09/0362, und vom 21. Oktober 1993, Zl. 93/09/0144, ausführlich dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf diese Erkenntnisse verwiesen. Die belangte Behörde konnte ihre ablehnende Entscheidung somit nicht auf den einzigen von ihr aufgegriffenen Versagungsgrund (nach § 4 Abs. 1 zweiter Tatbestand AuslBG) stützen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen (insbesondere die Verfahrensrüge hinsichtlich Feststellungs- und Begründungsmängel im Zusammenhang mit § 4 Abs. 6 AuslBG) einzugehen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090099.X00Im RIS seit
20.11.2000