Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AuslBG §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der A Gesellschaft m.b.H. in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Wien vom 22. März 1993, Zl. IIc/6702 B, betreffend Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 7. Dezember 1992 beim Arbeitsamt Persönliche Dienste - Gastgewerbe in Wien den Antrag auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den bosnischen Staatsbürger Z.B. als Geschäftsführer mit einem monatlichen Bruttolohn von S 15.000,--. In einem Begleitschreiben zu diesem Antrag führte die Beschwerdeführerin aus, ihr früherer Geschäftsführer sei seit 1989 an den Rollstuhl gefesselt, weshalb sein Sohn Z.B. am 5. Mai 1992 zum neuen Geschäftsführer bestellt worden sei. Die zwei von der Beschwerdeführerin betriebenen Gastlokale stellten die Existenzgrundlage der gesamten Familie dar. Für die Tätigkeit als Geschäftsführer seien wegen des Kundenkreises serbokroatische Sprachkenntnisse unerläßlich. Außerdem stelle Z.B. einen dringenden Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes gemäß § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c AuslBG dar.
Diesen Antrag wies das Arbeitsamt mit Bescheid vom 16. Dezember 1992 gemäß § 4 Abs. 6 AuslBG mit der Begründung ab, der Vermittlungsausschuß habe die Erteilung der beantragten Beschäftigungsbewilligung nicht befürwortet, darüber hinaus habe "das Ermittlungsverfahren" ergeben, daß keine der im § 4 Abs. 6 Z. 2 bis 4 AuslBG vorgesehenen Voraussetzungen vorliege.
In ihrer dagegen erhobenen Berufung wiederholte die Beschwerdeführerin im wesentlichen ihr bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstattetes Vorbringen; das Arbeitsamt habe ihren Antrag zu Unrecht abgelehnt.
Aus den vorgelegten Akten des Berufungsverfahrens geht hervor, daß das Arbeitsamt in der Folge an die Beschwerdeführerin ein Schreiben vom 14. Jänner 1993 gerichtet hat, in welchem der Beschwerdeführerin mitgeteilt wurde, das Arbeitsamt könne ihr aus seinem Stand an arbeitslos vorgemerkten Personen Arbeitskräfte anbieten, die für die Bedürfnisse der Beschwerdeführerin zur Verfügung stünden. Eine Reaktion der Beschwerdeführerin auf dieses Schreiben ist nicht aktenkundig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 22. März 1993 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 4 Abs. 1 und Abs. 6 sowie § 13a AuslBG idF gemäß BGBl. Nr. 684/1991 keine Folge. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der dafür maßgebenden Gesetzesstellen zu § 4 Abs. 1 AuslBG aus, es sei festgestellt worden, daß Z.B. nicht dem nach § 4b AuslBG begünstigten Personenkreis angehöre. Leider sei die momentane Situation auf dem Arbeitsmarkt so angespannt, daß keine zusätzlichen Beschäftigungsbewilligungen für Arbeitskräfte, die nicht vorzugsweise zu vermitteln seien, erteilt werden könnten. Derzeit sei eine Ersatzkraftstellung durch solche bevorzugte Personen möglich. Auf ein diesbezügliches Angebot habe die Beschwerdeführerin nicht reagiert. Zu § 4 Abs. 6 AuslBG stellte die belangte Behörde fest, die für 1992 und 1993 mit Verordnungen des Bundesministers für Arbeit und Soziales festgesetzten Landeshöchstzahlen seien seit Beginn dieser Kalenderjahre weit überschritten, weshalb auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 6 AuslBG zu prüfen seien. Es seien aber weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch von der Beschwerdeführerin vorgebracht worden, durch die ein Tatbestand dieser Gesetzesstelle zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde.
Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 15. Juni 1993, B 875/93, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
In ihrer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Die Rechtswidrigkeit liege "unter anderem" in einem gehäuften Verkennen der Rechtslage sowie in der Unterlassung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin sei völlig ungeprüft geblieben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid auf § 4 Abs. 1 und Abs. 6 AuslBG idF gemäß der Novelle BGBl. Nr. 684/1991 gestützt. Schon die Berechtigung auch nur eines dieser Versagungsgründe würde die Abweisung der Beschwerde rechtfertigen.
Nach § 3 Abs. 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber in der Regel einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde oder wenn der Ausländer einen Befreiungsschein oder eine Arbeitserlaubnis besitzt. Die Beschäftigungsbewilligung ist nach § 4 Abs. 1 AuslBG im allgemeinen zu erteilen, wenn die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Beschäftigung zuläßt und wichtige öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstehen.
Nach der Anordnung des § 4b AuslBG läßt die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 4 Abs. 1 die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nur zu, wenn für den zu besetzenden Arbeitsplatz keine der dort taxativ aufgezählten und vorrangig zu behandelnden Arbeitskräfte (Inländer, Flüchtlinge, Ausländer mit Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung etc.) vermittelt werden können. Diese Bestimmung bezweckt einen Vorrang von Inländern und ihnen gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmern bei der Arbeitsvermittlung. Diesem Zweck würde es widersprechen, wenn entgegen der allgemeinen Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Beschäftigungsbewilligung zu erteilen wäre, weil z.B. der einzelne ausländische Arbeitnehmer einen zu seiner Einstellung bereiten Arbeitgeber gefunden hat. Mit Hilfe dieser Bestimmung soll in rechtsstaatlichen Grenzen aus arbeitsmarktpolitischen Gründen die Möglichkeit für einen lenkenden Einfluß auf die Beschäftigung von Ausländern im Bundesgebiet gewährleistet sein (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0179, u.v.a.).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. April 1993, Zl. 93/09/0039) darf bei der Auslegung des § 4 Abs. 1 AuslBG nicht außer acht gelassen werden, daß die vom Gesetzgeber angesprochenen wichtigen öffentlichen und gesamtwirtschaftlichen Interessen erst dann zum Tragen kommen, wenn feststeht, für welche Beschäftigung konkret die Bewilligung beantragt wurde und ob die Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes diese konkrete Beschäftigung zuläßt. Das wird aber immer dann der Fall sein, wenn nicht feststeht, daß für die Beschäftigung wenigstens ein bestimmter Inländer oder im gegebenen Zusammenhang ein einem Inländer gleichgestellter oder begünstigt zu behandelnder Ausländer zur Verfügung steht, der bereit und fähig ist, diese Beschäftigung zu den gestellten (gesetzlich zulässigen) Bedingungen auszuüben. Diese Beweisführung erübrigt sich dann, wenn seitens des Arbeitgebers die Stellung jeder Ersatzkraft von vornherein und unbegründet abgelehnt wird (vgl. in diesem Sinne etwa die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1987, Zl. 87/09/0012, und vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0164).
Eine solche Ablehnung kann der Beschwerdeführerin auf Grund ihres aus den vorgelegten Akten ersichtlichen Verhaltens im Verwaltungsverfahren nicht unterstellt werden. Eine entsprechende negative Stellungnahme der Beschwerdeführerin liegt nicht vor. Die bloße Feststellung, die Beschwerdeführerin habe sich durch ihr "Desinteresse" an der angebotenen Ersatzkraftstellung die Möglichkeit genommen, sich von der Eignung der zur Verfügung stehenden Ersatzkräfte zu überzeugen, die im übrigen nicht auf nachvollziehbaren Ermittlungsergebnissen beruht, vermag eine Ablehnung jedweder Ersatzkraftstellung im Sinne der obigen Ausführungen nicht zu begründen. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde, die aus einer fehlenden Reaktion auf das Angebot einer Ersatzkraftstellung bereits auf deren Ablehnung geschlossen hat, bedarf es nämlich zusätzlich zum Antrag auf Beschäftigungsbewilligung keines Auftrages an die Behörde, allenfalls vorhandene Ersatzkräfte zu stellen. Das Ziel der Arbeitsvermittlung ist vielmehr (solange keine ausdrückliche Ablehnung vorliegt) von Amts wegen durch das Arbeitsamt anzustreben (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0397, und die dort angeführte Vorjudikatur). Es war daher ungeachtet einer allenfalls fehlenden Reaktion der Beschwerdeführerin die Behörde verhalten, der Beschwerdeführerin jene ihrer Meinung nach als bevorzugt zu behandelnden Arbeitssuchenden, die fähig und bereit seien, die von der Beschwerdeführerin zu besetzenden Arbeitsplätze in Erfüllung des von ihr zulässigerweise formulierten Anforderungsprofils (serbokroatische Sprachkenntnisse) zu den angebotenen Bedingungen auszufüllen, namhaft zu machen. Es fehlt aber an Feststellungen darüber, ob und inwieweit dies geschehen ist und aus welchen Gründen allenfalls eine Beschäftigung der Ersatzkräfte durch die Beschwerdeführerin nicht zustande gekommen ist. Erst auf Grund solcher Feststellungen kann aber rechtlich einwandfrei beurteilt werden, ob die Beschwerdeführerin tatsächlich kein Interesse an einer solchen Vermittlung hat.
§ 4 Abs. 6 AuslBG (Z. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 684/1991, die übrigen Bestimmungen in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 450/1990) lautet:
"Über bestehende Kontingente (§ 12) hinaus sowie nach Überschreitung der Landeshöchstzahlen (§§ 13 und 13a) dürfen Beschäftigungsbewilligungen nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen der Abs. 1 und 3 vorliegen und
1.
bei Kontingentüberziehung und bei Überschreitung der Landeshöchstzahl der Vermittlungsausschuß gemäß § 44a des Arbeitsmarktförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 31/1969, in der jeweils geltenden Fassung, einhellig die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung befürwortet, oder
2.
die Beschäftigung des Ausländers aus besonders wichtigen Gründen, insbesondere
a)
als Schlüsselkraft zur Erhaltung von Arbeitsplätzen inländischer Arbeitnehmer, oder
b)
in Betrieben, die in strukturell gefährdeten Gebieten neu gegründet wurden, oder
c)
als dringender Ersatz für die Besetzung eines durch Ausscheiden eines Ausländers frei gewordenen Arbeitsplatzes, oder
d)
im Bereich der Gesundheits- oder Wohlfahrtspflege erfolgen soll, oder
3.
öffentliche oder gesamtwirtschaftliche Interessen die Beschäftigung des Ausländers erfordern, oder
4.
die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 4 gegeben sind."
Die belangte Behörde ist - wie bereits das erstinstanzliche Arbeitsamt - vom Vorliegen einer Überschreitung der Landeshöchstzahl ausgegangen, wobei für den angefochtenen Bescheid mit Rücksicht auf seine Erlassung im Jahre 1993 die Überschreitung der Landeshöchstzahl für dieses Kalenderjahr maßgebend war. Die beschwerdeführende Partei hat gegen die Annahme des Vorliegens der Anwendungsvoraussetzungen für das erschwerte Verfahren nach § 4 Abs. 6 AuslBG weder in ihrer Berufung noch in der Beschwerde etwas vorgebracht; sie hat aber das Vorliegen von besonders wichtigen Gründen iS des § 4 Abs. 6 AuslBG (so etwa Abs. 2 lit. c, dringender Ersatz) behauptet. Sie ist daher ihrer Pflicht, Gründe vorzubringen, die für die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung im erschwerten Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 6 AuslBG maßgebend sein könnten, nachgekommen. Damit bestand jedoch die Verpflichtung der belangten Behörde, sich mit allen vorgebrachten Gründen auseinanderzusetzen (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1993, Zl. 92/09/0362 und die dort zitierte Vorjudikatur). Die belangte Behörde hat sich jedoch mit keinem der in der Berufung vorgebrachten Gründe näher auseinandergesetzt, sondern sich mit der formelhaften Feststellung begnügt, wonach weder im Ermittlungsverfahren Gründe festgestellt noch in der Berufung vorgebracht worden seien, durch die ein Tatbestand des § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. a bis d und Z. 3 AuslBG zur Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung erfüllt werde. Bereits das Vorliegen einer der im § 4 Abs. 6 Z. 1 bis 4 AuslBG alternativ geregelten Voraussetzungen genügt, um die erschwerten Bedingungen im Landeshöchstzahlüberschreitungsverfahren zu erfüllen. Da aber jedenfalls das zu § 4 Abs. 6 Z. 2 lit. c (Ersatzkraft) erstattete Vorbringen geeignet ist, im Falle seines Zutreffens (was bisher ungeprüft blieb) diese Voraussetzung zu erfüllen (vgl. zu diesem Tatbestand die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Oktober 1991, Zl. 91/09/0085, und vom 22. April 1993, Zl. 92/09/0387), kann im Beschwerdefall nicht davon ausgegangen werden, die Versagung der Beschäftigungsbewilligung hätte sich auf § 4 Abs. 6 AuslBG stützen können.
Der Sachverhalt bedarf daher sowohl hinsichtlich des Ablehnungsgrundes nach § 4 Abs. 1 als auch hinsichtlich jenes nach § 4 Abs. 6 AuslBG noch in wesentlichen Punkten der Ergänzung, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war. Dabei war gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof abzusehen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Freie BeweiswürdigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090345.X00Im RIS seit
20.11.2000