Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
HDG 1985 §61 Abs3 Z1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des R in L, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Kommandanten des Landwehrstammregimentes 43 in Hörsching vom 30. Juli 1993, Zl. 5168-3170/10/93, betreffend Bestrafung nach dem Heeresdisziplinargesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist als Vizeleutnant Angehöriger des Bundesheeres. Er war bis zum 31. März 1992 Angehöriger der Stabskompanie des Landwehrstammregimentes 43 in Hörsching, Voglerkaserne, und wurde mit Wirksamkeit vom 1. April 1992 zum Kasernenkommando Hörsching versetzt.
Mit Mitteilung seines damaligen Einheitskommandanten vom 9. Dezember 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarverfahren eingeleitet, weil er im Verdacht stehe,
"... trotz gegenteiligen Befehles (seines) Vorgesetzten, Hptm G, eine Reihe von Beförderungen von Milizsoldaten, obwohl die gesetzmäßig vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht gegeben waren, veranlaßt zu haben."
Mit Bescheid desselben Einheitskommandanten vom 21. Dezember 1992 erging gegen den Beschwerdeführer ein Disziplinarerkenntnis mit folgendem Spruch:
"Sie sind dem Befehl Ihres direkten Fachvorgesetzten Hptm G, den Sie am 19 11 91 im Zuge einer stichprobenartigen Überprüfung Ihrer schriftlichen Ausarbeitungen (RTB-Beitrag 11/91) erhalten haben, nämlich nochmals die Beförderungsvoraussetzungen der eingegebenen Milizsoldaten zu überprüfen, nur unvollständig nachgekommen und haben dadurch 15 Milizsoldaten einer Beförderung in den nächst höheren Dienstgrad, ohne die formalen Voraussetzungen dafür zu besitzen, zugeführt.
Dadurch haben Sie gegen die Bestimmungen der Beförderungsrichtlinien für Chargen und Unteroffiziere des Miliz- und Reservestandes (BMLV, Vbl I, 5/91), die allgemeinen Pflichten des Soldaten (§ 3 Abs. 1 ADV) sowie gegen den Gehorsam (§ 7 Abs. 1 ADV) verstoßen und eine Pflichtverletzung gem. § 2 Abs. 1 des Heeresdisziplinargesetzes 1985, BGBl. Nr. 294 (HDG), begangen.
Über Sie wird gem. § 48 Z. 2 iVm § 61 HDG die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von S 1.500,-- (in Worten Schilling eintausendfünfhundert) verhängt."
In der Begründung dieses Bescheides nahm der Einheitskommandant auf eine Disziplinarverhandlung vom 1. Juni 1992 Bezug, in welcher der Beschwerdeführer zugegeben habe, dem Befehl seines direkten Vorgesetzten Hptm G "auf Grund seiner damaligen seelischen Anspannung und dem damit verbundenen Arbeitsverhältnis mit eben diesem" nur unvollständig nachgekommen zu sein. Ferner bezog sich der Einheitskommandant auf eine in der Disziplinarverhandlung vom 21. Dezember 1992 von Hptm G abgelegte Zeugenaussage. Der Beschwerdeführer habe zu Unrecht geltend gemacht, daß der nunmehr gegen ihn erhobene Vorwurf ein anderer sei als jener, bezüglich dessen das Disziplinarverfahren eingeleitet worden sei, weil auch ein nur "unvollständiges" Nachkommen eines Befehles einen Verstoß gegen die angeführten Bestimmungen der ADV darstelle.
Als erwiesen wurde im erstinstanzlichen Bescheid angenommen, daß der Beschwerdeführer am 19. November 1991 von seinem Fachvorgesetzten den Befehl erhalten habe, "im RTB-Beitrag 11/91 bei allen Milizsoldaten nochmals die formellen Voraussetzungen zur Beförderung zu überprüfen". Diesem Befehl sei der Beschwerdeführer nur unvollständig nachgekommen, wodurch er 15 Milizsoldaten der Beförderung in den nächsthöheren Dienstgrad zugeführt habe, ohne daß diese die formalen Voraussetzungen dafür besessen hätten.
Die Schwere der Pflichtverletzung des Beschwerdeführers ergebe sich daraus, daß er trotz des dezidierten Befehls den "RTB-Beitrag" dem Regimentskommandanten "mehr oder weniger unverändert" zur Unterschrift vorgelegt habe, womit die Beförderungsrichtlinien ad absurdum geführt und für den Bund erhöhte Kosten bei den zukünftigen Waffenübungen des betroffenen Personenkreises zugefügt worden seien.
Als strafmildernd seien die damalige Streßsituation sowie die disziplinäre Unbescholtenheit des Beschwerdeführers anzunehmen gewesen. Die verhängte Disziplinarstrafe erscheine nicht nur schuldangemessen, sondern auch notwendig, um den Beschwerdeführer, aber auch andere Soldaten in Zukunft von der Begehung ähnlicher Pflichtverletzungen abzuhalten.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, das Disziplinarverfahren sei nicht gesetzgemäß eingeleitet und abgeschlossen worden, letzteres vor allem wegen der unzulänglichen Tatumschreibung im Bescheid der Behörde erster Instanz. Es sei auch nicht dargestellt worden, hinsichtlich welcher Milizsoldaten die Beförderungsvoraussetzungen nicht vorhanden gewesen wären, weshalb der gegen den Beschwerdeführer erhobene Vorwurf nicht nachprüfbar sei. Ferner machte der Beschwerdeführer den Eintritt der Verjährung geltend und bekämpfte in eventu auch den Strafausspruch.
Dieser Berufung gab die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Juli 1993 gemäß § 36 Abs. 2 HDG keine Folge. In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, dem Beschwerdeführer sei am 9. März 1993 Parteiengehör gewährt worden, und er habe zugegeben, "die Voraussetzungen zur Beförderung einer Reihe von Soldaten nicht bzw. nicht ordnungsgemäß überprüft zu haben". Auch sei dem Beschwerdeführer Gelegenheit geboten worden, zu einer Auflistung der widerrechtlich beförderten Soldaten und der jeweils nicht beachteten Beförderungsvoraussetzung Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer habe somit die ihm vorgehaltene Pflichtverletzung am 1. Juni 1992 im erstinstanzlichen Verfahren sowie am 9. März 1993 im Berufungsverfahren zugegeben. Er sei deshalb gemäß § 2 Abs. 1 HDG zur Verantwortung zu ziehen.
Die Einleitung des Disziplinarverfahrens sei fristgerecht und ordnungsgemäß erfolgt und dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden. Bei der Gehorsamspflicht (§ 7 Abs. 1 ADV) sei zwischen vollständiger und unvollständiger Ausführung von Befehlen nicht zu unterscheiden, weshalb der Tatbestand nicht ausgewechselt worden und Verjährung nicht eingetreten sei. Der Beschwerdeführer habe schuldhaft gehandelt. Der Spruch des Disziplinarerkenntnisses entspreche den gesetzlichen Voraussetzungen (§ 61 HDG), die §§ 72 Abs. 1 HDG und 44a VStG seien mangels Relevanz nicht anzuwenden. Die verhängte Strafe sei angemessen und entspreche der Spezial- und Generalprävention.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht einer Pflichtverletzung nach dem HDG schuldig erkannt zu werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens (wie es scheint: unvollständig) vorgelegt und hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer macht in erster Linie geltend, mangels einer ordnungsgemäßen Einleitung des Disziplinarverfahrens sei die Verjährungsfrist ungenützt verstrichen.
Gemäß § 3 Abs. 1 HDG darf ein Verdächtiger wegen einer Pflichtverletzung nicht mehr bestraft werden, wenn gegen ihn nicht
1. innerhalb eines Jahres, gerechnet von dem Zeitpunkt, zu dem die Pflichtverletzung einer Disziplinarbehörde zur Kenntnis gelangt ist, die für den Verdächtigen als zuständige Disziplinarbehörde erster Instanz in Betracht kommt, und
2. innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Pflichtverletzung
das Disziplinarverfahren eingeleitet wurde.
Gelangt dem für den Beschuldigten zuständigen Einheitskommandanten der Verdacht einer Pflichtverletzung zur Kenntnis, so hat er zunächst den Sachverhalt zu prüfen. Liegen die Voraussetzungen für das Kommandantenverfahren vor, so ist dieses durch mündliche oder schriftliche Mitteilung an den Beschuldigten einzuleiten (§ 57 HDG).
Im Beschwerdefall ist in der Mitteilung des Einheitskommandanten vom 9. Dezember 1991 eine im Sinne des § 57 HDG noch zureichend konkretisierte Einleitung des Kommandantenverfahrens zu erblicken. Schon diese Mitteilung ließ erkennen, daß gegen den Beschwerdeführer in Wahrheit zwei Schuldvorwürfe erhoben worden sind, nämlich einerseits die Mißachtung eines konkreten Befehls und andererseits die Veranlassung gesetzwidriger Beförderungen. Verjährung stand der Bestrafung des Beschwerdeführers daher in beiden im Spruch des angefochtenen Bescheides erhobenen Vorwürfen nicht entgegen.
Das vorliegende Disziplinarverfahren wurde nach den Bestimmungen für das Kommandantenverfahren (§§ 55 bis 63 HDG) durch die dafür zuständigen Behörden (§ 56 Abs. 1 Z. 1 lit. a und Z. 2 lit. b HDG) abgewickelt. Der Beschwerdeführer nimmt daher in seiner Beschwerde unzutreffend auf den nur für das Kommissionsverfahren geltenden § 72 HDG Bezug. Dennoch ist der Beschwerdeführer hinsichtlich des VORWURFES, ER HABE DIE GESETZWIDRIGE BEFÖRDERUNG VON 15 MILIZSOLDATEN VERSCHULDET, schon mit seinem zur Fassung des von der belangten Behörde bestätigten Spruches des gegen ihn ergangenen Disziplinarerkenntnisses im Recht. Der für Disziplinarerkenntnisse im Kommandantenverfahren maßgebende § 61 Abs. 3 HDG sieht nämlich in Z. 1 lit. a (mit den gleichen Worten wie etwa § 72 Abs. 2 Z. 4 lit. a HDG und insbesondere auch § 44a Z. 1 VStG) vor, daß ein Schuldspruch "die als erwiesen angenommene Tat" zu enthalten hat.
Diese dem § 44a Z. 1 VStG angeglichene Formulierung enthält das im Beschwerdefall anzuwendende HDG, BGBl. Nr. 294/1985. Die Rechtsprechung hat aber bereits zum HDG idF BGBl. Nr. 151/1956, verlangt, daß der Spruch des Disziplinarerkenntnisses "im wesentlichen alle jene Elemente zu enthalten (habe), die im § 44a VStG 1950 vorgesehen sind" (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. November 1985,
Zlen. 84/09/0151,0152).
Mit Rücksicht auf den nunmehr in diesem Punkt mit
§ 44a VStG übereinstimmend formulierten Wortlaut des § 61 Abs. 3 HDG kann insoweit auch im Beschwerdefall auf die zu
§ 44a Z. 1 VStG vorliegende Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Dieser Vorschrift ist dann entsprochen, wenn a) im Spruch des Erkenntnisses die Tat in so konkretisierter Umschreibung dem Beschuldigten vorgeworfen ist, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Juni 1984, Slg. 11466/A). Diesen Erfordernissen wird der von der belangten Behörde bestätigte Spruch des im Beschwerdefall angefochtenen Disziplinarerkenntnisses hinsichtlich des hier behandelten Vorwurfes, gesetzwidrige Beförderungen veranlaßt zu haben, nicht gerecht.
Der im Beschwerdefall gegen den Beschwerdeführer insoweit erhobene Tatvorwurf lautet, er sei einem am 19. November 1991 erhaltenen Befehl seines Vorgesetzten, nämlich nochmals die Beförderungsvoraussetzungen der eingegebenen Milizsoldaten zu überprüfen, nur unvollständig nachgekommen und habe "dadurch 15 Milizsoldaten einer Beförderung in den nächst höheren Dienstgrad, ohne die formalen Voraussetzungen dafür zu besitzen, zugeführt". Abgesehen davon, daß offenbar nicht der Beschwerdeführer die unrichtigen Beförderungen selbst vorgenommen, sondern gemäß dem erhobenen Vorwurf nur mangelhaft vorbereitet hat, ist diesem Teil des Schuldspruches nicht mit der nötigen Konkretheit zu entnehmen, hinsichtlich welcher Milizsoldaten und in welchen bestimmten Punkten der Beschwerdeführer dem ihm erteilten Befehl "nur unvollständig" nachgekommen wäre. Im gegebenen Zusammenhang kann die Berechtigung dieses Schuldvorwurfes nur an den konkreten Konsequenzen bestimmter Nachlässigkeiten des Beschwerdeführers gemessen werden. Der Beschwerdeführer macht diesbezüglich mit Recht geltend, daß die Berechtigung der gegen ihn erhobenen Vorwürfe ohne Hinweis darauf, hinsichtlich welcher Milizsoldaten ihm welche Unterlassungen vorgeworfen würden, von ihm im einzelnen nicht widerlegt werden konnte. In gleicher Weise ist diesbezüglich die vom Gesetz vorgesehene Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof unmöglich gemacht. Auch erscheint der Beschwerdeführer im Sinne der oben wiedergegebenen Vorjudikatur bei der vorliegenden Spruchformulierung vor einer unzulässigen Doppelbestrafung nicht ausreichend geschützt.
Was den Schuldvorwurf der NICHTBEFOLGUNG EINES KONKRETEN BEFEHLS betrifft, haben die im Beschwerdefall eingeschrittenen Behörden auf angeblich wiederholt vom Beschwerdeführer abgelegte Schuldeingeständnisse hingewiesen. In den vorgelegten Akten findet sich dazu allerdings kein Nachweis; die belangte Behörde hat weder eine Niederschrift einer Disziplinarverhandlung vom 1. Juni 1992 oder vom 21. Dezember 1992, noch eine anläßlich der Gewährung des Parteiengehörs am 9. März 1993 vom Beschwerdeführer abgegebene Stellungnahme vorgelegt (siehe dazu auch § 38 Abs. 2 VwGG). Dem aktenkundigen Verhalten des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ist jedoch ebensowenig wie seinem Beschwerdevorbringen zu entnehmen, daß er eine auch nur teilweise Nichterfüllung des ihm erteilten Befehles je eingestanden hätte. In diesem Punkt erweist sich der angefochtene Bescheid somit als mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet.
Ungeachtet dessen war der angefochtene Bescheid aus den zum zweiten Tatvorwurf dargestellten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Anzumerken ist noch, daß im fortgesetzten Verfahren bei einem allfälligen neuerlichen (Teil-)Schuldspruch für die Strafbemessung zu beachten sein wird, ob dem Beschwerdeführer beide Vorwürfe oder allenfalls nur einer derselben als disziplinarrechtlich schuldhaftes Verhalten vorgeworfen werden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993090397.X00Im RIS seit
20.11.2000