TE Vfgh Beschluss 2007/2/27 A16/06

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Veröffentlicht am 27.02.2007
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Index

65 Pensionsrecht für Bundesbedienstete
65/01 Allgemeines Pensionsrecht

Norm

B-VG Art137 / Bescheid
B-VG Art137 / Liquidierungsklage
PG 1965 §11 litf, §50

Leitsatz

Zurückweisung einer Klage auf Auszahlung eines infolgestrafrechtlicher Verurteilung aberkannten Ruhegenusses eines Beamtenmangels Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes; keine bloßeLiquidierungsklage; Entscheidung über die Rechtsfrage derGebührlichkeit eines pensionsrechtlichen Anspruches mit Bescheid der(Dienst-)Behörde

Spruch

Die Klage wird als unzulässig zurückgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Mit der vorliegenden, auf Art137 B-VG gestützten Klage gegen den Bund (als beklagte Partei) begehrt der Kläger folgendes

"Urteil:

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger den Betrag von € 165.019,53 samt 4% Zinsen, gestaffelt seit 01.11.1992, zu bezahlen und die Kosten dieses Rechtsstreites binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Begründend führt der Kläger dazu im Wesentlichen Folgendes aus:

"Ich [...] wurde mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.11.1991 [...] mit 'scheinbarer Rechtskraft' vom 06.10.1992 zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren [...] verurteilt.

Mit Bescheid des Bundesrechenamtes vom 11.05.1993 [...] wurde mein Anspruch auf Ruhegenuss mit Ablauf des 06.10.1992 für erloschen erklärt und wurde mir ab 01.11.1992 ein Unterhaltsbeitrag samt Nebengebührenzulage gemäß §50 Pensionsgesetz gewährt.

Die gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19.11.1991 [...] eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung wurde wegen Verspätung zurückgewiesen und wurde dem dagegen erhobenen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Endeffekt mit Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 30.06.1992 [...] nicht Folge gegeben.

Im Zuge des Zivilverfahrens vor dem Landesgericht Wiener Neustadt [...] stellte sich jedoch heraus, dass die [...] durch den damaligen Rechtsvertreter [...] eingebrachte Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung rechtzeitig beim Landesgericht Feldkirch [...] eingebracht wurde.

Aufgrund des Ergebnisses des Verfahrens vor dem Landesgericht Wiener Neustadt [...] wurde durch den nunmehrigen Rechtsvertreter ein Antrag an das Landesgericht Feldkirch gestellt, der als 'Wiederaufnahme des Strafverfahrens' bezeichnet wurde.

Dieser Antrag vom 16.01.2004 wurde vom Landesgericht Feldkirch mit Beschluss vom 11.08.2004 [...] abgelehnt.

[D]er dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 05.10.2004 [...] Folge, hob den angefochtenen Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch auf und entschied in der Sache selbst dahin, dass der Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 15.04.1992 über die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung aufgehoben werde.

In der Begründung trug es dem Landesgericht Feldkirch auf, den Akt nun zur Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde [...] und über die allfällige Reasummierung des Beschlusses auf Zurückweisung der Strafberufung neuerlich dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

Mit seiner Entscheidung vom 08.03.2005 [...] entschied der Oberste Gerichtshof wie folgt:

'Das Oberlandesgericht irrt über das Wesen der Wiederaufnahme. Diese ist grundsätzlich nur gegen Urteile zulässig. Lediglich in einzelnen Fällen von meritorischen Beschlüssen hat die Rechtsprechung bisher in analoger Anwendung der entsprechenden Bestimmungen der Strafprozessordnung die Wiederaufnahme gestattet.

Nicht zulässig ist eine Wiederaufnahme aber bei rein prozessualen Beschlüssen, wie etwa bei der vorliegenden Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde wegen verspäteter Ausführung.

Diesbezüglich fehlerhafte Entscheidungen dürfen nur durch den Obersten Gerichtshof in einem vom Generalprokurator initiierten Verfahren nach §33 Abs2 StPO beseitigt werden.

Im Übrigen hat der Oberste Gerichtshof eigene, aufgrund falscher Tatsachengrundlagen ergangene formalrechtliche Entscheidungen ausschließlich selbst in einem sogenannten Reasummierungsbeschluss aufzuheben [...].

Im Hinblick auf die Ergebnisse des Zivilverfahrens [...] geht der Oberste Gerichtshof nunmehr im Zweifel zu Gunsten des Rechtsmittelwerbers davon aus, dass die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung rechtzeitig eingebracht wurden.

Der Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 30.01.1992 [...] war daher aufzuheben.'

Die Nichtigkeitsbeschwerde selbst wurde zurückgewiesen und hat in weiterer Folge das Oberlandesgericht Innsbruck in seiner Entscheidung vom 27.04.2005 [...], mir als nunmehrigen Kläger zugestellt am 28.06.2005, die über mich verhängte Freiheitsstrafe auf 3 Jahre herabgesetzt, wobei ein Teil von 2 Jahren unter Bestimmung einer Probezeit von 1 Jahr bedingt nachgesehen wurde.

Damit wurde nunmehr das Strafverfahren gegen mich endgültig rechtskräftig und hätten die Folgen gemäß §11 f Pensionsgesetz 1965 iVm §20 Abs2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 eintreten können.

Dies bedeutet jedoch, dass mit Bescheid vom 11.05.1993 des Bundesrechenamtes meine Pension bis zu diesem Zeitpunkt zu Unrecht gekürzt wurde.

[...]

Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes ist nach Art137 B-VG gegeben, da der klägerische Anspruch im öffentlichen Recht wurzelt, sohin weder die ordentlichen Gerichte zuständig sind, noch ein Verwaltungsweg vorgesehen ist.

Die Klage ist auf die Auszahlung des von der beklagten Partei zu [U]nrecht aberkannten Ruhegenusses gerichtet.

Der Ruhegenuss wurde mir ab 01.09.1990 zuerkannt und wurde auch im [E]inzelnen bemessen.

Der Anspruch auf diesen Ruhegenuss steht mir sohin aufgrund des ursprünglichen Bescheides, der Berechnung des Ruhegenusses als Beilage zu diesem Bescheid [...] sowie der jeweiligen Bezugsnachweise zu und ist öffentlich-rechtlicher Natur.

Über den klagsweise geltend gemachten Liquidierungsanspruch ist nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden. Er ist auch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen.

Die beklagte Partei, vertreten durch das Bundespensionsamt, wurde mit Schreiben der Gewerkschaft öffentlicher Dienst vom 24.06.2005 zur Nachzahlung aufgefordert und hat diese mit dem Bescheid vom 05.05.2006 [...] abgewiesen bzw. abgelehnt.

Den Bescheid vom 05.05.2006 [...] des Bundespensionsamts habe ich zwar mit Berufung durch meinen ausgewiesenen Rechtsvertreter bekämpft, doch bin ich der Ansicht, dass eine bescheidmäßige Erledigung des Aufforderungsschreibens der Gewerkschaft öffentlicher Dienst vom 24.06.2005 zur Nachzahlung im Gesetz nicht verankert ist, da über diesen Anspruch nicht im ordentlichen Rechtsweg zu entscheiden ist.

Er ist daher auch nicht durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen.

[...] Die beklagte Partei ist zur Zahlung des dem Kläger ursprünglich bescheidmäßig zuerkannten Ruhegenusses verpflichtet. Der Einbehalt vom Teil des Ruhegenusses seit 01.11.1992 bis zur endgültigen Rechtskraft des Strafverfahrens erfolgte rechtsgrundlos.

Die beklagte Partei ist daher zur Leistung des Differenzbetrages im Zeitraum 01.11.1992 bis 28.06.2005 (Zustellung des Urteiles des Oberlandesgerichtes Innsbruck) im Betrag von € 165.019,53 [...] verpflichtet."

2. Der in der Klagsschrift erwähnte Bescheid des Bundesrechenamtes vom 11.5.1993 lautet im Wesentlichen wie folgt:

"Es wird festgestellt, daß Ihr Anspruch auf Ruhegenuß gemäß §11 litf des Pensionsgesetzes 1965 [...] mit Ablauf des 6. Oktober 1992 erloschen ist. Gleichzeitig wird festgestellt, daß Ihnen gemäß §50 Abs1 PG 1965 vom 1. November 1992 an ein Unterhaltsbeitrag in der Höhe von monatlich brutto [...] gebührt."

Im "Vollmachtsnamen" des Klägers beantragte die Gewerkschaft vffentlicher Dienst beim Bundespensionsamt mit Schreiben vom 24.6.2005 die Nachzahlung des Differenzbetrages zwischen dem seit dem Jahr 1991 bis zum Mai 2005 ausbezahlten Unterhaltsbeitrag und dem tatsächlich gebührenden Ruhegenuss an den Kläger. Diesen Antrag wies das Bundespensionsamt mit dem in der Klagsschrift erwähnten Bescheid vom 5.5.2006 mit folgender Begründung ab:

"Das Erlöschen des Ruhegenusses nach §11 PG 1965 ist eine gesetzliche Folge der Verurteilung und wäre auch aufgrund der Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Innsbruck eingetreten (§11f PG 1965 iVm §20 Abs2 BDG 1979). In sinngemäßer Anwendung des §358 Satz 2 StPO hat diese gesetzliche Folge seit dem erstmaligen Eintritt der Rechtskraft am 6. Oktober 1992 unverändert fortgedauert, weshalb Ihr Antrag abzuweisen war."

3. Der Bund erstattete als beklagte Partei eine Gegenschrift, in der er die Unzulässigkeit der Klagsführung im Wesentlichen mit folgender Begründung behauptet:

"[...] Der Kläger hat formal die Möglichkeit die Wiederaufnahme des Verfahrens des Bundespensionsamtes (vormals Bundesrechenzentrums) vom 11.5.1993 [...] zu begehren. In diesem Verfahren ist zu klären, ab welchem Zeitpunkt das Erlöschen des Ruhegenusses infolge rechtswirksamer Verurteilung tatsächlich eingetreten ist. In weiterer Folge wird damit im Ergebnis auch geklärt sein, ob der Kläger Ruhegenussansprüche für die Zeit vor dem Reasummierungsbeschluss[...] des OGH bzw. vor der Zustellung des Urteiles des OLG Innsbruck vom 27.4.2005 [...] zuerkannt erhält. Die pensionsrechtlichen Folgen eines Reasummierungsbeschlusses des OGH werden somit im Verwaltungsverfahren geklärt werden müssen [...], sodass die Angelegenheit bescheidmäßig zu erledigen ist. [...]"

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Mit der vorliegenden Klage wird ein vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht, der auf pensionsrechtlichen Vorschriften gründet, also (beamten)pensionsrechtlicher Natur ist. Da es sich somit um einen öffentlichrechtlichen Anspruch und nicht um eine bürgerliche Rechtssache handelt, ist die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung hierüber nicht gegeben (vgl. zB VfSlg. 12.197/1989). Der Verfassungsgerichtshof wäre zur Entscheidung gemäß Art137 B-VG aber nur dann berufen, wenn über diesen Anspruch nicht durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erkennen ist. Es bedarf daher nunmehr diese Frage einer Prüfung.

Pensionsrechtliche Ansprüche eines Beamten werden in der Regel in drei Phasen - Schaffung eines Rechtstitels, Bemessung und Liquidierung - verwirklicht. Die letzte Phase (Liquidierung, Auszahlung) ist ein technischer Vorgang, der nur der Verwirklichung der vorangegangenen Bescheide dient, also selbst nicht durch Bescheid zu erledigen ist, sodass für die Entscheidung über ein solches Liquidierungsbegehren die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art137 B-VG gegeben ist (vgl. zB VfSlg. 17.039/2003). Geht es hingegen nicht bloß um die Liquidierung eines solchen Anspruches, nämlich um den technischen Vorgang der Auszahlung, sondern um die Rechtsfrage der Gebührlichkeit, so ist darüber im Streitfall mit Bescheid der zuständigen (Dienst-)Behörde zu entscheiden (vgl. zB VfSlg. 12.197/1989).

2. Im vorliegenden Fall bringt der Kläger im Wesentlichen vor, dass seine Pension mit Bescheid des Bundesrechenamtes vom 11.5.1993 zu Unrecht gekürzt worden sei. Daraus wird deutlich, dass es ihm mit seiner Klage nicht um die Liquidierung eines ihm bescheidmäßig zuerkannten pensionsrechtlichen Anspruches geht, sondern vielmehr dessen Gebührlichkeit strittig ist. Darüber ist jedoch - wie soeben ausgeführt - nicht vom Verfassungsgerichtshof im Verfahren nach Art137 B-VG zu entscheiden und die Klage daher als unzulässig zurückzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung fußt auf §41 VfGG. Der beklagte Bund hat Kosten nicht ziffernmäßig verzeichnet, sodass ihm keine Kosten zuzusprechen waren (VfSlg. 16.858/2003).

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

VfGH / Klagen, Dienstrecht, Ruhegenuß, Pensionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:A16.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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