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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 21. Mai 1993, Zl. VI/2-226/5-1993, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Wie sich aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt, wurde mit diesem im Instanzenzug ergangenen Bescheid dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B und F gemäß § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 73 Abs. 2 KFG 1967 bis einschließlich 10. Februar 1993 (18 Monate gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines) vorübergehend entzogen.
In seiner Beschwerde an Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend; er beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Dem angefochtenen Bescheid liegt die Annahme zugrunde, der Beschwerdeführer habe am 10. August 1991 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO 1960 begangen. Dies stehe aufgrund seiner Bestrafung mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 7. April 1993 für die Behörde bindend fest. Diese Übertretung bilde eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, aus der die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers abzuleiten sei. Im Rahmen der Wertung berücksichtigte die belangte Behörde drei weitere Alkoholdelikte des Beschwerdeführers, derentwegen ihm jeweils vorübergehend die Lenkerberechtigung entzogen worden sei (1983 für 12 Monate, 1987 für 8 Monate, 1989 für 15 Monate). Die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers sei erst nach Verstreichen der festgesetzten Zeit zu erwarten.
Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides sei noch gar keine rechtskräftige Entscheidung im Verwaltungsstrafverfahren vorgelegen.
Dieses nicht näher begründete Vorbringen beruht offenbar auf einem Irrtum über das Datum des Bescheides des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich. Denn dieser Bescheid stammt nicht, wie die Beschwerde fälschlich angibt, vom 4. Juli 1993, sondern vom 7. April 1993. Das ergibt sich aus dem angefochtenen Bescheid und auch aus dem mit der Beschwerde vorgelegten hg. Beschluß vom 29. September 1993, Zl. 93/02/0189, mit dem die Behandlung der Beschwerde gegen den besagten Strafbescheid abgelehnt wurde. Daß der Strafbescheid dem Beschwerdeführer jedenfalls vor Erlassung des vorliegend angefochtenen, mit 21. Mai 1993 datierten Bescheides zugestellt wurde, ergibt sich daraus, daß der Beschwerdeführer bereits am 5. Mai 1993 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gestellt hat.
Damit stand für die belangte Behörde bindend fest, daß der Beschwerdeführer am 10. August 1991 ein Alkoholdelikt begangen hat. Aufgrund ihrer Bindung an die rechtskräftige Entscheidung im Strafverfahren war ihr eine selbständige Prüfung dieser Vorfrage verwehrt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1993, Zl. 92/11/0070, mit weiteren Judikaturhinweisen), weshalb die Verfahrensrügen hinsichtlich der gegenständlichen Annahme ins Leere gehen. Diese Bindung ist die Folge der Rechtskraft der Entscheidung über die Vorfrage und daher auch vom Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides zu beachten. An dieser Bindung vermag der Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof nach Erlassung des angefochtenen Bescheides mit dem vorhin genannten Beschluß vom 29. September 1993 gemäß § 33a VwGG die Behandlung der Beschwerde gegen den Strafbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich abgelehnt hat, nichts zu ändern. Die Ansicht des Beschwerdeführers, es liege insoweit ein Rechtsschutzdefizit vor, wird nicht geteilt, da es sich bei den unabhängigen Verwaltungssenaten um unabhängige Behörden iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK handelt.
Dem Einwand, die belangte Behörde habe unzulässigerweise zwei verjährte Verwaltungsübertretungen berücksichtigt (damit sind offenbar die den Entziehungsbescheiden vom 9. September 1983 und vom 6. Mai 1987 zugrundeliegenden Alkoholdelikte gemeint), ist die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten, wonach die Kraftfahrbehörde bei der Prognose, wann voraussichtlich mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit des Betreffenden zu rechnen ist, auch bereits getilgte Vorstrafen zu berücksichtigen hat (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1993, Zl. 92/11/0070, mit weiteren Judikaturhinweisen).
Das Vorbringen, der Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See an den Gendarmerieposten Kittsee sei "keine Verfolgungshandlung gem. § 32 VStG", ist verfehlt, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um ein Strafverfahren handelt. Mit dem darauf aufbauenden weiteren Vorbringen, es sei nach Einbringung der Vorstellung gegen den Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See nicht fristgerecht das Ermittlungsverfahren eingeleitet worden und es sei daher gemäß § 57 Abs. 3 AVG der Mandatsbescheid außer Kraft getreten, ist für den Beschwerdeführer deshalb nichts zu gewinnen, weil dieser Umstand für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ohne Belang ist.
Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Sachverhalt VorfrageRechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeRechtskraft Besondere Rechtsprobleme Verfahren vor dem VwGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993110252.X00Im RIS seit
12.06.2001Zuletzt aktualisiert am
27.06.2016