TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/25 94/08/0001

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Veröffentlicht am 25.01.1994
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 lita;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §12 Abs6;
AlVG 1977 §46;
AVG §56;
BSVG §2 Abs1 Z1;
B-VG Art7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Knecht, über die Beschwerde des W in P, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in P, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom 13. Juli 1993, Zl. IVa-AlV-7022-0-B/3441 240660/Grieskirchen, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr in Ablichtung vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer beantragte am 10. Dezember 1992 beim Arbeitsamt Grieskirchen die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes und gab hiebei an, einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von S 56.000,-- zu besitzen und zu bewirtschaften. In der niederschriftlichen Erklärung vom 24. Dezember 1992 erklärte er, er habe die Landwirtschaft von seiner Mutter geerbt und bewirtschafte sie bereits seit vier Jahren. Während dieser Zeit sei er auch bei der Firma F ganztägig in Beschäftigung gestanden. Seine tägliche Arbeitszeit in der Landwirtschaft belaufe sich derzeit auf ca. drei Stunden.

Mit Bescheid vom 21. Jänner 1993 gab das Arbeitsamt Grieskirchen dem Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gemäß § 7 Z. 1 in Verbindung mit § 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge. Begründet wurde diese Entscheidung damit, daß der Beschwerdeführer eine Landwirtschaft mit einem Einheitswert von S 56.000,-- bewirtschafte und somit keine Arbeitslosigkeit gegeben sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung vertrat der Beschwerdeführer die Auffassung, daß es nicht genüge, wenn der Einheitswert der Landwirtschaft eine Höhe von S 56.000,-- aufweise; es komme vielmehr auf die konkrete Bewirtschaftungsart an, nämlich darauf, ob eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung in dem Sinn ausgeübt werde, daß aus der Landwirtschaft ein entsprechender Ertrag erzielt werde, der die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG genannten Grenzen übersteige.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den bekämpften Bescheid. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, es sei unstrittig, daß der Beschwerdeführer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von § 56.000,-- besitze. Am 24. Dezember 1992 habe er niederschriftlich angegeben, daß seine Arbeitszeit in der Landwirtschaft ca. drei Stunden täglich betrage. Er gelte daher nach § 12 Abs. 6 lit. b nicht als arbeitslos. Entgegen dem Berufungsvorbringen sei nicht auf den Ertrag abzustellen, der durch die Bewirtschaftung der Landwirtschaft erzielt werde, sondern im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG auf die Beschäftigung des Beschwerdeführers, d.h. auf das Ausmaß seiner Tätigkeit, anhand derer seine Arbeitslosigkeit zu beurteilen sei. Würde seine Beschäftigung bei gleicher Arbeitszeit und gleichem Tätigkeitsfeld von einem betriebsfremden Landarbeiter ausgeübt, so hätte dieser nach dem für bäuerliche Betriebe in Oberösterreich geltenden Kollektivvertrag einen Entgeltsanspruch von monatlich § 4.465,80 brutto. Die Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG habe im Jahre 1992 aber nur S 2.924,-- brutto pro Monat betragen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrenvorschriften geltend machende Beschwerde. Darin vertritt der Beschwerdeführer - so wie schon in der Berufung - die Auffassung, daß für das Vorliegen von Arbeitslosigkeit nicht der bloße Einheitswert seiner Landwirtschaft in Höhe von S 56.000,-- entscheidend sei. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung sei - zufolge Verwendung des Wortes "bewirtschaftet" im § 12 Abs. 6 lit. b AlVG - auf die konkrete Bewirtschaftungsart abzustellen und zu fragen, ob eine ordnungsgemäße Bewirtschaftung in dem Sinn ausgeübt werde, daß aus der Landwirtschaft auch ein entsprechender Ertrag erzielt werden könne, der die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG normierte Grenze übersteige. Dem folge zwar die belangte Behörde, stelle dann aber auf einen "Anspruchslohn" ab, den sie mit monatlich S 4.464,80,-- brutto feststelle. Dies sei verfehlt, weil nicht auf einen Anspruchslohn, sondern auf den tatsächlichen Ertrag abzustellen sei, den die Landwirtschaft abwerfe. Übersteige dieser Ertrag nicht die im § 5 Abs. 2 lit. a bis c ASVG angeführten Beträge, so liege ungeachtet der Höhe des Einheitswertes Arbeitslosigkeit vor. Die Anwendung der eben genannten Grenzbeträge resultiere aus dem Grundgedanken, der hinter der Bestimmung des § 12 Abs. 6 AlVG stehe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre die belangte Behörde demnach verpflichtet gewesen, Feststellungen über den tatsächlichen Ertrag der Landwirtschaft des Beschwerdeführers zu treffen. Hätte sie dies getan, so wäre seinem Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld Folge zu geben gewesen. Rechtswidrig sei der angefochtene Bescheid aber auch insoweit, als nicht ausgesprochen worden sei, für welchen Zeitraum der Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes abgewiesen worden sei. Eines solchen Ausspruches hätte es bedurft, um so die Grenzen der Rechtskraft zu determinieren, zumal ja der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld stellen könnte und ohne den vermißten Ausspruch nicht feststünde, inwieweit über seinen Antrag bereits abgesprochen worden sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 AlVG setzt der Anspruch auf Arbeitslosengeld unter anderem voraus, daß der Anspruchswerber arbeitslos ist.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Nach § 12 Abs. 3 lit. b leg. cit. gilt insbesondere nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist. Nach § 12 Abs. 6 lit. b AlVG gilt jedoch als arbeitslos, wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet, dessen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellter Einheitswert S 54.000,-- nicht übersteigt.

Unter der selbständigen Erwerbstätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. b AlVG ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 13. November 1990, Zl. 89/08/0229, mit weiteren Judikaturhinweisen) der Inbegriff der in persönlicher und wirtschaftlicher Unabhängigkeit verrichteten Arbeitsleistungen zu verstehen, die die Schaffung von Einkünften in Geld oder sonstigen Gütern bezwecken. Die Selbständigkeit der Arbeit kommt vor allem auch in der Tatsache zum Ausdruck, daß der Selbständige die Tätigkeit nicht selbst verrichten muß, sondern sie durch Bevollmächtigte, Familienangehörige oder Dienstnehmer verrichten lassen kann. Ein Kaufmann, der seine Geschäfte durch einen Prokuristen und Handlungsbevollmächtigten besorgen läßt, ein Bauer, dessen Wirtschaft von seinen Familienangehörigen, Knechten oder Mägden betrieben wird, haben nicht aufgehört, selbständig erwerbstätig zu sein, auch wenn sie aus gesundheitlichen oder anderen Gründen sich in ihrem Betrieb jeglicher Tätigkeit enthalten. Sie gelten als selbständig erwerbstätig, wenn der Betrieb für ihre Rechnung und auf ihre Gefahr geführt wird (vgl. das Erkenntnis vom 17. Februar 1954, Slg. Nr. 3.306/A, aber auch die Erkenntnisse vom 14. Oktober 1953, Slg. Nr. 3.140/A, vom 7. April 1954, Zl. 3202/52, und vom 9. Mai 1980, Zl. 2669/77).

§ 12 Abs. 6 lit. b AlVG stellt ebenso wie § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit. eine Ausnahme von der Bestimmung des § 12 Abs. 3 lit. b dar. Das ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut ("auf andere Art selbständig erwerbstätig" in § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit.) als auch aus den Gesetzesmaterialien zur Novelle des AlVG 1958, BGBl. Nr. 289/1976 (EBzRV 146 BlgNR 14. GP, Seite 14, sowie AB, 163 BlgNR XIV. GP, Seite 1), durch die die auch im Beschwerdefall (mit Ausnahme der Höhe des Einheitswertes) noch geltende Rechtslage geschaffen wurde (vgl. auch dazu das schon zitierte Erkenntnis vom 9. Juni 1988, Zl. 87/08/0303). Aus dem Umstand, daß in § 12 Abs. 6 lit. b AlVG auf die "Bewirtschaftung" eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes abgestellt wird, kann nicht abgeleitet werden, daß für diese Art der selbständigen Erwerbstätigkeit eine aktive Mitarbeit des Betreffenden im Betrieb vorausgesetzt wird und damit in bezug auf land(forst)wirtschaftliche Betriebe auch der Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit in § 12 Abs. 3 lit. b AlVG eine diesbezügliche Änderung erführe. Derartiges gebietet der Wortlaut nicht. Vor allem aber ergibt sich aus den schon genannten Gesetzesmaterialien zur AlVG-Novelle

BGBl. Nr. 289/1976 eindeutig, daß der Gesetzgeber auch in bezug auf Eigentümer (Miteigentümer) land(forst)wirtschaftlicher Betriebe von dem im Erkenntnis vom 17. Februar 1954, Slg. Nr. 3.306/A, entwickelten Begriff der selbständigen Erwerbstätigkeit ausging.

Für die Frage, ob ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Anspruchswerbers geführt wird, ist - so wie für die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Z. 1 BSVG (vgl. dazu unter anderem das Erkenntnis vom 18. Juni 1991, Zl. 90/08/0197) - maßgeblich, ob der Anspruchswerber aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Dies trifft auf den Beschwerdeführer als Eigentümer des gegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebes zu.

Wird aber ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Anspruchswerbers geführt und übersteigt der nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellte Einheitswert S 54.000,--, so gilt - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - der Anspruchswerber, unabhängig vom Ertrag der Landwirtschaft, also von der Höhe der tatsächlich erzielten Einkünfte aus dem Betrieb und allfälligen (auch hypothekarisch gesicherten) Belastungen, nicht als arbeitslos. Denn - anders als die übrigen Tatbestände des § 12 Abs. 6 AlVG - enthält § 12 Abs. 6 lit. b AlVG die schon mehrfach angeführte Geringfügigkeitsgrenze nicht. Gegen eine analoge Anwendung sprechen aber, wie der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 9. Juni 1988, Zl. 87/08/0303, dargelegt hat, nicht nur der Umstand, daß aus der Einfügung der lit. b in den Abs. 6 des § 12 zwischen zwei Ausnahmetatbestände, die derartige Geringfügigkeitsgrenzen vorsehen, abzuleiten ist, daß für § 12 Abs. 6 lit. b AlVG die Überschreitung dieser Geringfügigkeitsgrenze durch die aus dem Betrieb erzielten Einkünfte kein zu prüfendes Tatbestandsmerkmal ist, sondern auch die schon zitierten Gesetzesmaterialien. Darin wird nämlich diese Frage ausdrücklich behandelt und als Grund für die Nichteinführung einer Geringfügigkeitsgrenze im Sinne der lit. a und c des § 12 Abs. 6 angeführt, eine Verschlechterung gegenüber dem bis dahin geltenden Rechtszustand zu vermeiden. Aus den Gründen des eben zitierten Erkenntnisses vom 9. Juni 1988 hegt der Verwaltungsgerichtshof auch weiterhin gegen die bloße Anknüpfung an die Höhe des Einheitswertes keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Ungeachtet der konkreten Art der Bewirtschaftung des gegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebes und des erzielten Ertrages ist daher im Hinblick auf die unbestrittene Höhe des Einheitswertes von S 56.000,-- eine Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers zu verneinen.

Der angefochtene Bescheid ist aber auch nicht deshalb rechtswidrig, weil er keinen Ausspruch darüber enthält, für welchen Zeitraum der Antrag abgewiesen worden sei. Denn die belangte Behörde hatte lediglich zu beurteilen, ob dem Beschwerdeführer aufgrund des (für die Zuerkennung von Arbeitslosengeld nach § 46 AlVG erforderlichen) Antrages vom 15. Dezember 1992 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zustand. Dies hat sie, im Ergebnis mit Recht, verneint. Diese Entscheidung steht aber nicht künftigen Anträgen des Beschwerdeführers auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld entgegen. Ob sie berechtigt sein werden, hängt von dem dann zu beurteilenden Sachverhalt und der auf ihn anzuwendenden Rechtslage ab.

Da somit schon der Inhalt der vorliegenden Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1994080001.X00

Im RIS seit

11.02.2002

Zuletzt aktualisiert am

14.06.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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