Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §68 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der M in N, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 17. Mai 1993, Zl. 315.097/2-III/A/2a/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einem Verfahren gemäß § 77 GewO 1973 (mP: I-Gesellschaft m.b.H in N),
Spruch
I. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, zurückgewiesen.
II. zu Recht erkannt:
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erhob im Rahmen des von der Erstbehörde über einen Antrag der mitbeteiligten Partei auf Genehmigung der Errichtung eines Flüssiggaslagers am Standort, B-Straße 3, eingeleiteten Verfahrens schriftlich "Einwendungen" in denen sie zunächst geltend machte, die mitbeteiligte Partei betreibe an dem in Rede stehenden Standort bereits seit einiger Zeit "illegal" einen Betrieb. Ferner machte die Beschwerdeführerin einen Widerspruch der geplanten Betriebsanlage zu den am Standort geltenden Raumordnungsvorschriften geltend und führte sodann folgendes aus:
"Tatsache ist, daß leicht entflammbare Flüssigkeiten und leicht entzündbare und brennbare Materialien und chemische Stoffe seitens der Antragstellerin gelagert werden. Zudem befindet sich in unmittelbarer Nähe eine Arztordination sowie ein baubehördlich genehmigter Holzschuppen, in welchem ganzjährig Brennholz gelagert wird. Darüberhinaus werden im Betrieb der Antragstellerin ausländische Arbeiter beschäftigt, die auch mit Gasflaschen hantieren, wobei allerdings erhebliche Bedenken und Zweifel bestehen, daß diese über die Gefahren und möglichen Auswirkungen eines Gasunfalles entsprechend informiert, geschweige denn geschult sind.
Des weiteren befindet sich in unmittelbarer Nähe des gegenständlichen illegalen Standortes die Volksschule und wäre es kaum auszudenken, was bei einem Gasunfall passieren würde.
Den gegenständlichen Einwendungen wird eine Kopie eines Ausschnittes der Seite drei der Tiroler Tageszeitung vom 29./30.05.1991/Nr.: 123 vorgelegt, welcher nur exemplarisch die Folgen eines (leider immer wieder auch in Tirol auftretenden) Gasunfalles vor Augen führt. Die Explosion einer einzigen Gasflasche schleuderte die betreffende Gasflasche rund 300 m weit. Aufgrund der sich in unmittelbarer Nähe des illegalen Standortes der Antragestellerin befindenden Arztordination, eines Holzschuppens, sowie der Volksschule, könnte bei einem derartigen Vorfall mit mehreren Toten, wahrscheinlich mit mehreren toten Schulkindern gerechnet werden. Sollte daher die Behörde das gegenständliche Ansuchen - in welcher Form immer - bewilligen, so macht sie sich an der potentiellen Gefahr der Vernichtung von Menschenleben (Leben von Kindern) mitschuldig. Jedenfalls weist die Einwendungswerberin bereits jetzt die Behörde auf diese Umstände hin, um nicht im nachhinein dem Vorwurf ausgesetzt zu sein, die Behörde hätte davon nichts gewußt. ...."
An der in der Folge durchgeführten mündlichen Augenscheinsverhandlung nahm die Beschwerdeführerin nicht teil. Mit Bescheid vom 23. Juli 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck der mitbeteiligten Partei die Genehmigung zur Errichtung eines Flaschenlagers der Größenklasse II und wies die Einwendungen der Beschwerdeführerin als unbegründet ab.
Die von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies der Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 20. Jänner 1992 mangels Parteistellung gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurück. Gleichzeitig erklärte er den erstbehördlichen Bescheid gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG für nichtig.
Die auch gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten mit dem Bescheid vom 17. Mai 1993 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab (Spruchpunkt I). Mit Spruchpunkt II hob der Bundesminister den die Nichtigerklärung des erstbehördlichen Bescheides betreffenden Ausspruch im Bescheid des Landeshauptmannes in Ausübung seines Aufsichtsrechtes auf. Zur Begründung des Spruchpunktes I dieses Bescheides führte der Bundesminister nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges und nach Darlegung des Inhaltes der bezughabenden Gesetzesstellen aus, nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liege eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973 nur dann vor, wenn der Nachbar die Verletzung eines eigenen subjektiven Rechtes geltend mache. Dem im gegebenen Sach- und Rechtszusammenhang einzig maßgeblichen Einwendungsschriftsatz der Beschwerdeführerin lasse sich jedoch eine Bezugnahme auf ihre eigene subjektiv-öffentliche Rechtslage in keiner Weise entnehmen. Damit aber habe die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verwaltungsverfahren Parteistellung und Berufungsrecht nicht erworben, weshalb ihre gegen den Bescheid erster Instanz erhobene Berufung zu Recht als unzulässig zurückgewiesen worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Partei hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem gesamten Vorbringen in dem Recht auf meritorische Behandlung ihrer Berufung und auf Nichtigerklärung des erstbehördlichen Bescheides verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes bringt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, sie habe als unmittelbare Nachbarin und Anrainerin (die Betriebsanlage grenze unmittelbar an ihre Liegenschaft an) bereits in ihren Einwendungen im erstinstanzlichen Verfahren ausgeführt, durch die illegale Betriebsanlage werde nicht nur ihr baubehördlich genehmigter Holzschuppen, in welchem ganzjährig Brennholz gelagert werde, sowie auch ihre gesamte Liegenschaft einer potentiellen Gefährdung ausgesetzt, sondern es liege auch eine Gefährdung von Schulkindern und somit ihrer eigenen Kinder vor, sodaß von der illegalen Betriebsanlage nicht nur eine potentielle Gefährdung ihrer Liegenschaft und der darauf errichteten Bauwerke, sondern auch ihrer Kinder ausgehe. Damit sei ein Eingriff in subjektiv-öffentliche Rechte geltend gemacht worden. Die belangte Behörde hätte auch den die Nichtigerklärung des erstbehördlichen Bescheides betreffenden Ausspruch im Bescheid des Landeshauptmannes nicht aufheben dürfen, da dadurch die Beschwerdeführerin jedenfalls schlechter gestellt worden sei, als wenn sie überhaupt keine Berufung erhoben hätte. Dies stelle einen Verstoß gegen den Grundsatz der reformatio in peius dar und bilde eine eklatante Verletzung des § 68 Abs. 2 AVG. Nach dieser Gesetzesstelle sei die Aufhebung eines Bescheides gesetzwidrig, wenn hiedurch die Lage der Partei ungünstiger als durch den aufgehobenen Bescheid gestaltet werde. Darüberhinaus seien alle Bescheide, die in einem Mehrparteienverfahren ergangen seien, von der Anwendung des § 68 Abs. 2 AVG ausgenommen. Dessen ungeachtet sei kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt worden und es seien eine Reihe von unmittelbaren Anrainern und Nachbarn dem Verfahren gar nicht beigezogen worden. Zur Illustration der "unglaublichen Vorgänge" des erstinstanzlichen Verfahrens werde darauf hingewiesen, daß die mitbeteiligte Partei bei der Erstbehörde neuerlich einen Antrag überreicht habe, über den die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck am 7. Oktober 1992 einen neuerlichen Genehmigungsbescheid erlassen habe, gegen welchen wiederum fristgerecht Berufung erhoben worden sei, wobei dieser Berufung mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 17. November 1992 insofern Folge gegeben worden sei, als der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zurückverwiesen worden sei. Daraufhin habe die Erstbehörde am 27. April 1993 erneut einen Genehmigungsbescheid erlassen. Darüber sei das Berufungsverfahren noch anhängig.
I.
Im Grunde des Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde - nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges - wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde (nur) erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine auf diese Bestimmung gestützte Beschwerde nur dann zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid im Rahmen des von ihm geltend gemachten Beschwerdepunktes in einem gesetzlich normierten subjektiven Recht verletzt wurde (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 2. Juli 1981, Slg. N.F. Nr. 10.511/A).
Gemäß § 68 Abs. 7 AVG steht niemandem ein Anspruch auf die Ausübung des der Behörde gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 leg. cit. zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechtes zu. Stand aber solcherart der Beschwerdeführerin ein Rechtsanspruch auf die Nichtigerklärung des erstbehördlichen Bescheides durch den Landeshauptmann von Tirol nicht zu, so kann sie, da sie, wie unten (Pkt. II.) noch auszuführen sein wird, nicht Partei des Genehmigungsverfahrens geworden war, auch durch die Entscheidung der belangten Behörde, den diesbezüglichen Ausspruch im Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol aufzuheben und damit den erstbehördlichen Bescheid wiederherzustellen, in subjektiv-öffentlichen Rechten nicht verletzt sein.
Soweit sich die Beschwerde gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, war sie daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen des Mangels der Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen.
II.
Gemäß § 356 Abs. 3 GewO 1973 sind im Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - nur Nachbarn, die spätestens bei der Augenscheinsverhandlung Einwendungen gegen die Anlage im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1, 2, 3 oder 5 erheben, Parteien, und zwar vom Zeitpunkt ihrer Einwendungen an.
Nach § 359 Abs. 4 GewO 1973 steht das Recht der Berufung außer dem Genehmigungswerber den Nachbarn zu, die Parteien sind.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 16. April 1985, Slg. N.F. Nr. 11.745/A, unter Bezugnahme auf seine dort angeführte weitere Rechtsprechung dargetan hat, liegt eine Einwendung im Sinne des § 356 Abs. 3 leg. cit. nur dann vor, wenn der Beteiligte (hier: der Nachbar) die Verletzung eines subjektiven Rechtes geltend macht. Dem betreffenden Vorbringen muß jedenfalls entnommen werden können, daß überhaupt die Verletzung eines subjektiven Rechtes behauptet wird und ferner, welcher Art dieses Recht ist.
Im vorliegenden Fall ist entgegen diesen gesetzlichen Erfordernissen dem eingangs in seinem hier entscheidenden Teil wörtlich wiedergegebenen Einwendungsschriftsatz der Beschwerdeführerin eine Bezugnahme auf eigene Rechte nicht zu entnehmen. Denn entgegen dem Beschwerdevorbringen ist daraus nämlich weder ersichtlich, daß der dort erwähnte Holzschuppen sich auf ihrem Grundstück befinde und damit in ihrem Eigentum stehe, noch daß sich die dort artikulierte Sorge um Schulkinder - abgesehen davon, daß der in Rede stehende Schriftsatz nicht erkennbar auch in deren Namen erstattet wurde - auch eigene Kinder umfasse.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher in der Rechtsansicht der belangten Behörde, der in Rede stehende Schriftsatz der Beschwerdeführerin enthalte keine Einwendungen im Sinne des § 356 Abs. 3 GewO 1973, eine Rechtswidrigkeit nicht zu erblicken. Es ist daher auch die von der belangten Behörde daraus gezogene Schlußfolgerung, die Beschwerdeführerin habe im gegenständlichen Verwaltungsverfahren Parteistellung nicht erworben, weshalb ihr auch das Recht zur Berufung nicht zustehe, frei von Rechtsirrtum.
Aus diesem Grund war die Beschwerde, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Schlagworte
Verwaltungsgerichtsbarkeit Bescheidcharakter von Erledigungen nach AVG §68 Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Rechtsverletzung des Beschwerdeführers Beschwerdelegitimation bejahtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993040190.X00Im RIS seit
20.11.2000