TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/26 92/13/0148

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Veröffentlicht am 26.01.1994
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
40/01 Verwaltungsverfahren;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

AVG §58 Abs2 impl;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
BAO §24 Abs1 litd;
BAO §93 Abs3 lita;
EStG 1972 §25 Abs1;
EStG 1972 §47 Abs1;
EStG 1972 §82 Abs1;
FamLAG 1967 §17 Abs2;

Betreff

Der VwGH hat über die Beschwerde der A in E, vertreten durch Dr. J, RA in W, gegen den Bescheid der FLD für Wien, NÖ und Bgld vom 11. Mai 1991 (richtig: 1992), GZ. GA 5 - 1734/5/91, betr "Lohnsteuerprüfung

für den Zeitraum vom 1.1.1986 bis zum 17.6.1987" (richtig: Haftung

für Lohnsteuer sowie Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschlag), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den dem Verwaltungsgerichtshof von der belangten Behörde nur unvollständig vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens - insbesondere fehlen bis auf einzelne Aktenstücke die für die Entscheidung über die Streitfrage wesentlichen Akten der Veranlagungsabteilung des Finanzamtes - ist erkennbar, daß in N. ein Gastgewerbe betrieben wurde, wobei die Beschwerdeführerin gegenüber der Abgabenbehörde sowie der zuständigen Gebietskrankenkasse als Unternehmerin bezeichnet wurde.

In den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten erliegt eine an die Veranlagungsabteilung des Finanzamtes gerichtete, von der Beschwerdeführerin selbst verfaßte Eingabe vom 4. Dezember 1988. Darin wird ausgeführt, die "gesamten geschäftlichen Angelegenheiten" seien von ihrem damaligen Mann, Alfred N., behandelt worden. Soweit sie sich an das "Bestehen der Einzelfirma" unter ihrem Namen erinnern könne, habe es sich dabei um das "nebenbei betriebene Taxigeschäft" gehandelt.

In einem weiteren Anbringen vom 27. Dezember 1988 behauptete die Beschwerdeführerin, Alfred N. mit einer "notariellen Vereinbarung" vom 30. Dezember 1986 "mit der Führung der Geschäfte" beauftragt zu haben.

In einer mit 17. April 1989 datierten "Ergänzung" einer (dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorliegenden) Berufung der Beschwerdeführerin "gegen die Steuerbescheide 1986 und 1987" wurde ausgeführt, der Betrieb der Beschwerdeführerin sei bis 31. Mai 1987 von Alfred N. "geführt" worden. Die Beschwerdeführerin habe ihrem ehemaligen Ehegatten am 30. Dezember 1986 Vollmacht erteilt, alle Geschäfte ordnungsgemäß weiterzuführen.

In den Akten erliegt weiters eine Ablichtung des Protokolls über die beim Bezirksgericht N. am 12. Juni 1987 zu GZ. C 80/87 durchgeführte mündliche Verhandlung betreffend Ehescheidung. Darin gab die Beschwerdeführerin als Partei an, am 3. Juni 1987 habe eine Gesellschafterversammlung der A.N. GmbH stattgefunden. In dieser Versammlung sei sie als Geschäftsführerin eingesetzt worden. Sie sei berechtigt und verpflichtet gewesen, den Geschäftsbetrieb zu überwachen und zu leiten. Alfred N. widersprach diesem Vorbringen und behauptete, die Gastbetriebe seien niemals von der A.N. GmbH betrieben worden. Die Beschwerdeführerin brachte demgegenüber vor, daß die Gastbetriebe zum Unternehmen der A.N. GmbH gehört hätten.

Im Jahre 1989 wurde - in Abwesenheit der in Deutschland wohnhaften Beschwerdeführerin - eine Lohnsteuerprüfung hinsichtlich der Jahre 1986 und 1987 vorgenommen. In einem darüber nachträglich aufgenommenen Aktenvermerk vom 12. März 1990 gab der Prüfer an, er habe bei zwei Wirtschaftstreuhandgesellschaften vergebliche Nachforschungen zur Auffindung von Lohnkonten und Bilanzen angestellt. Die lohnabhängigen Abgaben seien nach Erhebungen bei der zuständigen Gebietskrankenkasse geschätzt worden. In der Zeit vom 1. Jänner 1986 bis 17. Juni 1987 sei "der Betrieb unter dem Namen A.N. (= Beschwerdeführerin) geführt" worden (gemeint nach den Akten der Gebietskrankenkasse).

Gegen den auf Grund der Prüfungsfeststellungen an die Beschwerdeführerin erlassenen Bescheid vom 27. Dezember 1989 über Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschlag wurde Berufung erhoben.

In einem ergänzenden Schriftsatz vom 1. März 1990 wurde vom Vertreter der Beschwerdeführerin vorgebracht, sie habe sich in dem in Rede stehenden Betrieb überhaupt nicht betätigt. Sie habe vielmehr ihrem damaligen Ehemann Vollmacht erteilt und diesem die gesamte Betriebsführung überlassen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin sei als wirtschaftlicher Eigentümer des Betriebes zu betrachten gewesen.

Der angefochtene Bescheid wurde von der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 8. Mai 1991, GZ. GA 5 - 1734/1/91, gemäß § 299 BAO im Aufsichtsweg aufgehoben.

Gerhard H., Angestellter der vormals mit der steuerlichen Vertretung der Beschwerdeführerin beauftragten Wirtschaftstreuhandgesellschaft, gab zufolge einer Niederschrift vom 16. Mai 1991 gegenüber dem Finanzamt an, die Beschwerdeführerin sei die Alleineigentümerin der "Fa. N.A."

(Gastbetriebe J. und C.) bis zur Ehescheidung am 4. September 1987 gewesen. Die gewerberechtliche Genehmigung hätte die Beschwerdeführerin gehabt. "Sämtliche Unterlagen (Buchhaltung, Lohnverrechnung etc)" hätten auf den Namen der Beschwerdeführerin gelautet. Mitte 1987 sei der Wirtschaftstreuhandgesellschaft die Vollmacht entzogen worden. H. habe dem Beschwerdevertreter "sämtliche Unterlagen (Buchhaltung, Lohnverrechnung etc)" ausgehändigt.

Am 11. Oktober 1991 erließ das Finanzamt an die Beschwerdeführerin neuerlich einen Bescheid betreffend Haftung für Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag und Säumniszuschlag.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde wie bereits im vorhergehenden Abgabenverfahren vorgebracht, die Beschwerdeführerin sei nicht "Betriebsinhaberin, wirtschaftlicher Eigentümer des Betriebes sei vielmehr ihr geschiedener Ehemann" gewesen.

Diese Berufung wurde mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Darin wurde die Berechtigung zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen damit begründet, daß es dem Finanzamt trotz Bemühens nicht gelungen sei, Einsichtnahme in Lohnkonten oder sonstige Unterlagen zu erlangen. Auch aus dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin sei nicht "wirtschaftlicher Eigentümer" des Betriebes gewesen, könne nichts gewonnen werden. Wie aus dem Akteninhalt hervorgehe, habe die Beschwerdeführerin in den streitgegenständlichen Kalenderjahren Arbeitnehmer beschäftigt und auch Bezüge ausbezahlt.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 47 Abs. 1 letzter Satz EStG 1972 ist Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes, wer Arbeitslohn im Sinne des § 25 EStG 1972 auszahlt. Ebenso ist gemäß § 17 Abs. 2 FLAG Dienstgeber, wer Bezüge im Sinne des § 25 Abs. 1 EStG 1972 auszahlt. Dabei ist unter Auszahlung nicht bloß die manipulative Tätigkeit zu verstehen; entscheidend ist vielmehr, wer den Lohnaufwand tatsächlich getragen hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Juni 1979, 2573/77, und die dort genannte Vorjudikatur).

Demgegenüber ist entgegen der Meinung der Beschwerdeführerin für die Beantwortung der Frage, wer als Arbeit-(Dienst-)geber anzusehen ist, die Bestimmung des § 24 Abs. 1 lit. d BAO in keiner Weise präjudiziell. Diese Vorschrift regelt die Zurechnung von Wirtschaftsgütern, während für den Beschwerdefall entscheidend ist, welche Person als Arbeitgeber der im Gastwirtschaftsbetrieb in N. beschäftigten Arbeitnehmer TÄTIG geworden ist.

Die Beschwerdeführerin ist jedoch insoferne im Recht, als sie der belangten Behörde die Verletzung von Verfahrensvorschriften zum Vorwurf macht: Die Begründung eines Bescheides muß erkennen lassen, welcher Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangt ist, daß gerade dieser Sachverhalt vorliegt und aus welchen Gründen die Behörde die Subsumtion des Sachverhaltes unter einen bestimmten Tatbestand für zutreffend erachtet (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1994, 92/13/0272). Befinden sich dabei verschiedene Vorbringen zueinander im Widerspruch, so hat die Behörde zu begründen, weshalb sie einer dieser Aussagen den Vorzug gibt (in diesem Sinne siehe das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Dezember 1951, 1140/51, Slg. Nr. 2372/A).

Für den angefochtenen Bescheid tragend ist dabei allein die Feststellung der belangten Behörde, es gehe aus dem Akteninhalt hervor, daß die Beschwerdeführerin Arbeitnehmer beschäftigt habe und auch Bezüge ausbezahlt habe. Gerade diese Feststellungen sind im Inhalt der dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten in keiner Weise gedeckt. So ist überhaupt keine Feststellung darüber getroffen worden, von wem der Lohnaufwand für Arbeitnehmer - die nach den für den Verwaltungsgerichtshof nicht weiter nachvollziehbaren Prüfungsfeststellungen bei der zuständigen Gebietskrankenkasse namens der Beschwerdeführerin angemeldet waren - tatsächlich getragen worden ist. Die im Abgabenverfahren von der Beschwerdeführerin bzw. ihren Vertretern selbst gemachten Aussagen über eine Arbeitgebereigenschaft sind dabei in sich widersprüchlich: Einerseits wurde eine Tätigkeit als Arbeitgeber überhaupt in Abrede gestellt; anderseits ist aber von einer Bevollmächtigung des seinerzeitigen Ehegatten die Rede, ein Umstand, der - was von der Beschwerdeführerin offensichtlich verkannt wird - einen Hinweis auf deren Arbeitgebereigenschaft darstellt. Mit dem Inhalt der - dem Verwaltungsgerichtshof nur in Auszügen vorliegenden - Akten des Bezirksgerichtes N. zu C 80/87 hat sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht auseinandergesetzt, obgleich aus der Aussage der Beschwerdeführerin in diesem Verfahren geschlossen werden könnte, daß Arbeitgeber die A.N. GmbH gewesen ist. Daraus folgt aber, daß die Begründung des angefochtenen Bescheides nicht schlüssig ist und daß überdies der Sachverhalt ergänzungsbedürftig geblieben ist. Damit wurden Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992130148.X00

Im RIS seit

01.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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