TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/26 93/01/0370

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Veröffentlicht am 26.01.1994
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der A in P, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in P, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Dezember 1992, Zl. 4.294.619/2-III/13/90, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 27. April 1990 wurde festgestellt, daß die Beschwerdeführerin - eine rumänische Staatsangehörige ungarischer Nationalität, die am 13. Februar 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist und am darauffolgenden Tag den Asylantrag gestellt hat - nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Dezember 1992 gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die Beschwerdeführerin hat bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 20. Februar 1990 hinsichtlich ihrer Fluchtgründe im wesentlichen angegeben, daß ihr Vater und ihr Bruder im August 1988 legal als Touristen nach Ungarn gereist und nicht mehr nach Rumänien zurückgekehrt seien. Aus diesem Grund sei sie danach mit ihrer Mutter zweimal zur Securitate vorgeladen, "von einem Bezirksmilizmann zu Hause aufgesucht" und diesbezüglich verhört worden. Im Jänner 1989 hätten ihre Mutter und sie beim Paßamt in Oradea Auswanderungsanträge nach Ungarn gestellt, weil ihr Vater in Ungarn gewesen sei, jedenfalls aber auch deshalb, weil sie in Rumänien wegen ihrer ungarischen Abstammung diskriminiert worden sei. Sie habe auf Grund der beschränkten Aufnahmezahlen für Angehörige von Minderheiten nicht studieren dürfen. Ihren Lebensgefährten, mit dem sie seit zwei Jahren zusammen lebe, habe sie nicht heiraten können, weil sie sonst nicht legal hätte ausreisen bzw. auswandern können. Weiters seien ihr Ende 1989 sämtliche Dokumente, wie der Personalausweis und die Geburtsurkunde, vom Paßamt abgenommen worden, weil sie den Auswanderungspaß erhalten habe. Nach der Revolution im Dezember 1989 habe sie auf ihre Auswanderungsabsicht nicht verzichten wollen, weil sich in Rumänien nichts geändert habe. Zum Beispiel seien beim Paßamt noch immer dieselben Leute beschäftigt wie vor der Revolution. Auch was den Nationalitätenkonflikt betreffe, sei alles beim alten geblieben. Sie habe z.B. ihre Muttersprache in der Öffentlichkeit nicht sprechen dürfen. Sie hätte weder in Ungarn noch in der Tschechoslowakei bleiben können, weil sie "ungarischstämmig" und ihr Lebensgefährte "slowakischstämmig" sei; sie werde in der Tschechoslowakei und er in Ungarn nicht akzeptiert. Deshalb hätten sie ein Drittland, nämlich Österreich, ausgesucht, wo sie heiraten und leben wollten. Am 9. Jänner 1990 seien ihre Mutter und sie aus ihrer Wohnung delogiert worden. Damals hätten sie schon "die Auswanderungsreisepässe" gehabt und nach Ungarn auswandern können. Bei der Übergabe der Pässe anfangs Jänner 1990 sei ihnen gesagt worden, daß sie das Land so schnell als möglich verlassen sollten. Nach der Delogierung hätten sie Rumänien so schnell als möglich verlassen. In Rumänien habe sie nicht bleiben können, weil sie den Auswanderungsantrag gestellt und dort keine Bleibe mehr gehabt habe.

Diese (von der belangten Behörde nicht als unglaubwürdig erachteten) Angaben stellten das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz dar, welches die belangte Behörde gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ihrer Entscheidung zugrunde zu legen hatte, lag doch - weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach dem Akteninhalt - einer der Fälle des § 20 Abs. 2 leg. cit. vor, auf Grund dessen eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen gewesen wäre. Geht man aber von diesen Angaben aus, so ist der belangten Behörde darin beizupflichten, daß die Annahme, die Beschwerdeführerin befinde sich aus wohlbegründeter Furcht, aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründe, insbesondere dem der Nationalität, verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes, nicht gerechtfertigt ist.

Die vor Erhalt des Auswanderungspasses liegenden, von der Beschwerdeführerin hinzunehmenden Beeinträchtigungen haben weder jeweils für sich allein noch in ihrer Gesamtheit eine solche Intensität erreicht, daß für die Beschwerdeführerin aus objektiver Sicht ein weiterer Verbleib in ihrem Heimatland unerträglich gewesen wäre. Was die Abnahme "sämtlicher Dokumente" und schließlich die Delogierung der Beschwerdeführerin betrifft, so standen diese Maßnahmen ausschließlich im Zusammenhang mit der Ausstellung des Auswanderungspasses und können daher schon von vornherein nicht als asylrechtlich relevante Verfolgungshandlungen angesehen werden. Der Beschwerdeführerin war die Ausreise aus ihrem Heimatland, wie dies ihre Absicht war, ermöglicht worden, wobei für ihren Standpunkt daraus, daß staatliche Behörden die Beschwerdeführerin nach Aushändigung des für sie notwendigen Reisedokumentes auf ein rasches Verlassen ihres Heimatlandes gedrängt haben, nichts zu gewinnen ist. Der Umstand, daß die Beschwerdeführerin aus dem von ihr genannten Grund nicht in Ungarn (und auch nicht in der damaligen Tschechoslowakei) bleiben konnte, ist nicht den staatlichen Behörden ihres Heimatlandes zuzurechnen. Sogenannte Nachfluchtgründe, also Verfolgungsgründe, die wegen einer zwischenzeitigen Änderung der Verhältnisse in ihrem Heimatland nachträglich eingetreten wären, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Wenn sie ins Treffen führt, daß sie nicht mehr nach Rumänien zurückkehren könne, weil sie "bereits mit einem Auswanderungspaß ausgereist" sei und deshalb dort "mehr Verfolgungen ausgesetzt und umso unerwünschter" wäre und "niemals mehr als rumänischer Staatsbürger akzeptiert werden würde", so ist ihr nicht nur entgegenzuhalten, daß dieses Vorbringen gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt, sondern überdies darauf hinzuweisen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einmal die Gefahr der Bestrafung wegen illegalen Grenzübertrittes geeignet ist, die Flüchtlingseigenschaft zu begründen (vgl. unter anderem das Erkenntnis vom 18. März 1993, Zl. 92/01/0816, mit weiteren Judikaturhinweisen), und die Beschwerdeführerin damit auch sonst nicht hinreichend dargetan hat, daß sie in ihrem Heimatland konkrete, individuell gegen sie gerichtete Verfolgungshandlungen von maßgeblicher Intensität zu erwarten hätte.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010370.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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