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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Mai 1993, Zl. 4.332.883/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:
Die Beschwerdeführerin, Staatsangehörige der "ehemaligen SFRJ", ist am 16. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist. Am 20. Jänner 1992 beantragte sie, ihr Asyl zu gewähren. Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hat mit Bescheid vom 10. März 1992 festgestellt, daß bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A der Genfer Flüchtlingskonvention nicht vorliegen.
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 26. Mai 1993 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin u.a. gestützt auf § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen. Die Beschwerdeführerin sei bereits in Ungarn, woher sie legal eingereist sei, vor Verfolgung sicher gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Da das vorliegende Asylverfahren am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig war, ist gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 dieses Gesetz anzuwenden. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ist ein Asylantrag abzuweisen, wenn ein Flüchtling bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.
Die Behörde vertrat im Bescheid die Auffassung, daß die niederschriftliche Einvernahme ergeben habe, daß die Beschwerdeführerin bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher war. Verfolgungssicherheit sei insbesondere dann anzunehmen, wenn der Asylwerber vor seiner Einreise nach Österreich in einem Drittland keiner Verfolgung ausgesetzt sei und nicht befürchten habe müssen, ohne Prüfung der Fluchtgründe in sein Heimatland bzw. in einen Verfolgerstaat abgeschoben zu werden. Zur Erfüllung dieses Tatbestandes sei ein bewußtes Zusammenwirken zwischen der Person des Asylwerbers und den Behörden des Drittstaates nicht notwendig. Es müßten lediglich die rechtlichen Voraussetzungen für den geforderten Schutz bestehen und tatsächlich die Möglichkeit bestanden haben, diesen Schutz durch oder bei Kontaktnahme mit der Behörde zu aktualisieren.
Die Beschwerdeführerin wendet sich zunächst dagegen, daß die belangte Behörde in keiner Weise erhoben habe, ob die Beschwerdeführerin von Ungarn nicht ohne Prüfung der Fluchtgründe in ihr Heimatland abgeschoben werden würde. Dies sei in keiner Weise erörtert worden. Es sei weiters nicht ermittelt worden, ob die Beschwerdeführerin überhaupt die Möglichkeit gehabt habe, in Ungarn um Asyl anzusuchen. Es ergebe sich nämlich aus dem Beweisverfahren kein Indiz, daß der Bus, mit dem sie durch Ungarn gefahren sei, angehalten worden sei und die Beschwerdeführerin die Möglichkeit gehabt hätte, den Bus zu verlassen.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin ist nicht geeignet, der Annahme der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei bereits in Ungarn vor Verfolgung sicher gewesen, mit Erfolg entgegenzutreten und sie in Frage zu stellen (vgl. dazu insb. das hg. Erkenntnis vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/1118, und das vom 15. November 1993, Zl. 93/01/1177). Die Beschwerdeführerin zeigt vor allem nicht auf, warum an der Annahme, daß sie in Ungarn, das der Genfer Flüchtlingskonvention am 14. März 1989 mit Wirksamkeit für den 12. Juni 1989 (siehe Art. 43 der Genfer Flüchtlingskonvention) und mit der Maßgabe, daß es hinsichtlich seiner Verpflichtungen aus dieser Konvention die Alternative a des Abschnittes B des Art. 1 (betreffend Ereignisse, die in Europa eingetreten sind) anwenden wird, beigetreten ist (vgl. BGBl. Nr. 260/1992), vor Verfolgung sicher war, Zweifel bestehen sollten, sodaß dem Vorwurf, die belangte Behörde hätte Erhebungen darüber pflegen müssen, Berechtigung nicht zukommt.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag in der Argumentation der belangten Behörde keine Rechtswidrigkeit zu erkennen. Verfolgungssicherheit ist nach der bereits zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 ergangenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. die hg. Erkenntnisse vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256, vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0340, vom 9. September 1993, Zl. 93/01/0572, vom 7. Oktober 1993, Zl. 92/01/1118 und vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0357) nämlich anzunehmen, wenn der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte (vgl. RV 270 BlgNR. 18. GP zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991). Dafür, daß diese Voraussetzungen bei der Beschwerdeführerin nicht vorgelegen wären, besteht kein Anhaltspunkt, wobei nicht maßgebend ist, wie lange sie sich in Ungarn aufgehalten hat, war doch - wie die belangte Behörde richtig erkannte - die demnach anzunehmende Verfolgungssicherheit bereits ab dem Zeitpunkt gegeben, in dem sie ihr Heimatland verlassen hatte. Für die Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1993, Zl. 93/01/0256) auch nicht maßgeblich, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von ihnen geduldet oder gebilligt wurde.
Wenn die Beschwerdeführerin rügt, daß nicht erhoben worden sei, ob der Bus angehalten worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß sie damit keinen Grund dartut, der sie gehindert hätte, um das Anhalten des Busses zu ersuchen, um in Ungarn allenfalls länger zu bleiben und bereits dort um Asyl anzusuchen. Daß es ihr selbst aufgrund besonderer Umstände unmöglich oder unzumutbar gewesen wäre, das Anhalten des Busses aufgrund eigener Initiative zu erreichen, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.
Auch die in keiner Weise begründete Behauptung der Beschwerdeführerin, ein mängelfreies Verfahren hätte ergeben, daß in Ungarn keine Möglichkeit bestehe, Asyl zu erhalten bzw. daß sie befürchten hätte müssen, von Ungarn in ihr Heimatland abgeschoben zu werden, kann die Rechtmäßigkeit der Beurteilung des Kriteriums der Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991) nicht in Zweifel ziehen.
Da die belangte Behörde somit das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 zutreffend beurteilt hat und das Vorliegen der Verfolgungssicherheit gemäß dieser Gesetzesstelle allein genügt, um einen Asylantrag abzuweisen, erübrigte es sich auf die weiteren Einwendungen der Beschwerdeführerin zur Frage, ob die belangte Behörde den Flüchtlingsbegriff im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz richtig ausgelegt hat, einzugehen.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993011083.X00Im RIS seit
20.11.2000