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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1993 §18 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 17. September 1993, Zl. FrB-4250/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 17. September 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 21 Abs. 1 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.
In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 6. Juli 1992, abgeändert durch Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 26. November 1992, wegen des Verbrechens nach § 12 dritter Fall StGB, § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz in der Entwicklungsstufe des Versuches nach § 15 StGB gemäß § 12 Abs. 3 Suchtgiftgesetz unter Bedachtnahme auf § 50 Abs. 4 Jugendgerichtsgesetz zu einem Jahr Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, verurteilt worden sei. Die Mitwirkung des Beschwerdeführers an dem Delikt - Versuch, Suchtgift in einer großen Menge, nämlich 1,5 kg Heroin, durch Verkauf in Verkehr zu setzen - durch Dolmetscherdienste bei der Übergabe des Suchtgiftes und durch Transportieren des Suchtgiftes auf dem Fahrrad sei bewußt und gewollt sowie freiwillig erfolgt. Es sei zwar richtig, daß der Beschwerdeführer lediglich in "untergeordneter Position" sowie unter dem bestimmenden Einfluß seines Onkels tätig gewesen sei. Dennoch stelle der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar. Darüber hinaus sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer aufgrund seiner freiwilligen Mitwirkung an einem derart gravierenden Suchtgiftdelikt dringend geboten. Im Rahmen der Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer seit 1985 in Österreich wohnhaft sei, er bei seinem Vater, seiner Stiefmutter sowie den fünf Geschwistern lebe und er einer Arbeit nachgehe. Es sei somit davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer in Österreich integriert sei und intensive Beziehungen zu den im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen bestünden. Ungeachtet dessen wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keineswegs schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Die mit der Suchtgiftkriminalität verbundene immense Gefahr für die Volksgesundheit falle bei dieser Abwägung besonders ins Gewicht. Angesichts der großen Suchtgiftmenge, deren Inverkehrsetzen beabsichtigt gewesen sei, falle die Interessenabwägung trotz der untergeordneten Beteiligung des Beschwerdeführers zu seinen Ungunsten aus.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser trat die Beschwerde nach Ablehnung von deren Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluß vom 10. Dezember 1993, B 1872/93).
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren behauptet der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und begehrt aus diesen Gründen dessen Aufhebung.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. In der Beschwerde bleibt zum einen der behördlich festgestellte maßgebliche Sachverhalt der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Suchtgiftdeliktes mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren, unbestritten, zum anderen die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG unbekämpft. Der Gerichtshof hegt weder gegen die Sachverhaltsfeststellung noch gegen die darauf gründende rechtliche Beurteilung Bedenken. Gleiches gilt für die Rechtsansicht der belangten Behörde, es sei vorliegend auch die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt.
1.2. Obgleich es zutrifft, daß nicht jedem durch eine bestimmte Tatsache i.S. des § 18 Abs. 1 FrG begründeten öffentlichen Interesse an der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes das gleiche Gewicht zukommt, so kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Art und den hohen Unwertgehalt der begangenen Tat die Auffassung vertrat, der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in einer aus dem Gesichtswinkel des § 18 Abs. 1 leg. cit. relevanten Weise. Denn im Beschwerdefall handelt es sich in Anbetracht des besonders hohen negativen Stellenwertes der Suchtgiftkriminalität insbesondere auf Grund des ihr innewohnenden erheblichen Gefährdungspotentials für die Gesundheit der Bevölkerung um eine "bestimmte Tatsache", deren Eignung, die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes wegen Gefährdung nicht nur der öffentlichen Ordnung und Sicherheit (§ 18 Abs. 1 Z. 1 FrG), sondern auch der Gesundheit anderer sowie zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen (Art. 8 Abs. 2 MRK) zu rechtfertigen, offen zutage liegt.
Angesichts dessen bedurfte es - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keiner weiteren Ermittlungen (so der Einvernahme von Zeugen und der Einholung eines medizinischen Fachgutachtens) zum Beweis dafür, daß der Beschwerdeführer in gesicherten sozialen Verhältnissen lebe und seine Eltern sowie sein Arbeitgeber darum bemüht seien, in Zukunft schädliche Einflüsse vom Beschwerdeführer fernzuhalten, sowie dafür, daß er von seinem Onkel zur Tat angestiftet worden sei und im übrigen "kein grundsätzlich kriminelles Antriebspotential" aufweise. Der insoweit behauptete Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor.
2.1. Gleichfalls unzutreffend ist die Rüge, daß die "Kriterien der §§ 19 und 20 des Fremdengesetzes überhaupt nicht berücksichtigt wurden". Vielmehr hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nach vorausgegangener Zitierung des § 19 und des § 20 Abs. 1 FrG und ohne Zweifel unter Bezugnahme auf diese Bestimmungen dargetan, daß und weshalb die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei (§ 19 FrG) und die Interessenabwägung zuungunsten des Beschwerdeführers ausfalle (§ 20 leg. cit.). Der Gerichtshof hält diese Ergebnisse für rechtlich unbedenklich. Dies aus folgenden Gründen:
2.2. Die oben II.1.2. zur Rechtfertigung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 18 Abs. 1 FrG angestellten Überlegungen kommen auch bei der Beurteilung der Zulässigkeit dieser Maßnahme nach § 19 FrG zum Tragen. Die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität läßt die Verhängung des Aufenthaltsverbotes vor allem zum Schutz der Gesundheit anderer und zur Hintanhaltung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten erscheinen. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer, wie im bekämpften Bescheid ausgeführt, "lediglich in untergeordneter Position sowie unter dem bestimmenden Einfluß seines Onkels tätig war", steht dieser Beurteilung schon im Hinblick auf die große Suchtgiftmenge nicht entgegen.
2.3. Was schließlich die nach § 20 Abs. 1 FrG gebotene Interessenabwägung anlangt, so hat die belangte Behörde insoweit auf eine Reihe von dem privaten und familiären Bereich zuzurechnenden Umständen - weitere Aspekte, die in dieser Hinsicht zu berücksichtigen gewesen wären, zeigt die Beschwerde nicht auf - Bedacht genommen (vgl. oben I.1.) und sie den gegenläufigen maßgeblichen öffentlichen Interessen gegenübergestellt. Daß die belangte Behörde ungeachtet des Vorhandenseins beachtlicher privater und familiärer, für den Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechender Gründe dennoch zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers (und seiner Familie) nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung, ist unter Zugrundelegung des oben II.1.2. Ausgeführten nicht zu beanstanden. Dazu, daß auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden bei Suchtgiftdelikten aufgrund deren besonderer Gefährlichkeit das maßgebliche öffentliche Interesse i.S. des § 20 Abs. 1 FrG unverhältnismäßig schwerer wiegt als das gegenläufige private Interesse des Fremden, wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0393, mwN).
3. Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1994180002.X00Im RIS seit
20.11.2000