TE Vwgh Beschluss 1994/1/27 93/01/0754

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/01/0755

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Stöberl und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Anträge der S in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens (protokolliert zu 93/01/0754) sowie auf Wiederaufnahme des mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/1072, abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (protokolliert zu 93/01/0755), den Beschluß gefaßt:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wird zurückgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist Asylwerberin. Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. Juli 1992, Zl. 4.320.408/2-III/13/91, wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/1072, wurde die dagegen erhobene Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen. Mit hg. Beschluß vom 17. Juni 1993, Zl. 93/01/0304, wurde der daraufhin von der Beschwerdeführerin am 8. April 1993 erhobene Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattgegeben und die neuerlich eingebrachte Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückgewiesen. Auf die Begründung dieses Beschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Mit der vorliegenden Eingabe vom 15. August 1993 beantragt die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens (gemäß § 45 Abs. 2 VwGG) unter gleichzeitiger Antragstellung der Wiederaufnahme des mit hg. Beschluß vom 20. Jänner 1993 zur Zl. 92/01/1072 abgeschlossenen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit dem Vorbringen, der seinerzeitige Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Beschwerdefrist vom 8. April 1993 habe seine rechtliche Begründung nicht darin gehabt, daß die Beschwerde entgegen dem Poststempel tatsächlich am Vortag (nämlich am 10. Dezember 1992) und damit fristgerecht zur Post gegeben worden sei, sondern darin, daß der der Beschwerdeführerin als Verfahrenshelfer beigestellte Rechtsvertreter bei der Abfertigung der Beschwerde im Rahmen seiner Kanzleiorganisation seinen Überwachungspflichten nachgekommen sei. Ob die Beschwerde tatsächlich am 10. Februar 1992 (richtig wohl: 10. Dezember 1992) oder am 11. Dezember 1992 beim Postamt aufgegeben worden sei, entziehe sich sowohl ihrer Kenntnis als auch dem Wissen ihres Vertreters. Dieser habe es als seine Aufgabe erachtet, im Wiedereinsetzungsantrag vom 8. April 1993 nicht nur die generelle Praxis der Fristvormerkung und Postabfertigung seiner Kanzlei eingehend darzustellen, sondern auch die Umstände der Abfertigung der konkreten Beschwerde genau zu rekonstruieren. Das Vorbringen des Wiedereinsetzungsantrages stütze sich sohin darauf, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin seinen Überwachungspflichten nachgekommen sei, nicht jedoch auf eine konkrete Behauptung, die Beschwerde sei tatsächlich noch am 10. Dezember 1992 zur Post gegeben worden. Neben einem für ihren Rechtsvertreter unvorhersehbaren, jedoch möglichen Fehlverhalten seiner Kanzleileiterin werde im Wiedereinsetzungsantrag lediglich bemerkt, daß auch ein Irrtum des Postamtes bei der Einstellung des Datums des Poststempels vorliegen könne. Hierbei handle es sich jedoch um eine bloße Vermutung, zumal ein positives Wissen über einen solchen Umstand nicht vorliegen hätte können. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin habe daher den Rechtsbehelf des Wiedereinsetzungsantrages als geeignetes Mittel zur Sanierung der vom Verwaltungsgerichtshof angenommenen Fristversäumnis erachtet, da eine Wiederaufnahme unter anderem mangelndes Verschulden der Partei oder ihres Vertreters voraussetze, dieses jedoch im Ausmaß eines minderen Grades des Versehens nicht ausgeschlossen hätte werden können. Es sei bei Stellung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand am 8. April 1993 nicht vorhersehbar gewesen, ob der Verwaltungsgerichtshof aufgrund seines Vorbringens und der vorgelegten Bescheinigungsmittel oder allenfalls nach Durchführung eines Bescheinigungsverfahrens zum Ergebnis gelange, daß die Beschwerde noch am letzten Tag der Frist oder am darauffolgenden Tag beim Postamt abgegeben worden sei. Es sei auch weiters nicht vorhersehbar gewesen, ob der Verwaltungsgerichtshof unter der Annahme der Richtigkeit des Poststempels ein - wenn auch mindergradiges - Verschulden ihres Vertreters bejahe oder verneine. Weiters ergebe sich, daß die Beschwerdeführerin zum damaligen Zeitpunkt aufgrund ihres Wissensstandes nicht mit hinreichender Sicherheit die Behauptung hätte aufstellen können, daß Tatbestandsmerkmal der irrigen Versäumung einer Frist im Sinne des § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG liege vor. Da sie erst durch die am 28. Juli 1993 erfolgte Zustellung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Juni 1993 erfahren habe, daß die Voraussetzung für eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 deswegen vorgelegen hätten, weil eine Versäumung gar nicht vorliege, sei diese vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Sachverhaltsgrundlage für sie nicht vorhersehbar gewesen, weshalb die Frist zur Einbringung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewahrt sei.

Dem ist folgendes zu entgegnen:

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist der Partei, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Beschwerdeführerin bestreitet in diesem Zusammenhang die von ihr in ihrem Wiedereinsetzungsantrag vom 8. April 1993 verwendete Begründung und meint, diese habe sich in den Ausführungen zur Frage eines Organisationsverschuldens ihres Rechtsvertreters erschöpft. Dies ist unrichtig. In ihrem Antrag auf Wiedereinsetzung vom 8. Arpil 1993 wurde vielmehr die dezidierte Behauptung aufgestellt, die Kanzleileiterin des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin habe die in der Sache erhobene Beschwerde am 10. Dezember 1992 gegen 17.45 Uhr - und damit rechtzeitig - zur Post gegeben. In ihrem Antrag führte sie weiters aus:

"Rechtsanwalt Dr. D ging aufgrund der von ihm ausgesprochenen Anweisung sowie seiner Wahrnehmung, daß Frau V sich gegen 17.45 Uhr mit den abgefertigten Poststücken auf dem Weg zum Postamt machte und von dort gegen 18 Uhr zurückkehrte und daraufhin die Aufgabescheine den Akten zuordnete und die Eintragungen im Postausgangsbuch vornahm, davon aus, daß der gegenständliche Beschwerdeschriftsatz tatsächlich an diesem Tag, nämlich am 10. Dezember 1992, von ihr postamtlich aufgegeben wurde. ....

Ein Grund dafür, daß sowohl das Kuvert des Schriftsatzes als auch der Aufgabenachweis mit dem Datum 11. Dezember 1992 versehen wurde, liegt darin, daß es in Betracht kommt, daß der Postbedienstete vor Dienstschluß bereits den Datumsstempel auf den nächsten Tag umgestellt hat.

Für eine solche Erklärung spricht auch die Tatsache, daß in der Kanzlei Dris. D auch am darauffolgenden Tag, dem 11. Dezember 1992, Poststücke abgefertigt und eingeschrieben beim Postamt 1220 Wien aufgegeben worden sind. Wie aus dem angeschlossenen Aufgabeschein eines solchen Schriftstückes hervorgeht, trägt dieser die Aufgabenummer 454b. Der Postaufgabeschein der Beschwerde trägt jedoch die Nummer 397b."

Da Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Vorliegen einer Fristversäumnis ist, ist daher zunächst zu prüfen, ob diese Voraussetzung überhaupt vorliegt. Ein allfälliges "Organisationsverschulden" des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin hätte ja nur dann rechtlich relevante Konsequenzen, wenn es überhaupt zu einer Fristversäumnis gekommen ist. Liegt eine solche hingegen nicht vor, ist ein allfälliges Verschulden des Wiedereinsetzungswerbers bzw. dessen Rechtsvertreters in welcher Form auch immer nicht mehr entscheidungsrelevant.

Stellt sich nun die Beschwerdeführerin auf den Standpunkt, sie habe von der Rechtzeitigkeit ihrer zu hg. Zahl 92/01/1072 erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gar nicht positiv gewußt, sondern lediglich Vermutungen angestellt, so hätte sie in weiterer Konsequenz Klarheit zu schaffen (soweit es in ihrer Ingerenz lag) und nur dann, wenn Klarheit nicht zu erreichen gewesen wäre, die alternativen Rechtsbehelfe auszuschöpfen gehabt.

Die vom Verwaltungsgerichtshof herangezogene Begründung für die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung vom 8. April 1993 steht im Einklang mit der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Bschlüsse vom 9. September 1976, Zl. 14/10/76, vom 23. April 1985, Zl. 85/14/0044, vom 20. Jänner 1986, Zl. 86/10/0002, vom 20. September 1985, Zl. 85/06/0112 u.v.a.), stellt daher kein "unvorhergesehenes" Ereignis im Sinn des § 46 Abs. 1 VwGG dar.

Aus diesem Grunde war dem Antrag auf Wiedereinsetzung gemäß § 46 Abs. 1 VwGG nicht stattzugeben. Gleichzeitig war jedoch auch der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 45 Abs. 2 VwGG zurückzuweisen, weil nach dieser Bestimmung der Antrag auf Wiederaufnahme beim Verwaltungsgerichtshof binnen einer Frist von zwei Wochen von dem Tag, an dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch binnen drei Jahre nach Zustellung des Erkenntnisses oder des Beschlusses zu stellen ist, der hier in Frage kommende Wiederaufnahmsgrund nach § 45 Abs. 1 Z. 2 VwGG jedoch spätestens zum Zeitpunkt der Einbringung seines Antrags auf Wiedereinsetzung vom 8. April 1993 bekannt war.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993010754.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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