TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 93/01/1154

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1 Z2;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs1;
AsylG 1991 §20 Abs2;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnF;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des I, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Juni 1993, Zl. 4.329.833/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, der am 22. August 1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 29. Jänner 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 23. Juni 1993 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 17. Jänner 1992 angegeben, er sei römisch-katholisch und habe in Nigeria der "NRP" (Nigeria Republik Party) angehört. Er sei beschuldigt worden, am 20. Juli 1919 (richtig wohl: 1991) den Vorsitzenden der SDP ermordet zu haben, obwohl er nichts damit zu tun gehabt habe, und habe sich deshalb versteckt gehalten. Am 27. Juli 1991 sei auch der Vorsitzende der NRP ermordet worden, wofür nach Ansicht des Beschwerdeführers der politische Gegner verantwortlich gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe sich bis zum 29. Juli 1991 in seiner Wohnung aufgehalten, als er plötzlich Schüsse gehört und deshalb angenommen habe, politisch anders Denkende hätten die Absicht, die Wohnung zu stürmen. Man sei auch tatsächlich in das Haus eingedrungen, dem Beschwerdeführer sei es aber gelungen zu entkommen. Er sei daraufhin in einen anderen Distrikt gezogen und dann durch Vermittlung eines Freundes nach Lagos gekommen. Dort habe er von Freunden erfahren, daß sein Leben in Gefahr sei. In Punkt 7 der Niederschrift habe der Beschwerdeführer ausgeführt, nicht vorbestraft zu sein, in seinem Heimatland keine strafbare Handlung begangen zu haben und dort nicht gesucht zu werden.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer ausgeführt, als Mitglied der NRP in Nigeria große Schwierigkeiten gehabt zu haben, im übrigen habe er die bei der niederschriftlichen Befragung erstatteten Angaben bekräftigt und betont, er habe mit der Ermordung des Vorsitzenden der SDP nichts zu tun gehabt.

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer entgegengehalten, er habe im gesamten Verwaltungsverfahren nicht dargetan, aus einem der im Asylgesetz 1991 genannten Gründe, insbesondere wegen seiner politischen Gesinnung, Ziel von Verfolgungshandlungen gewesen zu sein und aus diesen Gründen im Fall seiner Rückkehr mit Verfolgungmaßnahmen rechnen zu müssen. Dieser Wertung des Vorbringens des Beschwerdeführers kann nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. So hat die belangte Behörde schlüssig aufgezeigt, daß es sich bei der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Beschuldigung, den SDP-Vorsitzenden ermordet zu haben, lediglich um den Verdacht der Begehung einer strafbaren Handlung gehandelt habe. Selbst ein - vom Beschwerdeführer gar nicht behauptetes - Einschreiten staatlicher Behörden wäre demnach nicht als Verfolgung anzusehen, weil es sich hiebei um Schritte zur Aufklärung eines allgemein strafbaren Deliktes gehandelt hätte. Daß die gegen ihn erhobene Beschuldigung aber etwa lediglich als Vorwand genommen worden wäre, um des Beschwerdeführers z. B. aus politischen Interessen habhaft zu werden, oder daß er aus sonstigen in § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) angeführten Gründen Verfolgung zu befürchten gehabt hätte, hat er nach der unwidersprochen gebliebenen Wiedergabe seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren im angefochtenen Bescheid ebensowenig behauptet wie, daß er auf Grund des Vorliegens solcher Gründe mit einem unfairen Verfahren oder mit einer strengeren Bestrafung hätte rechnen müssen. Allein der Umstand, daß auf Grund eines bestimmten Sachverhaltes ein bestimmter Personenkreis in behördliche Ermittlungen einbezogen wird bzw. werden könnte, kann aber nicht bewirken, daß ein diesem Personenkreis angehörender Verdächtiger begründete Furcht vor Verfolgung aus den in der angeführten Gesetzesstelle aufgezählten Gründen mit Aussicht auf Erfolg geltend machen kann. Vielmehr wäre es beim Beschwerdeführer gelegen gewesen, sich dem gegen ihn angeblich erhobenen Vorwurf kriminellen Handelns zu stellen und diesen zu entkräften.

Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde gelten macht, die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen bzw. Verdächtigungen seien aus politischen Gründen initiiert worden, ist ihm - abgesehen davon, daß er mit diesem Vorbringen dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterliegt - entgegenzuhalten, daß angesichts der von ihm geltend gemachten Furcht, von anders Denkenden getötet zu werden, selbst für den Fall des Zutreffens dieser Behauptung daraus nicht geschlossen werden könnte, die von ihm befürchteten Verfolgungshandlungen wären staatlichen Stellen zuzurechnen.

Wenn der Beschwerdeführer in Ausführung der Verfahrensrüge nunmehr vorbringt, die belangte Behörde habe es unterlassen, seine Angaben, er sei in seinem Heimatland nicht vorbestraft und werde dort auch nicht gesucht, zu überprüfen, gelingt es ihm damit nicht, einen offenkundigen Verfahrensmangel darzutun, der gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Verpflichtung der belangten Behörde nach sich gezogen hätte, eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens anzuordnen.

Soweit der Beschwerdeführer des weiteren der belangten Behörde vorwirft, sie wäre - insbesondere, was die allgemeinen Verhältnisse in seinem Heimatland anbelangt - der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, daß der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall über die bereits oben behandelten Angaben hinausgehende, hinreichend deutliche Hinweise auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention im Vorbringen des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz nicht enthalten waren und aus den in einem Land allgemein herrschenden Verhältnissen eine konkrete, individuell gegen einen Asylwerber gerichtete Verfolgung nicht abgeleitet werden kann, war die belangte Behörde, da ein offenkundiger Mangel des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz nicht hervorgekommen und vom Beschwerdeführer in seiner Berufung auch nicht geltend gemacht wurde, auch in Hisicht dieser Rüge nicht verpflichtet, gemäß § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die Ergänzung oder Wiederholung dieses Verfahrens anzuordnen.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die vom Beschwerdeführer behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993011154.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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