TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 93/18/0560

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
EheG §27;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
FrG 1993 §11 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z6;
FrG 1993 §86 Abs1;
FrG 1993;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
PaßG 1969;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, in der Beschwerdesache des H in B, vertreten durch Dr. Z, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 23. Juni 1993, Zl. Fr 847/93, betreffend Versagung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. Juni 1993 wies die (gemäß § 73 Abs. 2 AVG zuständig gewordene) Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 17. August 1992 auf Erteilung eines Sichtvermerkes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz (FrG) ab.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei auf Grund eines Sichtvermerkes vom 3. Februar 1992, der bis 3. März 1992 gültig gewesen sei und den Zusatz "Besucher" getragen habe, nach Österreich eingereist. Der Sichtvermerkserteilung sei eine Verpflichtungserklärung eines österreichischen Staatsangehörigen zugrunde gelegen. Am 17. Februar 1992 habe sich der Beschwerdeführer in Baden polizeilich angemeldet. Nach Ablauf des Sichtvermerkes sei er nicht in die Türkei zurückgekehrt. Am 29. Juni 1992 habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, in der Folge einen Befreiungsschein erhalten und eine Beschäftigung aufgenommen. Der Beschwerdeführer habe bei der Antragstellung vor der österreichischen Vertretungsbehörde in Ankara bewußt unrichtige Angaben über Zweck und Dauer seines Aufenthaltes gemacht. Die Ehe sei ausschließlich zu dem Zweck geschlossen worden, um dem Beschwerdeführer zu einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu verhelfen. Die Ehegattin des Beschwerdeführers habe dafür von ihm S 35.000,-- erhalten. Dies stelle einen evidenten Rechtsmißbrauch dar und rechtfertige die Annahme, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde.

Mit Beschluß vom 27. September 1993, B 1249/93-5, hat der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 7 Abs. 1 FrG kann ein Sichtvermerk einem Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern ein gültiges Reisedokument vorliegt und kein Versagungsgrund gemäß § 10 gegeben ist.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.

Gemäß § 10 Abs. 3 FrG kann die Behörde einem Fremden trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes gemäß Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 einen Sichtvermerk erteilen,

1. in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen oder

2. wenn auf Grund der Verpflichtungserklärung einer Person mit ordentlichem Wohnsitz oder Sitz im Bundesgebiet die Tragung aller Kosten, die öffentlichen Rechtsträgern durch den Aufenthalt des Fremden entstehen könnten, gesichert erscheint.

2.1. Der Beschwerdeführer verweist auf die Möglichkeit, gemäß § 10 Abs. 3 FrG trotz Vorliegens eines Sichtvermerksversagungsgrundes einen Sichtvermerk zu erteilen. Er erkennt, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung nicht auf einen der Versagungsgründe gemäß § 10 Abs. 1 Z. 2 oder 3 oder gemäß Abs. 2 gestützt hat, hält aber die im Abs. 3 enthaltene Beschränkung auf bestimmte Versagungsgründe für sachlich nicht gerechtfertigt.

Soweit der Beschwerdeführer damit die Verfassungswidrigkeit dieser Gesetzesstelle wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz behauptet, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof zu einer Antragstellung im Sinne des Art. 140 Abs. 1 B-VG nicht veranlaßt. Im übrigen war diese Behauptung bereits in der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde enthalten und hat dieser keinen Grund für die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gefunden. Weitere Argumente wurden diesbezüglich im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgebracht.

2.2. Welche Bedeutung in diesem Zusammenhang der Behauptung des Beschwerdeführers zukommt, daß "auf jeden Fall jedoch die Voraussetzung des § 10 Abs. 2 FrG vorliegt, da die Familie des Beschwerdeführers mit diesem im gemeinsamen Haushalt sich befindet", ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.

3.1. Mit der Behauptung, er wohne mit "seiner Familie" im gemeinsamen Haushalt, setzt sich der Beschwerdeführer in Gegensatz zur Bescheidbegründung, wonach er die Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin rechtsmißbräuchlich nur zu dem Zweck der Erlangung einer Aufenthaltsberechtigung und eines Befreiungsscheines geschlossen habe, ohne jedoch konkret darzutun, weshalb die zugrundeliegenden Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde, die sich auf die Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers gestützt hat, unrichtig sein sollen. Im übrigen widerspricht die Beschwerdebehauptung dem Inhalt der vom Verfassungsgerichtshof dem Verwaltungsgerichtshof übermittelten Verwaltungsakten, insbesondere den Angaben der Ehefrau des Beschwerdeführers bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung vom 22. Oktober 1992, nach deren Inhalt sie mit dem Beschwerdeführer nie einen gemeinsamen Haushalt geführt habe und die Ehe auch nicht vollzogen worden sei.

3.2. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfahrensrüge behauptet, er sei durch die Bescheidbegründung überrascht worden, die belangte Behörde hätte ihm vor Bescheiderlassung die Möglichkeit einräumen müssen, zum Ermittlungsergebnis Stellung zu nehmen, vermag er damit keinen relevanten Verfahrensmangel darzutun, weil seine Ausführungen nicht erkennen lassen, aus welchen Gründen die Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde unrichtig sein sollen, welche Tatsachen er im Falle des Parteiengehörs vorgebracht und welche Beweise er beantragt hätte und inwiefern die belangte Behörde dadurch zu einem für ihn günstigeren Ergebnis hätte gelangen können.

4.1. Die belangte Behörde hat die Eheschließung des Beschwerdeführers ausschließlich zu dem Zweck, sich die Aufenthaltsberechtigung und einen Befreiungsschein zu verschaffen, als Rechtsmißbrauch gewertet und daraus zutreffend geschlossen, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung gefährdet (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 17. Juni 1993, Zl. 93/18/0266, und vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0433). Die belangte Behörde hat daher mit Recht das Vorliegen eines Versagungsgrundes nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG angenommen. Auch die gebotene Bedachtnahme auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers führt zu keiner anderen Beurteilung, weil im Hinblick auf die festgestellten Umstände der Eheschließung ein Familienleben, das durch die Versagung des Sichtvermerkes tangiert werden könnte, nicht geführt wird. Die Berechtigung, in Österreich einer Beschäftigung nachzugehen, hat sich der Beschwerdeführer, der sich seit 4. März 1992 unerlaubt im Bundesgebiet aufhält, durch die rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe erschlichen.

4.2. Nur der Vollständigkeit halber sei bemerkt, daß auch die bewußt wahrheitswidrigen Angaben des Beschwerdeführers vor der österreichischen Botschaft in Ankara betreffend den Zweck und die Dauer seines Aufenthaltes in Österreich die Sichtvermerksversagung im Grunde des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gerechtfertigt hätte. Auch dabei handelt es sich um ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das gemäß § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz eine bestimmte Tatsache darstellte bzw. seit Inkrafttreten des FrG mit 1. Jänner 1993 gemäß dessen § 18 Abs. 2 Z. 6 eine bestimmte Tatsache darstellt, auf welche die ein Aufenthaltsverbot rechtfertigende Annahme im Sinne des § 3 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz bzw. § 18 Abs. 1 FrG hätte gestützt werden können (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 8. Juli 1993, Zl. 93/18/0137).

4.3. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, das FrG sei auf ihn nicht anwendbar, weil er den an die Bezirkshauptmannschaft Baden gerichteten Antrag am 17. August 1992 eingebracht und sich bereits vor dem Wirksamwerden des FrG im Bundesgebiet aufgehalten habe.

Diese Auffassung ist verfehlt. Mangels anders lautender Übergangsvorschriften hatte die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Bestimmungen des FrG anzuwenden (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0096, und vom 27. Mai 1993, Zl. 93/18/0127).

5. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren - somit auch ohne Durchführung der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung - in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1993180560.X00

Im RIS seit

06.08.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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