Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG-Nov 1988 BGBl 685 ArtIX Abs2Leitsatz
Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme im verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren infolge Deckung der bekämpften Verwaltungsakte durch einen bescheidmäßig verfügten HausdurchsuchungsbefehlSpruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
1.1.1.1. Unter Berufung auf §93 Abs1 FinStrG erließ das Finanzamt Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz am 6. August 1990 zur Z78/90-wa einen schriftlichen (Hausdurchsuchungs-)Befehl gegen H S zur Vornahme einer Hausdurchsuchung in dessen "Wohnung und sonstigen zum Hauswesen gehörigen Räumlichkeiten sowie in den Wirtschafts-, Gewerbe- oder Betriebsräumen" ua. in 4050 Traun, Untere Dorfstraße 30.
1.1.1.2. Die Begründung dieses Befehls lautete wörtlich wie folgt:
"H S hat in den vergangenen Jahren Buchhaltungsarbeiten und Abschlüsse für mehrere Personen und mehrere Firmen durchgeführt, ohne die erzielten Einnahmen steuerlich einzubekennen. Die Hausdurchsuchung in den Räumen des H S erscheint deshalb gerechtfertigt, weil durch eine Zeugenaussage dem Finanzamt bekannt geworden ist, daß er von jenen Firmen, die er steuerlich betreut, Geschäftsunterlagen aufbewahrt. Weiters besteht der begründete Verdacht, daß sich dort Aufzeichnungen über erzielte Einnahmen, Banküberweisungen, Sparbücher befinden, die im Finanzstrafverfahren als Beweismittel in Betracht kommen."
1.1.2. Die solcherart angeordnete Hausdurchsuchung wurde von finanzbehördlichen Organen am 9. August 1990 an Ort und Stelle, und zwar in Abwesenheit des Betroffenen, unter Beiziehung von Sicherheitswachebeamten (§94 Abs4 FinStrG) durchgeführt.
Dabei wurden mehrere Aktenordner, Kontoblätter und Belege beschlagnahmt und in amtliche Verwahrung genommen.
1.2.1. In gemeinsam ausgeführten Beschwerden an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 (Abs1) B-VG begehrten H S und seine Mutter M S die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch die dem Finanzamt Linz als belangter Behörde zuzurechnenden "faktischen Amtshandlungen" vom 9. August 1990 (Hausdurchsuchung, Beschlagnahme von Gegenständen), demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden seien, so im Hausrecht (Art9 StGG), im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Wohnung und des Briefverkehrs (Art8 EMRK) und im Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG), H S überdies im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG); hilfsweise wurde die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.
1.2.2. Das Finanzamt Linz als belangte Behörde erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift und trat darin dafür ein, die Beschwerde des H S als unzulässig zurückzuweisen, die der M S jedoch als unbegründet abzuweisen.
1.2.3. Das Verfahren über die Beschwerde der M S wird - zu B901/91 - abgesondert geführt.
2. Über die Beschwerde des H S wurde erwogen:
2.1.1. Vorausgeschickt wird, daß dieses beim Verfassungsgerichtshof am 1. Jänner 1991 bereits anhängig gewesene Verfahren (über eine Beschwerde gegen Akte unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) kraft der Übergangsbestimmung des ArtIX Abs2 (iVm ArtX Abs1 Z1) des Bundesverfassungsgesetzes vom 29. November 1988 (Bundes-Verfassungsgesetz-Novelle 1988), BGBl. 685/1988, nach der "bisherigen" Rechtslage, d.h. nach der Rechtslage bis zum 31. Dezember 1990, zu behandeln ist.
2.1.2. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF vor der B-VG-Novelle 1988 erkennt der Verfassungsgerichtshof über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Novelle 1975, BGBl. 302, nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies für Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmen in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren zutrifft, die nicht auf Grund eines - sie anordnenden - verwaltungsbehördlichen Bescheids stattfanden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist ein schriftlicher Hausdurchsuchungsbefehl nach §93 Abs1 FinStrG - weil die Rechtslage des Betroffenen der Finanzbehörde gegenüber bindend gestaltend - als solcher Bescheid anzusehen (s. VfSlg. 9346/1982, 9917/1984; VfGH 25.2.1983 B439/82).
2.2.1. Für die vorliegende Rechtssache folgt daraus, daß die bekämpften Verwaltungsakte vom 9. August 1990 nur dann einer selbständigen Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof unterlägen, wenn sie nicht durch einen bescheidmäßig verfügten Hausdurchsuchungsbefehl gedeckt gewesen wären.
2.2.2. Diese Anfechtungsvoraussetzung trifft aber hier nicht zu:
Daß die bekämpfte Durchsuchung - in Beziehung auf den Beschwerdeführer H S - über die Durchsuchungsanordnung des (bescheidmäßigen) Hausdurchsuchungsbefehls vom 6. August 1990 - dessen Gesetzmäßigkeit in diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ebensowenig nachzuprüfen ist wie die Rechtmäßigkeit der begleitenden Vollzugsschritte im einzelnen, so beispielsweise etwa der dem bisherigen Inhaber gemäß §91 Abs1 FinStrG auszustellenden Bestätigung oder der Einhaltung der in §94 Abs1 leg.cit. normierten Anordnungen - exzessiv hinausgegangen sei (s. VfSlg. 9346/1982), kam im Verfahren, insbesondere auch aus den (Finanzstraf-)Akten, nicht hervor. Der Beschwerdeführer selbst bestreitet zwar die Richtigkeit der dem Hausdurchsuchungsbefehl beigefügten schriftlichen Begründung, läßt dabei aber außer acht, daß dieser Befehl jedenfalls auf Beschlagnahme nicht nur der Geschäftsunterlagen der von ihm steuerlich betreuten Firmen, sondern auch sämtlicher Aufzeichnungen über erzielte Einnahmen, Banküberweisungen und Sparbücher (des Verdächtigen) gerichtet war:
Eine darüber hinausgreifende Beschlagnahme fand - ganz offenkundig - nicht statt.
2.2.3. Demgemäß erweist sich, daß das in Beschwerde gezogene Verwaltungshandeln vom 9. August 1990, das seine rechtliche Grundlage zur Gänze in dem vom Finanzamt Linz am 6. August 1990 gemäß §93 Abs1 FinStrG - gegen den namentlich bezeichneten Beschwerdeführer - erlassenen Hausdurchsuchungsbefehl hatte, iS der unter 2.1.2. vertretenen Rechtsmeinung beim Verfassungsgerichtshof nicht unmittelbar anfechtbar ist.
Die auf Art144 Abs1 B-VG idF vor der B-VG-Novelle 1988 gegründete Beschwerde des H S gegen die Hausdurchsuchung und Beschlagnahme mußte deshalb - bereits aus dieser Erwägung - als unzulässig zurückgewiesen werden, ohne daß der Verfassungsgerichtshof auf das Beschwerdevorbringen zur Sache selbst eingehen konnte.
2.3. Der Eventualantrag des Beschwerdeführers auf Beschwerdeabtretung an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, weil eine solche Abtretung nur für den - hier nicht gegebenen - Fall einer ablehnenden Sachentscheidung des Verfassungsgerichtshofs vorgesehen ist, nicht hingegen auch bei Zurückweisung einer unzulässigen Beschwerde (vgl. zB VfGH 25.2.1983 B439/82).
2.4. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Finanzstrafrecht, Hausdurchsuchung, BeschlagnahmeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1991:B1108.1990Dokumentnummer
JFT_10089070_90B01108_00