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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1991 §16 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Jänner 1993, Zl. 4.335.616/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 21. Jänner 1993 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, der sich vom 22. April 1991 bis zum 31. Dezember 1991 in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hatte, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. März 1992 betreffend die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, abgewiesen und ausgesprochen, daß Österreich ihm kein Asyl gewähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem nach § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Da das Berufungsverfahren im vorliegenden Fall bereits am 1. Juni 1992 beim Bundesminister für Inneres anhängig war, hatte die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991, dieses Gesetz anzuwenden. Gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. ist einem Flüchtling dann kein Asyl zu gewähren, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.
Auch nach dem Vorbringen in der Beschwerde bleibt unbestritten, daß der Beschwerdeführer sich vom 22. April 1991 bis 31. Dezember 1991, d.h. über acht Monate, in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) aufgehalten hat. Der Beschwerdeführer wendet sich nunmehr gegen die rechtliche Ansicht der belangten Behörde, er sei "bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher" gewesen mit der Begründung, ein Asylwerber könne nur dann in einem Drittstaat vor Verfolgung sicher sein, wenn ihm dort bereits Asyl und damit ein dauerndes Aufenthaltsrecht gewährt worden sei.
Diese einschränkende Interpretation entspricht jedoch nicht dem Gesetz. Gemäß § 2 Abs. 2 Asylgesetz 1991 wird einem Flüchtling kein Asyl gewährt, wenn
1.) er unter Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention fällt;
2.) er die Umstände, mit denen er seine Furcht vor Verfolgung begründet, in Österreich mit der Absicht herbeigeführt hat, Asyl gewährt zu erhalten;
3.) er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war.
Gemäß Abs. 3 wird weiters Fremden kein Asyl gewährt, die bereits einen Asylantrag in Österreich oder einem anderen Staat, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, gestellt hatten und deren Antrag abgewiesen wurde.
Während im § 2 Abs. 3 Asylgesetz 1991 nunmehr klargestellt ist, daß die rechtskräftige Abweisung eines Asylantrages einem neuerlichen Antrag grundsätzlich entgegensteht, daher vorliegende rechtskräftige Ablehnungen durch österreichische Behörden oder Behörden eines anderen Staates, der die Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention beachtet, grundsätzlich einen Ausschlußgrund bilden, bedeutet die Regelung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991, daß die Asylgewährung auch ausgeschlossen ist, wenn der Flüchtling - unabhängig von seiner Anerkennung als Flüchtling - "anderweitigen Schutz vor Verfolgung gefunden hat". Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. auch hg. Erkenntnisse vom 16. September 1993, Zl. 93/01/0761 sowie vom 29. Oktober 1993, Zlen. 93/01/0257 u. a.) ist Verfolgungssicherheit im Sinn des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 anzunehmen, wenn der Asylwerber im Drittstaat keiner Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt war und auch wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat hatte (siehe Regierungsvorlage 270, Blg. Nr. 18 GP zu § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991). Dabei kommt es nicht darauf an, wie lang sich der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten hat, welche Absichten er dabei verfolgt hat und ob sein Aufenthalt den dortigen Behörden bekannt und von diesen geduldet war, bestand doch die anzunehmende Verfolgungssicherheit spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem er in die BRD eingereist ist. Der Beschwerdeführer hat auch anläßlich seiner Ersteinvernahme nicht dargetan, aus welchen Gründen er nach seinem immerhin achtmonatigen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland nunmehr nach Österreich gekommen und erst vor den hiesigen Behörden um Asyl angesucht hat. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung kann aus dem Fehlen einer derartigen Behauptung aber auf eine offenkundige Mangelhaftigkeit im Sinn des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 nicht geschlossen werden, weil es grundsätzlich dem Beschwerdeführer obliegt, alle asylrechtlich relevanten Umstände von sich aus vorzubringen. Auch die umfassende Ermittlungspflicht der Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet keine über den durch die angeführten Vorschriften gesteckten Rahmen hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf asylrechtlich relevante Umstände ist die Behörde verpflichtet, gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung dieser Angaben zu dringen. Keinesfalls ist die Behörde verpflichtet, den Asylwerber dahingehend anzuleiten, welches Vorbringen er zu erstatten habe, um seinem Antrag zum Erfolg zu verhelfen.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1994:1993010126.X00Im RIS seit
20.11.2000