TE Vwgh Erkenntnis 1994/1/27 92/01/1094

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Veröffentlicht am 27.01.1994
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §18a;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. November 1992, Zl. 4.335.200/4-III/13/92, betreffend Asylgewährung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der islamischen Republik Iran, kaldäische Christin und Angehörige der assyrischen Volksgruppe, die am 9. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 20. März 1992 den Asylantrag gestellt hat, gab bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 24. März 1992 vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich an, sie gehöre keiner politischen Organisation, wohl jedoch der assyrischen Minderheit und dem kaldäischen katholischen Glaubensbekenntnis an. Seit ihr Sohn im Jahr 1978 getötet worden und ein Regimewechsel erfolgt sei, sei es für sie immer schwerer geworden. Angehörige von Minderheiten würden ständig unterdrückt und hätten ihren Glauben nicht frei ausüben können, da sie ständig von Revolutionswächtern überwacht worden seien. Als Frau sei es fast unmöglich, im Iran zu leben, da man nach der Bekleidungsvorschrift bei jeder Kleinigkeit beanstandet würde, da schon eine Haarlocke, welche aus dem Kopftuch hervorschaue, die Revolutionswächter auf den Posten rufe und man dafür gerügt und gedemütigt werde. Als Angehörige einer Minderheit und Andersgläubige sei es unmöglich, in einem Geschäft einzukaufen, weil man nehmen müsse, was einem vorgelegt werde. Man lebe ständig in Angst, da man nie unbeobachtet sei und man wegen jeder Kleinigkeit beanstandet werde. Ihr Sohn sei auf offener Straße festgenommen worden, weil er Alkohol getrunken hätte. Er sei zwei Tage eingesperrt und verprügelt worden. Da weder sie selbst noch ihr Sohn diese Zustände länger hätten ertragen können, hätten sie beschlossen, in die USA zu flüchten, da sie in einem freien Land leben wollten. Im Falle ihrer Rückkehr würden sie sicherlich eingesperrt werden.

Mit Bescheid vom 26. Mai 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark fest, daß die Beschwerdeführerin die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Flüchtling nicht erfülle.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung

mit folgendem Wortlaut.

"Sehr geehrte Herren

Ich bitte meine Fluchtgründe aus meinem Heimatland neu zu

überprüfen.

Hoffe auf eine für mich positive Erledigung.

Mit bestem Dank im voraus und freundlichen Grüßen verbleibe

ich. Hochachtungsvoll.

eh."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und verweigerte die Gewährung von von Asyl.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugeben, daß der Hinweis der belangten Behörde auf die bestehende Verfassungsrechtslage im Iran allein nicht geeignet ist, eine behauptete Verfolgungsgefahr in Abrede zu stellen (vgl. hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1993, Zl. 92/01/0980, betreffend Albanien). Dennoch ist der belangten Behörde im Ergebnis nicht mit Erfolg entgegenzutreten, wenn sie eine konkrete individuell gegen die Beschwerdeführerin selbst gerichtete Verfolgung nicht als gegeben erachtete, hat doch die Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren lediglich allgemeine, alle Angehörigen ihrer Volksgruppe und ihres Glaubens treffende Beeinträchtigungen als Fluchtgründe geltend gemacht. Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt erkannt hat, kann aber aus der Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Minderheit allein nicht auf das Vorliegen einer Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Artikel 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) geschlossen werden. Allein die Verpflichtung zur Einhaltung der islamisch-fundamentalistischen Bekleidungsvorschriften auch für Angehörige ethnischer und religiöser Minderheiten kann ebensowenig das Vorliegen von Fluchtgründen i.S.d. Konvention bewirken, wie der Hinweis auf die allgemeine Lage von Minderheiten im Heimatland der Asylwerberin. Zwar kann bei Beurteilung der Frage nach dem Vorliegen von asylrechtlich relevanten Fluchtgründen die allgemeine Lage im Heimatland eines Asylwerbers Rückschlüsse auf die konkrete Situation zulassen, dies bedeutet allerdings noch nicht, daß aufgrund dieser allgemeinen Lage allein anzunehmen sei, die Beschwerdeführerin unterliege jedenfalls einer individuell gegen sie gerichteten Verfolgung. Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe keine amtswegigen Erhebungen und Ermittlungen über die näheren Umstände der Lebensverhältnisse der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatland durchgeführt, ist ihr zu entgegnen, daß weder aus § 13a AVG noch aus § 16 Asylgesetz 1991 eine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden kann, einen Asylwerber anzuleiten, wie er seine Angaben konkret zu gestalten hat, damit sein Ansuchen von Erfolg gekrönt ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1993, Zl. 93/01/0010). Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt sohin nicht vor.

Auch kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie die von der Beschwerdeführerin geäußerten Bedenken, im Falle ihrer Rückkehr in ihrem Heimatland inhaftiert zu werden, als nicht geeignet angesehen hat, ohne Hinzutreten weiterer konkreter Umstände das Vorliegen begründeter Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen.

Da sich die Beschwerde sohin als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1994:1992011094.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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